Ein Futtermittelhersteller aus Uetersen hat Reste aus der Produktion von Biodiesel zu Futter verarbeitet. Der Diesel-Hersteller ist entsetzt.

Hannover/Kiel. Die Biodieselfirma Petrotec ist bestürzt, dass Reste aus ihrer Ölherstellung zu Futtermitteln verarbeitet worden sind. „Wir haben in sämtlichen Verträgen, Lieferscheinen und Rechnungen stets darauf hingewiesen, dass die Mischfettsäure aus Altspeisefett nicht für die Lebens- und Futtermittelindustrie, sondern ausschließlich zur technischen Verwendung bestimmt ist“, sagte ein Unternehmenssprecher. Petrotec leiste durch die Produktion von Biodiesel aus Altspeisefetten einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz: „Daher sind wir sehr betroffen, dass nun offensichtlich durch ein anderes Unternehmen unser Produkt missbräuchlich verwendet wurde.“

Die Futtermittelfirma Harles und Jentzsch aus Uetersen hat Mischfettsäure bei einem holländischen Händler geordert, der diese von einer Biodieselanlage der Firma Petrotec im niedersächsischen Emden kaufte. Von dort ging die Säure direkt an einen Betrieb in Bösel (Niedersachsen). Dort wurde aus der Säure und anderen Stoffen eine Fettmischung produziert. 527 Tonnen dieser Mischung verkaufte die Firma aus Uetersen als Grundstoff an sieben Tierfutterhersteller in Niedersachsen, drei in Nordrhein-Westfalen und jeweils einen Hersteller in Hamburg und Sachsen-Anhalt. Von diesen Herstellern ging die verseuchte Ware kreuz und quer durch Deutschland und wurde bundesweit an Legehennen, Puten, Schweine und Ferkel verfüttert.

Die Futtermittelfirma hat ihre Schuld eingeräumt. „Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist,“ sagte Siegfried Sievert, der Geschäftsführer von Harles und Jentzsch, dem „Westfalen-Blatt“. Offenbar wurde das Mischfett aus der Biodieselherstellung schon seit mehreren Jahren zu Viehfutter verarbeitet, obwohl es eigentlich klar für den technischen Gebrauch gekennzeichnet war, etwa für die Herstellung von Schmiermitteln. Dioxin komme aber üblicherweise bei der Produktion von Biodiesel nicht vor, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover, Gert Hahne.

Der Geschäftsführer der Futtermittelfirma Siegfried Sievert hatte die Biodiesel-Anlage von Petrotec als Quelle des Dioxins genannt. Die Petrotec AG erklärte, sie prüfe, ob sie rechtlich dagegen vorgehen werde.

Niedersachsen sperrte gestern vorsorglich 1000 Bauernhöfe. In Sachsen-Anhalt erhielten vier Betriebe ein Verkaufsverbot, in Nordrhein-Westfalen wurden 8000 Legehennen getötet. Allein von diesem Hof sollen mehr als 100.000 Eier im Handel sein. „Das ist schon ein Skandal, und hier muss es jetzt auch die Diskussion über politische Konsequenzen geben“, sagte der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) im ARD-Morgenmagazin. Die Schließung weiterer Betriebe sei möglich. Zu den Risiken für die Verbraucher sagte Remmel: „Wir haben, glaube ich, keine akute Gefährdung, aber Dioxin gehört einfach nicht in die Nahrung. Es gibt ja auch nicht umsonst die Grenzwerte. Dioxin ist gesundheitsgefährdend und kann Krebs auslösen.“ Wie viele dioxinbelastete Eier oder Hähnchen bundesweit schon verzehrt wurden, ist unklar.

Die größten Dioxin-Skandale der letzten zehn Jahre

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium werde versuchen, bereits ausgelieferte Produkte aus dem Handel wie aus der Lebensmittelindustrie zurückzuholen, sagte Sprecher Gert Hahne: "Mindestens der größte Teil der Verzehreier ist aber inzwischen weg." In Niedersachsen geht es nach bisherigem Stand um eine tägliche Eierproduktion von 400.000 Stück. Bislang habe man landesweit bei 34 Proben in 18 Fällen Dioxin gefunden, so Hahne. Der Grenzwert für Dioxin sei dabei in einem Fall überschritten worden. Die Sperrung diene dem Verbraucherschutz: "Wir vermuten keine elementare Gefährdung der Bevölkerung, aber wir können sie auch nicht ausschließen." Eine öffentliche Nennung der 1000 Betriebe lehnte Hahne unter Hinweis auf den Datenschutz ab: "Durch unsere Maßnahmen ist aber gewährleistet, dass aus diesen Betrieben nichts rauskommt, was vorher nicht gründlich untersucht worden ist."

Für Schleswig-Holstein gab das Umweltministerium vorerst Entwarnung. "Nach jetzigem Kenntnisstand sind keine Futtermittelhersteller oder landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein mit belasteter Ware beliefert worden."

Die Agrarminister der Länder verständigten sich gestern in einer Telefonkonferenz darauf, die genauen Vertriebswege des Dioxin-Futters aufzuklären. Erschwert wird dies durch eine späte Information aus Kiel. Die Futtermittelfirma Harles und Jentzsch hatte bereits am 23. Dezember bei einer Routinekontrolle die Belastung festgestellt und noch am selben Tag das Kieler Umweltministerium alarmiert. Über die Weihnachtstage passierte allerdings nichts. Erst am 27. Dezember gab das Ministerium das Dioxin-Ergebnis als "Schnellwarnung" an die anderen Bundesländer weiter. Danach schauten die Futtermittelkontrolleure sich in Uetersen um. In dem Futtermittelbetrieb wurden etwa 100 Proben gezogen. Die Ergebnisse sollen in den nächsten Tagen vorliegen.

Das Umweltministerium in Hannover hat die Oldenburger Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Man prüfe auch die Frage, ob es um wirtschaftliche Vorteile gegangen sein könne beim Verkauf von solchen Abfallprodukten. Hintergrund: Pflanzliche Mischfettsäuren, die zu Tierfutter verarbeitet werden, sind teurer als Industriefette. In Deutschland werden jährlich fünf Millionen Tonnen Mischfutter an Legehennen und vor allem Mastgeflügel verfüttert. Das Spezialfutter hat einen Fettanteil von 15 bis 20 Prozent und wird eingesetzt, damit Hühner und Puten schneller wachsen. Getreide hat einen Fettanteil von nur drei bis vier Prozent.