Ebola, multiresistente Keime, H7N9: In Hamburg diskutieren Experten neue Erkenntnisse zu Infektionen. Unterdessen hat sich die Keim-Krise in Kiel nicht weiter verschärft. Doch ist sie auch gestoppt?
Hamburg/Kiel. Die „Keim-Krise“ am Universitätsklinikum in Kiel (UKSH) hat sich nicht weiter verschärft. Die Zahl der von einem gefährlichen Keim betroffenen Patienten sei nicht weiter gestiegen, berichtete Klinikchef Jens Scholz am Mittwoch.
Bisher waren zwölf Patienten gestorben, bei denen der Keim Acinetobacter baumannii nachgewiesen wurde. Die Zahl der Kranken, an denen insgesamt der Erreger festgestellt wurde, blieb bei 31. „Gott sei Dank“ habe es keine Erhöhung gegeben, sagte Scholz. Von einer beruhigenden Nachricht sprach Wissenschaftsministerin Kristin Alheit (SPD). Ob dies der Höhepunkt der Krise gewesen sei, gelte es aber abzuwarten.
Die Debatte um angebliche Hygienedefizite und Personalmangel hielt an. Scholz wies entsprechende massive Kritik der Gewerkschaft Ver.di und eines früheren UKSH-Klinikdirektors zurück. NDR 1 Welle Nord hatte berichtet, in mehr als 70 Fällen hätten Mitarbeiter Missstände auf der vom Keimbefall betroffenen internistischen Intensivstation angezeigt. Dabei sei es um zu wenige Fachkräfte auf der Station gegangen, weil Kollegen im Urlaub waren oder weil freiwerdende Stellen nicht besetzt wurden. Das UKSH habe eingeräumt, dass es 2014 allein am Standort Kiel 524 sogenannte Gefährdungsanzeigen gegeben habe.
Der Keim könnte bei drei Gestorbenen die Todesursache gewesen sein. Bei neun wurde das ausgeschlossen. Drei Patienten wurden seit Montag entlassen. Von sechs, die bisher negativ getestet in der Inneren Medizin lagen, konnte einer nach Hause gehen.
„Der Erreger ist ein bekannter Keim, der 2013 in Deutschland 16 Ausbrüche zu verantworten hatte. Er kommt aber nur auf Intensivstationen bei immungeschwächten und schwerkranken Patienten vor“, sagte dazu Prof. Ulrich Schaible, Direktor des Programmbereichs Infektionen am Forschungszentrum Borstel, auf einem zweitägigen Symposium über neue und wiederkehrende Infektionen, das am Donnerstag im Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) begonnen hat. Zur Problematik der multiresistenten Keime, die gegen viele Antibiotika unempfindlich geworden sind, sagte er, dass Antibiotika noch gezielter angewendet werden müssten und nur dann, wenn sie auch wirklich nötig seien. „Wir müssen den Einsatz neu überdenken.“
Ebola-Impfstoff hat eine gute Verträglichkeit bei Menschen gezeigt
Ein Schwerpunkt der Tagung ist die Ebola-Epidemie in Westafrika. In den drei am stärksten betroffenen Ländern Sierra Leone, Liberia und Guinea wurden bisher 22.000 Erkrankungen und mehr als 8800 Todesfälle registriert. Zu Gast auf dem Kongress ist die Ebola-Expertin Dr. Andrea Marzi vom US-amerikanischen National Institute of Health in Hamilton, Montana. Sie berichtete über einen Impfstoff gegen Ebola, den sie und ihre Kollegen erfolgreich an Affen getestet haben. In ersten klinischen Studien am Menschen habe er bereits eine gute Verträglichkeit gezeigt. In anderen Ländern, in Deutschland etwa in Hamburg, laufen derzeit Verträglichkeitsstudien mit anderen Ebola-Impfstoffen an. Prof. Stephan Günther, Leiter der Virologie im BNITM, berichtete über seine Erfahrungen bei seinem Einsatz in Nigeria und die Arbeit der drei europäischen mobilen Labors im Ebolagebiet. Eines ist nach wie vor in Guinea stationiert, die anderen in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone.
Generell sagten die Experten, dass eine Zunahme von Infektionen und die Schwere von Ausbrüchen auch durch die wachsende Mobilität der Menschen weltweit bedingt sei, außerdem würden durch die Möglichkeiten der modernen Diagnostik heutzutage mehr Infektionen entdeckt als früher. Die Influenza-Forscherin Prof. Gülsah Gabriel vom Heinrich Pette Institut warnte, dass kein Forschungsfeld auf dem Gebiet der Virologie finanziell vernachlässigt werden dürfe. „Denn wir wissen nicht, wo als nächstes ein Ausbruch droht.“
Grippevirus H7N9 bereitet den Forschern am meisten Sorgen
Je mehr die Kontaktgrenzen zwischen Mensch und Tier reduziert würden, umso häufiger würden Viren von Tieren auf Menschen überspringen. „Krankheiten an der Schnittstelle zwischen Tier und Mensch sind besonders schwer vorhersagbar und stellen die Forschung vor eine große Herausforderung. Besonders Grippeerreger sind sehr wandelbar. Sie besitzen die Fähigkeit, vom Tier auf den Menschen überzugehen und könnten dort schwerwiegende Epidemien oder gar Pandemien auslösen“, sagte Gabriel. Bei den Influenzaviren ist zurzeit das H7N9-Virus dasjenige, das den Wissenschaftlern am meisten Sorgen bereitet, weil das ursprünglich in Tieren vorkommende Virus immer mehr Merkmale von menschlichen Influenzaviren aufweist. Ein neues Indiz dafür sei die Saisonalität der H7N9-Infektionen, die eine Häufung im Winter zeigten, sagte Gabriel. Bislang habe es aber keine bestätigten Fälle einer Übertragung von Mensch zu Mensch gegeben.
Weitere Themen der Tagung sind unter anderem das 2012 identifizierte MERS-Coronavirus, das vor allem im arabischen Raum aufgetreten ist, und die Tuberkulose.
Veranstaltet wird die Tagung vom Leibniz Center Infection, einem Verbund von drei Norddeutschen Leibnizinstituten der Infektionsforschung. Dazu zählen neben dem BNITM das Forschungszentrum Borstel und das Heinrich-Pette-Institut auf dem Gelände des Universitätsklinikums Eppendorf.