Nach Gespräch mit McAllister: Briten wollen bis zum Sommer über Schließungen ihrer Militärstandorte in Deutschland entscheiden.
Hannover/London. Während seiner Dienstreise hat der niedersächsische Ministerpräsident McAllister mit dem britischen Verteidigungsstaatssekretär Gerald Howarth und dem Verteidigungsminister Liam Fox über die Schließung britischer Militärstandorte in Deutschland gesprochen. Die britische Regierung will erst im Frühsommer über den Zeitplan entscheiden. „Wir verstehen die Bedenken der Gemeinden“, sagte Howarth. Die Briten hätten mehrfach betont, dass es einen „schrittweisen Abzug“ geben solle, bei dem „auch regionalpolitische und soziale Überlegungen eine Rolle spielen“, sagte der Ministerpräsident im Anschluss. Er gehe nicht davon aus, dass bereits bis 2015 die Hälfte aller britischen Soldaten aus Deutschland abgezogen werden.
Derzeit sind noch 20 000 britische Soldaten in Niedersachsen stationiert. Bis 2020 wollen die Briten ihre deutschen Kasernen schließen. Die ökonomische Situation lasse keine Wahl, sagte Howarth. McAllister zeigte angesichts der deutschen Bundeswehrreform Verständnis für die Briten: Die Standorte in Deutschland würden den britischenStaat jedes Jahr 250 Millionen Pfund (287 Millionen Euro) kosten. „Die Entscheidung, die Truppen abzuziehen, erscheint mir unumgänglich.“
Weil die Briten eventuell einenÜbungsplatz im Ausland erhalten wollen, warb McAllister für die weitere Nutzung des Truppenübungsplatzes Bergen-Hohne. Er übergab Fox eine Studie zu den ökonomischen Auswirkungen des Truppenabzugs auf die Region. „Minister Fox hat in Aussicht gestellt, dass es hier voraussichtlich bis zumEnde des Jahres eine Entscheidung geben wird.“ Der Übungsplatz stehe derzeit noch in Konkurrenz mit Senne bei Paderborn, einerKaserne in Kanada und mehreren britischen Standorten.
McAllister hatte am Montagmorgen außerdem eine Schule in einer sozial-schwachen Londoner Gegend besucht. Nach dem Besuch dieser Schule, in der – wie in Großbritannien üblich – , Kindergarten und Grundschule zusammen untergebracht sind, sagte der Ministerpräsident: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir das in der nächsten Legislaturperiode mal modellhaft probieren.“ In der „Coburg Primary School & Nursery“ in einem sozialen Brennpunkt Londons werden Kinder von drei bis elf Jahren unterrichtet. Schon im Kindergarten lernen die Jungen und Mädchen beispielsweise das Alphabet. Für den Unterricht sind die Grundschullehrer verantwortlich. Je nach Entwicklungsstand wechseln die Kinder mit fünf oder sechs Jahren übergangslos in die erste Klasse. In Deutschland gebe es in Baden-Württemberg ein ähnliches Modellprojekt, sagte McAllister. Das beobachte er sehr genau.
McAllister hat in London außerdem Westminster Abbey besichtigt und sich mit Vertretern deutscher Unternehmen getroffen. Höhepunkt der Reise sollte am Nachmittag ein Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron in dessen Amtssitz in der Downing Street werden.
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Auf diese Dienstreise freut er sich von Herzen. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister wird heute in 10 Downing Street, der berühmten Straße Londons, vom britischen Premier David Cameron empfangen. Es ist ein Besuch unter Freunden.
Dabei sind die Themen, über die die beiden Politiker sprechen wollen, alles andere als einfach. Im Zentrum des rund einstündigen Treffens dürfte der von Cameron angekündigte Abzug der britischen Soldaten stehen. Angesichts der klammen Haushaltslage in Großbritannien haben die regierenden Tories dem Land einen strikten Sparkurs auferlegt. Dies bedeutet auch, dass die rund 20 000 in Deutschland stationierten Briten zwischen 2015 und 2020 abgezogen werden. So sehr McAllister die Entscheidung respektiert, er bedauert sie auch. "Wenn die britischen Soldaten mit ihren Familien aus Deutschland abziehen, ist das ein herber Einschnitt für die betroffenen Standorte."
