Vor dem Castor-Transport ketteten sich Aktivisten an die Gleise. Im Nordosten wurden Mahnwachen aufgebaut. Die Polizei verstärkt ihre Präsenz.

Lubmin/Karlsruhe. Der neuerliche Atommülltransport ins Zwischenlager Nord (ZLN) bei Lubmin wirft seine Schatten voraus: Während die Castor-Gegner in Karlsruhe versuchten, den Start des Transports mit spektakulären Aktionen zu verzögern, bereiten sich Atomkraftgegner im Umkreis des ZLN auf die Ankunft der atomaren Fracht vor. An der 22 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Greifswald und Lubmin bauten sie am Dienstag bei eisigem Ostwind sechs Mahnwachen auf. Drei weitere sollen am Mittwoch dazukommen, sagte eine Sprecherin des Anti-Atom-Bündnisses Nordost. Die Atomgegner wollen in Zelten, an Feuertonnen, Heizstrahlern und auf Strohsäcken ausharren, bis der Transport in Lubmin eintrifft.

Der Zug mit fünf Castoren aus der stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe wird am frühen Donnerstag erwartet. Im Dorf Kräpelin organisierten Mütter einen beheizbaren Bauwagen, damit Kinder im Warmen gestillt werden können. „Die Kinder sind die Generation, die die Fehler älterer Generationen ausbaden müssen“, begründete eine Greifswalder Mutter eines Kleinkindes ihre Teilnahme am Protest. Die Mütter planen für Mittwoch ein Kinderfest an den Schienen. Nur wenige Kilometer weiter an den Bahnübergängen bei Brünzow, in Stilow und Kemnitzerhagen errichteten Atomkraftgegner Zelte, rollten Protest-Transparente aus und stellten gelbe Kreuze auf.

„Wir wollen ein Zeichen gegen die Energiepolitik der Bundesregierung setzen“, sagte André Berg in Stilow. Die Verpflegung der Mahnwachen übernimmt die „Volksküche“ in Greifswald. Allerdings blieben die Autos mit dem Essen beim letzten Castor-Transport im Stau stecken, deshalb haben die Protestler sich mit zusätzlichen Konservendosen und Propangas-Kocher versorgt.

Die Polizei hat inzwischen ihre Präsenz an den Gleisen verstärkt. Mehrere Hubschrauber kreisten am Dienstag über dem Streckenabschnitt, den die Beamten in den vergangenen Wochen mit einem Georadar-Wagen abgesucht hatte. Polizisten einer Reiterstaffel patrouillieren an den Gleisen. An jedem Bahnübergang und in Sichtweite der Mahnwachen haben sich mehrere Mannschaftswagen der Polizei postiert. „Die Polizei hat kein Problem mit friedlichem Protest“, betonte ein Polizeisprecher. Eine Ankett-Aktion wie im Dezember 2010, die den Transport vor Lubmin um sechs Stunden verzögerte, wollen die Beamten verhindern.

Die Greenpeace-Blockade in Karlsruhe sorgt auch bei der Polizei in Vorpommern für erhöhte Wachsamkeit, bei den Atomkraftgegnern erzeugt sie Respekt. „Die Menschen können nur auf die Straße gehen, um ihre Unzufriedenheit mit der Atompolitik zeigen“, sagte ein Atomkraftgegner in Brünzow.

In Karlsruhe hatten kurz vor dem Atommüll-Transport 35 Greenpeace-Aktivisten die Gleise stundenlang blockiert. Sie postierten einen Container auf den Gleisen. Zehn Atomgegner ketteten sich so gründlich an den Schienen fest, dass die Polizei die Gleise mit einer Flex durchtrennen musste. Die letzte Angekettete wurde erst nach mehr als neun Stunden weggebracht. Die Polizei rechnete von Beginn an nicht damit, dass die Greenpeace-Aktion den Abtransport der fünf Castoren verzögern würde.

Anders war dies noch beim letzten Castor-Transport nach Lubmin im Dezember des vergangenen Jahres. Dort hatten Atomkraftgegner die Gleise derart massiv blockiert, dass der Zug erst mit sechs Stunden Verzögerung im ZLN eintreffen konnte. Zwei der Aktivisten erhielten in der Zwischenzeit einen Gebührenbescheid der Polizei, wonach sie für die Gleisbefreiung insgesamt 8.249 Euro Strafe zahlen sollen.