Durchatmen am Kieler Uni-Klinikum: Der gefährliche Keim, der gegen fast alle Antibiotika resistent ist, hat nicht noch mehr Patienten befallen.

Kiel. Die „Keim-Krise“ am Universitätsklinikum in Kiel hat sich nicht weiter verschärft. Die Zahl der von einem gefährlichen Keim betroffenen Patienten sei nicht weiter gestiegen, berichtete Klinikchef Jens Scholz am Mittwoch.

Bisher waren zwölf Patienten gestorben, bei denen der Keim Acinetobacter baumannii nachgewiesen wurde. Die Zahl der Kranken, an denen insgesamt der Erreger festgestellt wurde, blieb bei 31. „Gott sei Dank” habe es keine Erhöhung gegeben, sagte Scholz.

Von einer beruhigenden Nachricht sprach Wissenschaftsministerin Kristin Alheit (SPD). Ob dies der Höhepunkt der Krise gewesen sei, gelte es aber abzuwarten.

Der Keim könnte bei drei Gestorbenen die Todesursache gewesen sein. Bei neun wurde das ausgeschlossen. Drei Patienten wurden nach Klinikangaben seit Montag entlassen. Von sechs, die bisher negativ getestet in der Inneren Medizin lagen, konnte einer nach Hause.

Die Debatte um angebliche Hygienedefizite und Personalmangel hielt an. Scholz wies entsprechende massive Kritik der Gewerkschaft Verdi und eines früheren UKSH-Klinikdirektors zurück. NDR 1 Welle Nord hatte berichtet, in mehr als 70 Fällen hätten Mitarbeiter Missstände auf der vom Keimbefall betroffenen internistischen Intensivstation angezeigt. Dabei sei es um zu wenige Fachkräfte auf der Station gegangen, weil Kollegen im Urlaub waren oder weil freiwerdende Stellen nicht besetzt wurden. Das UKSH habe eingeräumt, dass es 2014 allein am Standort Kiel 524 sogenannte Gefährdungsanzeigen gegeben habe.

Scholz hielt dagegen: Beim Reinigungspersonal steige die Zahl der Vollzeitstellen von 238 auf 253. Er relativierte auch die 524 Gefährdungsanzeigen. Bei gut 61 300 Schichten im Jahr bedeute das eine Quote von 0,85 Prozent. Und beim Pflegepersonal auf der internistischen Intensivstation sei die Zahl der Vollzeitstellen zuletzt von 59 auf 61 gestiegen. Er wies auch die Kritik von Verdi zurück, freie Stellen würden bewusst zunächst nicht wieder besetzt.

Bauliche Mängel als Kernproblem

Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) beurteilte die Situation am UKSH anders als Scholz und forderte, schnellstmöglich Landesmittel „für das dringend benötigte Personal bereitzustellen”.

Als ein Kernproblem nannte Scholz die baulichen Mängel des veralteten UKSH. Patientenzimmer seien etwa nicht direkt an Toiletten angeschlossen, und auf der internistischen Intensivstation gebe es nur vier Einzelbetten.

Alheit will prüfen, ob bis zur Fertigstellung des neuen UKSH möglicherweise Zwischenlösungen gefunden werden. Eine Option könne es sein, Bereiche in Container auszulagern. Dies sei aber erst nach dem Ende des Keim-Befalls auf zwei Intensivstationen des UKSH möglich.

Es werde nicht zulasten der medizinischen Qualität beim Personal gespart, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung prüft, ob geplante Maßnahmen zur baulichen Sanierung des Klinikums mit seinen vielen maroden Gebäuden vorgezogen werden können. Alheit betonte, „sollte dies medizinisch notwendig sein, wird die Landesregierung auch die Mittel dafür bereitstellen”.

Massive Kritik äußerte Scholz an den finanziellen Rahmenbedingungen. Schleswig-Holsteins Krankenhäuser hätten mit anderen Ländern den bundesweit niedrigsten Basisfallwert - also die Pauschalvergütungen für bestimmte medizinische Leistungen. Im Jahr bedeute der niedrige Basisfallwert 45 Millionen Euro weniger Einnahmen im Vergleich zu Ländern mit hohem Basisfallwert. Alheit bekannte, das Land habe auf diese Bundesregelung letztlich keinen durchschlagenden Einfluss.

Das veraltete UKSH soll im Rahmen eines Masterplans für 520 Millionen Euro saniert und Neubauten errichtet werden. Das betrifft beide Standorte in Lübeck und Kiel.