“Ich war wie in Rage“: Der 27-jährige Angeklagte gab zu, seine Internetbekanntschaft getötet zu haben - unter anderem aus Frust.

Hildesheim. Die 23 Jahre alte Melanie wollte sich mit einer Bekannten aus dem Internet treffen. Sie begegnete ihrem Mörder. Der 27 Jahre alte Angeklagte hat vor Gericht ein Geständnis abgelegt: Er brachte die junge Frau mit Messerstichen in Hals und Oberkörper um.

„Mm darf ich dich vernaschen?“ schrieb Benjamin F. als Kommentar zu einem Foto von Melanie auf einer sozialen Plattform im Internet. Die junge Floristin aus der Nähe von Peine ging auf den Spruch ein, denn angeblich stammte er von einer 18-jährigen „Sarah“. Doch bei der ersten Verabredung zwei Tage später entpuppte sich das freche Mädchen als ein eiskalter Mann, der laut Anklage Melanies Leben unter Qualen ein Ende setzte.

Etwa zwei Stunden lang sagt der mutmaßliche Mörder am Montag vor dem Landgericht Hildesheim aus. Kühl und nüchtern schildert der bullige 27-Jährige mit dem jungenhaften Gesicht das Treffen im Oktober vergangenen Jahres aus seiner Sicht. Dabei schaut er dem Vorsitzenden Richter Ulrich Pohl direkt in die Augen. Auf ein Anzeichen der Reue oder gar eine Entschuldigung warten Melanies Angehörige, darunter ihr Vater als Nebenkläger, vergeblich.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat der Täter die arglose junge Frau in seine Wohnung gelockt, um Sex mit ihr zu haben. Als sie sich gegen eine Vergewaltigung wehrt, schneidet er ihr mit einem Steakmesser die Kehle durch, verletzt sie mit zahlreichen Messerstichen und vergeht sich an der Leiche. Einige Zuschauer verlassen während der Aussage des Angeklagten den Saal, die Einzelheiten sind schwer zu ertragen.

Aus dem SMS-Wechsel vor der Tat geht hervor, dass Melanie eigentlich einen neutralen Treffpunkt vorgeschlagen hatte: die Schule, die Tanke, den Supermarkt. Doch Benjamin F. empfängt sie in seiner mit wenigen Teelichtern beleuchteten Einzimmer-Wohnung in einem Hochhaus in Peine. Wegen unbezahlter Rechnungen ist dem Hartz-IV-Empfänger der Strom abgestellt worden. Nächte verbringt er dennoch mit Spielen und in Chats vor seinem Computer im Keller, wo er Strom angezapft hat.

Der Angeklagte bestreitet, Melanie in seine Wohnung gelockt zu haben. Zu dem anzüglichen Spruch, mit dem er als „Sarah“ Kontakt zu der jungen Frau gesucht hat, sagt er: „Solche Kommentare sind da gang und gäbe.“ Ein Motiv für die Bluttat nennt er nicht. „In dem Moment kam halt alles hoch, die Sache mit der Ex, die Arbeitslosigkeit, der Frust“, erklärt er. „Ich hab zugeschnitten, Sägebewegungen am Hals.“

Bevor er Melanie empfing, hatte Benjamin F. sich im Internet mit seiner Ex-Freundin darüber gestritten, wann er seinen kleinen Sohn sehen darf. Da sei er schon aggressiv geworden, sagt er. „Ich war wie in Rage.“ Die Leiche transportiert der Täter anschließend in einer Mülltonne nach unten, mit dem Auto des Opfers bringt er sie in ein Waldstück. „Im Nachhinein denke ich, dass ich nur Macht ausüben wollte“, meint der mutmaßliche Mörder.

Melanies Mutter kann im Zeugenstand die Tränen nicht unterdrücken. Die 23-Jährige hat noch bei ihren Eltern im kleinen Dorf Dungelbeck gewohnt. „Sie war ein bisschen gutgläubig, aber nicht naiv“, sagt die Mutter über ihre Tochter. Im kommenden Sommer hätte Melanie ihren Freund heiraten wollen.

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Brutaler Täter schnitt Melanie die Kehle durch

Weder Kerzen noch Blumen deuten auf das schreckliche Verbrechen hin, mit dem der Familie die Tochter genommen wurde: Unscheinbar steht das Einfamilienhaus am Waldrand in Dungelbeck im Kreis Peine. Hinter der weißen Fassade und dem leicht verwitterten Dach lebte die 23 Jahre alte Melanie offenbar gut behütet, bis ihr eine Internetbekanntschaft zum tödlichen Verhängnis wurde. In der virtuellen Netzwelt hatte die Floristin eine Freundin gesucht und fand dabei ihren Mörder. Beim ersten Treffen in der realen Welt entpuppte sich die neue „Freundin“ als Mann, der brutal über die 23-Jährige herfiel. Immer wieder stach der Täter zu, die genaue Anzahl der Messerstiche gibt die Polizei nicht bekannt. „Der Täter hat der 23-Jährigen unter anderem die Lunge zerstochen und die Kehle durchgeschnitten“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hildesheim. Ein 27-Jähriger Mann wurde am vergangenen Freitag festgenommen , er gestand das Verbrechen nach Angaben der Ermittler. Anschließend führte er die Beamten in ein Waldstück, in dem er die Leiche der jungen Frau verscharrt hatte.

Seitdem ist die dörfliche Idylle in Dungelbeck aus den Fugen geraten. „Die Einwohner sind tief betroffen“, sagt Ortsratsvorsitzender Bernd Detlef Mau. Er erzählt, dass die Familie des Opfers erst vor sechs oder sieben Jahren in das rund 1800 Einwohner zählende Dorf im Landkreis Peine zog.

Warum sich die junge Frau mit der Internetbekanntschaft getroffen hat und was sich vor allem in den folgenden Stunden abspielte, ist noch immer unklar. Sicher ist bislang nur, dass sich der 27-Jährige Festgenommene in den Internetforum unter einem weiblichen Pseudonym angemeldet hatte. Dies sei ein gängiges Vorgehen der Täter, die es zumeist auf Kinder oder junge Frauen abgesehen hätten, betonte ein Sprecher des Landeskriminalamtes in Hannover. „Die zumeist männlichen Täter geben sich oftmals als Mädchen oder junge Frauen aus und erschleichen sich so das Vertrauen ihrer Opfer.“ Um nach mehreren Mails schließlich einen direkten Kontakt zu bekommen, seien die Täter überaus erfinderisch. Beispielsweise gaukeln sie jungen Frauen vor, die im Chat von einer Karriere als Model geschwärmt haben, Kontakte zu Fotoagenturen zu haben. Die Anzahl dieser Art von Verbrechen hat nach LKA-Angaben in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Genaue Zahlen werden aber nicht erfasst. An diesem Dienstagabend (18.00 Uhr) können sich die Menschen in Dungelbeck bei einer Trauerfeier von Melanie verabschieden. „Es gibt viele, die Anteil nehmen“, sagte Pastor Stefan Leonhardt von der evangelischen Kirche in dem Ort.