Was kann die Welt vom Klimagipfel in Poznan erwarten? Das Hamburger Abendblatt sprach darüber mit dem Chef des Uno-Umweltprogramms, Achim...

Was kann die Welt vom Klimagipfel in Poznan erwarten? Das Hamburger Abendblatt sprach darüber mit dem Chef des Uno-Umweltprogramms, Achim Steiner.


Abendblatt:

Beim Klimagipfel in Bali 2007 setzten sich die Staaten das Ziel, den globalen Treibhausgasausstoß bis 2050 mindestens zu halbieren? Was kann Poznan dazu beitragen?

Achim Steiner:

Zum ersten Mal liegt jetzt ein Verhandlungstext auf dem Tisch für ein Nachfolgeabkommen. Es geht nicht mehr nur um einen Meinungsaustausch, die Delegationen können konkret auf Basis des Textentwurfes arbeiten. Es werden zwar in Poznan keine endgültigen Beschlüsse gefasst, aber sicherlich Weichen gestellt, um 2009 in Kopenhagen zu konkreten Vereinbarungen zu kommen.



Abendblatt:

Noch fehlt ein wichtiger Mitspieler, der kommende US-Präsident Barack Obama. Er hat angekündigt, den Klimaschutz voranbringen zu wollen.

Steiner:

Bereits jetzt werden die Aussagen der neuen Administration, des gewählten Präsidenten Obama, in den Fluren dieser Verhandlungen sehr deutlich gespürt werden. Amerika will einen grundlegenden Richtungswechsel einleiten, in der nationalen wie internationalen Klimapolitik. Dieses Signal ist in Poznan enorm wichtig. Die US-Delegation kann noch keine konkreten Zusagen machen, sie wird aber die neue Situation reflektieren, und es werden auch Vertreter vom gewählten Präsidenten Obama in Poznan sein.



Abendblatt:

Bislang waren die USA weder bereit, sich international auf Reduktionsziele zu verpflichten, noch sich finanziell groß zu engagieren. Erwarten Sie in beiden Bereichen Fortschritte?

Steiner:

Sehr große Fortschritte. Die neue Administration will ein Emissionshandelssystem einführen. Obama hat sehr konkrete Klimaschutz-Ziele angekündigt.



Abendblatt:

Wie mitreißend wird dieser neue Schwung sein?

Steiner:

Die Vorzeichen der USA werden natürlich auch in Neu-Delhi, Peking und Brasilia zu einem Nachdenken führen. Das Argument der Entwicklungsländer lautete bisher: Wenn der größte Emittent, die USA, nicht bereit ist, zum Klimaschutz beizutragen, dann haben die Entwicklungsländer keinen Anreiz, ihren Entwicklungsweg einzuschränken. Ich erwarte, dass in Poznan mit mehr Optimismus und mehr Vertrauen verhandelt wird.



Abendblatt:

Wird es noch Bremser geben?

Steiner:

Es mangelt immer noch an Vertrauen seitens der Entwicklungsländer, dass die Industriestaaten bereit sind, in dem Maße eine Führungsrolle zu übernehmen, wie es sich die Entwicklungsländer vorstellen. Aus deren Sicht ist die Klimaproblematik von den Industrieländern über das 20. Jahrhundert verursacht worden. Die Entwicklungsländer werden fragen, ob die Industrieländer wirklich bereit sind, in einer Technologiepartnerschaft und mit entsprechender Finanzierung die Umkehr unserer Volkswirtschaften voranzubringen. Die gegenwärtige Wirtschaftslage gibt nicht die besten Vorzeichen dazu.



Abendblatt:

Welche Rolle wird die Wirtschafts- und Finanzkrise spielen?

Steiner:

Eine große Rolle. Wir haben bei dem G20-Treffen in Washington noch nicht erkennen können, dass die enormen Finanzmittel - 4000 bis 5000 Milliarden Euro -, die mobilisiert werden, um die Krise zu bewältigen und Konjunkturprogramme einzuleiten, strategisch für den Klimaschutz genutzt werden. Wir haben eine Krise, aber auch eine Chance, nämlich für einen "Global green new deal": einen gemeinsamen partnerschaftlichen Weg der Weltgemeinschaft hin zu CO2-freien Volkswirtschaften als Antwort auf die neue Wirtschaftskrise. Wenn der Klimaschutz bei den Rettungsprogrammen keine Rolle spielt, wird sich jedes Land auf seine eigenen Interessen zurückziehen.



Abendblatt:

Welche Rolle spielen die EU und Deutschland?

Steiner:

Die Diskussionen der letzten Wochen haben Entwicklungsländer verunsichert. Sie beobachten genau, ob Europa an seiner bisherigen Führungsrolle festhält. Sollte es die eigenen Klimaziele aufweichen, so wäre dies ein weiterer Risikofaktor für die Verhandlungen. Hier spielt Deutschland eine enorm wichtige Rolle, denn es leistet einen überdurchschnittlichen Beitrag zu diesen Zielen. Ich hoffe sehr, dass die Bundesregierung Europa weiter überzeugen kann, an diesen Zielen festzuhalten.



Abendblatt:

Werden die Ölstaaten und Russland als großer Gasverkäufer sich konstruktiver geben?

Steiner:

Man kann einem Land nicht den Vorwurf machen, dass es seine Rohstoffe vermarktet. Die Verbraucherländer müssen die Abhängigkeit von den fossilen Energien verringern. Das nationale Interesse vieler Länder hat in einem Jahrzehnt Diskussion so weit überwogen, dass wir nicht zu einer gemeinsamen Klimapolitik gekommen sind. Nun geht uns die Zeit aus: Der Weltklimarat hat uns vorgegeben, in sieben bis acht Jahren den globalen CO2-Ausstoß zu stabilisieren und dann zu reduzieren.



Abendblatt:

Ist der Uno-Prozess nicht zu langsam angesichts des beschleunigten Klimawandels?

Steiner:

Eine Klimapolitik auf nationaler Ebene führt nicht zum Ziel. Wir brauchen die Uno-Konvention, und wir brauchen192 Länder an Bord. Wir dürfen das Thema nicht mehr am Rande behandeln, sondern müssen es ins Zentrum unserer Wirtschafts- und Entwicklungspolitik stellen.