Nach Reformplänen der Landesregierung sollen die Ämter in Schleswig-Holstein künftig wieder reine „Schreibstuben“ werden.

Kiel. Die Ämter in Schleswig-Holstein sollen wieder reine Verwaltungszentralen werden, die Beschlüsse der Gemeindevertretungen vorbereiten und umsetzen. Dies geht aus Reformplänen der Landesregierung hervor, die Innenminister Klaus Schlie (CDU) am Dienstag in Kiel vorgestellt hat. Wenn amtsangehörige Gemeinden über ihre Grenzen hinweg einzelne Aufgaben gemeinsam erledigen wollen, sollen sie dafür einen amtsinternen Zweckverband gründen dürfen.

Das Landesverfassungsgericht hatte die Amtsordnung in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Die Richter rügten, dass Gemeinden immer mehr Aufgaben an die Ämter abgeben haben, die Amtsausschüsse aber nicht direkt von den Bürgern gewählt werden – es muss also ein Demokratiedefizit behoben werden. Bis Ende 2014 muss die Praxis der Amtsverwaltung geändert werden. „Die neue Amtsordnung stärkt die Gemeinden als Keimzelle der Demokratie und unmittelbaren Willensbildung“, sagte Schlie. „Wir stärken die kommunale Selbstverwaltung und befreien das kommunale Verfassungsrecht von einengenden Vorgaben.“ Die Regierung wolle dem Landtag noch vor der Sommerpause 2011 einen Gesetzentwurf zuleiten.

Anfang 2012, gut ein Jahr vor der Kommunalwahl, könnten die Neuregelungen in Kraft treten. Es gebe einen starken Wunsch nach mehr Selbstverwaltung ohne überflüssige Vorgaben von oben, sagte der Innenminister. Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung werde nicht als Last empfunden, sondern als „angenehme Pflicht“ und Herausforderung, die eigenen Angelegenheiten vor Ort so weit wie möglich selbst zu gestalten.

Das Prinzip: Die Verwaltung bleibt bei den Ämtern, aber Entscheidungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten dürfen künftig nur die Gemeindevertretungen treffen, nicht mehr die Ämter. Alternativen zu den Regierungsplänen – darunter eine Zusammenfassung der bisherigen Kreise und Ämter zu 30 bis 40 neuen Kreisen – seien strikt abgelehnt worden, sagte Schlie. Gleiches gelte für die Variante, die Amtsausschüsse direkt vom Volk wählen zu lassen. Dies hätte den Einstieg in eine Gemeindegebietsreform bedeutet, die man nicht wolle, sagte der Minister.

Nach der aktuellsten Übersicht gab es (Stand: 1. Januar 2009) in Schleswig-Holstein 87 Ämter. Die Einwohnerzahl reicht von 1300 beim Amt Pellworm bis zu knapp 40.000 im Amt Südtondern. Die Zahl der amtsangehörigen Gemeinden bewegt sich zwischen 3 und 34. Die Reformpläne sehen weiterhin vor, dass Gemeinden ab 4000 Einwohnern ohne eigene Verwaltung einen hauptamtlichen Bürgermeister bestellen können. Bisher müssen Gemeinden bis 8000 Einwohnern ehrenamtlich verwaltet werden – für die Amtsinhaber ist das oft nur schwer zu bewältigen.

Das Vorschlagsrecht für die Direktwahl hauptamtlicher Bürgermeister steht künftig den Parteien statt den Fraktionen zu. Für Landräte und Amtsdirektoren werden Qualifikationsanforderungen gesetzlich vorgeschrieben. Für Städte ab 20.000 Einwohnern geht die Kommunalaufsicht auf die Kreise über. Bisher sind sie direkt dem Innenministerium unterstellt. Aus der Opposition bekam der Innenminister keinen Beifall. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Robert Habeck verschärfen die Vorschläge die Probleme, statt sie zu lösen. „Die Gemeinden haben ja nicht zufällig Aufgaben auf die Amtsebene übertragen, sondern weil sie diese kaum noch allein bewältigen können.“ Zweckverbände seien auch nicht die Lösung, weil diese aus Sicht Habecks wieder Aufgaben den demokratischen Gremien entziehen. Und genau dies habe das Verfassungsgericht moniert.

Die SPD-Fraktion forderte gründliche Beratung statt Eile. Es müsse nicht schon 2012 eine Lösung geben, erklärte der Abgeordnete Thomas Rother. Die SPD wolle die Reform der Kommunalverfassung erst nach der nächsten Landtagswahl mit einem Sonderausschuss angehen. „Der Innenminister doktert nur an den Symptomen herum, und lässt die eigentliche Krankheit des Systems unbeachtet“, monierte die SSW-Abgeordnete Silke Hinrichsen. „Die verfassungswidrige Machtfülle der Ämter hat sich über Jahrzehnte entwickelt, weil sehr viele kleine Gemeinden nicht die Ressourcen haben, um die kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben eigenständig wahrzunehmen.“ Das grundlegende Problem könne nur gelöst werden, indem man die Bildung größerer Gemeinden förderte. (dpa)