David McAllister ist beides, Brite und Deutscher. Mit acht Jahren ist er in Berlin von der englischen auf die deutsche Grundschule gewechselt. Das erste Diktat war eine glatte Sechs. "Ich kannte schlicht keine Groß- und Kleinschreibung", erinnert sich der niedersächsische Ministerpräsident McAllister im Gespräch mit dem Abendblatt. Der schottische Vater James Buchanan McAllister war Zivilbeamter bei der britischen Armee, die deutsche Mutter Mechthild war Lehrerin, zu Hause bei den McAllisters wurden die beiden älteren Schwestern und David McAllister konsequent mit beiden Sprachen groß. Weswegen McAllister mangels Akzent gar nicht auffiel, dass er als Deutscher im Frühling 2010 den konservativen Spitzenkandidaten Cameron im Wahlkampf auf der Insel begleitet. Der 40-jährige Halbschotte und der 44-jährige britische Premier sind seit Jahren befreundet, früher als viele CDU-Parteifreunde hat McAllister dem Konservativen Cameron zugetraut, Labour als Regierungspartei abzulösen.
Vor der Wahl hat McAllister mitgemischt, aber bei der Wahl hat er sich trotz seines britischen Passes rausgehalten, nicht gewählt: "Ob das überhaupt ginge, damit habe ich mich nie beschäftigt, ich habe britische Wurzeln, aber ich bin deutscher Staatsbürger und fühle mich auch so." Etwa einmal im Jahr besucht McAllister Großbritannien und eine Cousine in Schottland. Die schickt ihm Zeitungsausschnitte, wenn sie von ihm handeln: "In der niedersächsischen Staatskanzlei wird die schottische Presse nicht ausgewertet."
Sein Vater, erzählt McAllister, war britischer Soldat der 51st Highland Infantry Division, hat im Westen den Feldzug mitgemacht. Bei der deutschen Kapitulation 1945 war er ausgerechnet in der Elbe-Weser-Region, dort, wohin die McAllisters von Berlin kommend 1982 gezogen sind, nach Bad Bederkesa im Landkreis Cuxhaven. Der Soldat McAllister aber kehrte nach dem Krieg erst einmal nach Schottland zurück, kam von hier aber Anfang der 50er-Jahre nach Berlin als Zivilbeamter, zuständig für Fernmeldeeinrichtungen. Und schon wohnhaft in Bederkesa, wo er dann später auch begraben wurde, ist er 1989 auch dabei gewesen, als sein Sohn als Soldat der Bundeswehr in Cuxhaven den Fahneneid leistete: "Sein Sohn in deutscher Uniform, mein Gelöbnis, so hat er mir erzählt, das hat ihn emotional sehr bewegt. Da hat sich für ihn ein Kreis geschlossen, weil aus erbitterten Feinden auch Partner und Freunde werden können", sagt David McAllister.
Was die Bundeswehr angeht, hatte der Name McAllister Vorteile. Er überforderte wegen Großschreibung, Kleinschreibung, Großschreibung im Nachnamen den Computer, aus McAllister wurde Allister Mac: "Dadurch war ich immer unter den Ersten beim Essen." Nachteile wegen des Migrationshintergrunds und des fremden Namens hat er als Kind und junger Mann nie gespürt. "Schmähbriefe mit Bezeichnungen wie Schottenjüngling und Bastard habe ich erst als Politiker kennengelernt."
McAllister schwört, wenn es um Informationen aus Großbritannien geht, auf den "Daily Telegraph" und auf die völkerverbindende Wirkung der Soldatensender AFN und BFBS. Und auch McAllister tut etwas für das bessere Verständnis. Von Zeit zu Zeit ruft ein schottisches Lokalradio an und bittet McAllister, Deutschland zu deuten: "Das reicht von der Wahl eines Deutschen zum Papst über Erklärungen für die Neuwahlentscheidung des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder bis zur Frage, warum Taxifahrer in Deutschland angeblich so oft unhöflich sind."