Nicht nur Halle Berry und Eva Mendes vertrauen ihm: Fitness-Star Harley Pasternak. Unser Autor testete sein Programm und trainierte mit ihm.
Harley Pasternak wirkt wie ein einziger großer Muskel. In kurzer Hose und engem T-Shirt kommt sein kapitaler Körper beeindruckend gut zur Geltung. Ein oberschenkelähnlicher Bizeps, sonnenverwöhnte Haut, friedliche braune Augen und ein perlweißgrelles Los-Angeles-Lächeln zeugen von innerer und äußerer Vitalität. Aber wer Hollywood-Stars wie Halle Barry oder Orlando Bloom in Form gedrillt hat, kann eben nicht rumlaufen wie Rainer Calmund. Pasternak - Sportphysiologe, Ernährungswissenschaftler, Autor und vermutlich bekanntester Fitnesstrainer der Welt - sagt: "Schön, dich zu treffen." Dann beißt er in einen Apfel.
Der gebürtige Kanadier hat seinen Wohnsitz mittlerweile in den amerikanischen Sonnenstaat Kalifornien verlegt. Prominente Klienten befeuern den Bekanntheitsgrad des 36-Jährigen. Nicht nur Fitness-Titel, sondern auch People-Magazine nennen ihn den Coach, dem die Stars vertrauen. Heute trifft er einen Menschen, der sich lebenslang von Hausmannskost ernährt und erst vor zwei Wochen mit dieser Tradition gebrochen hat. Er trifft mich.
Hinter mir liegen 14 Tage Entsagung. Ich habe täglich fünf äußerst gesunde Mahlzeiten mit jeweils fünf niedrigkalorischen Komponenten gegessen. Ich habe 25 Minuten Sport am Tag getrieben, fünfmal in der Woche. Der sechste Tag im starerprobten Harley-Pasternak-5-Faktor-Fitness-Programm ist Sündentag, was Musik in den Ohren eines blutigen Abnehmanfängers ist. Ich wusste vorher nicht, ob das Programm zielführend ist, aber laut Medizinern vereint es die optimale Kombination aus täglicher Bewegung und gesunder Ernährung. Der Frühling zieht den Menschen ja nicht nur verstärkt nach draußen, er deckt auch den Körper auf, nachdem man ihn im Winter gut verhüllt hatte.
Blicken wir also kurz auf die nackten Ausgangszahlen: Mein Gewicht lag vor zwei Wochen bei 82 Kilogramm, aufgeteilt auf eine Körperhöhe von 1,83 Meter. Wie ich jetzt weiß, ergibt sich aus diesem Verhältnis ein Körperfettanteil, der sogenannte Body-Mass-Index (BMI), von 24,5, womit ich laut Statistik an der Schwelle zum Übergewicht stehe. Ab einem BMI von 25 gilt man als übergewichtig, immerhin 51 Prozent aller deutschen Erwachsenen werden laut Statistischem Bundesamt der "Dicken-Kaste" zugerechnet. Weil die Rechnung aber sehr grob ist, würden unter anderem auch Pasternak und die Klitschko-Brüder aufgrund ihrer Muskelmasse dazuzählen. So weit zu nackten Zahlen und ihrer Aussagekraft.
Deshalb nun zur nackten Wahrheit. Die fiel mir vor etwas längerer Zeit in Form eines Urlaubsfotos in die Hände. "Hat der Mann einen Schildkrötenpanzer verschluckt?", dachte ich beim Anblick eines nachlässig trainierten Körpers in Stranduniform. In der Mitte dieses Körpers stülpte sich ein geltungssüchtiger Bauch über den Saum einer Badehose. Und weil er das nicht leicht gewellt, sondern massiv geschwappt tat, standen plötzlich Fragen im Raum wie: Wann genau in den vergangenen sieben Jahren habe ich eigentlich so zugelegt? Wie konnte mich mein Badezimmerspiegel so lange belügen? Und warum hört mein Bauch jetzt auf den Namen Wampi? Es musste etwas passieren. Problemzonenalarm.
Laut Weltgesundheitsorganisation hat sich die Zahl der krankhaft Fettleibigen von 1980 bis 2008 verdoppelt. Und angesichts der vermutlich nummerischen Überlegenheit möchte ich folgende Erklärung abgeben. Erstens: Ich habe nichts gegen Dicke. Zweitens: Ich bin nicht der Meinung, dass Übergewichtige per se weniger leistungsfähig sind. Und drittens: Ja, es gibt Schlimmeres auf der Welt, als ein 32-jähriger Mann zu sein, dessen Bauch aus dem Leim gegangen ist. Andererseits geht schlimmer immer. Und jeder nach seiner Fasson, nicht wahr?
Jedenfalls ist der nach innen gekehrte Winter vorbei, von deftigen Grünkohlgerichten will niemand mehr etwas wissen. Und spätestens wenn sich das Hemd aus dem vergangenen Sommer in der Bauchgegend wie ein Spannbettlaken anfühlt, weiß man: Schlank in den Frühling, dünn an den See - das ist jetzt der Sound des Zeitschriftenregals. Insofern scheine ich zumindest nicht der Einzige zu sein, der zur Sommersaison mit einer gewissen Portion Restwürde in seine Badehose steigen will.
Soziologen wissen, dass Körperfülle in früheren Mangelzeiten ein Zeichen von Wohlstand und nicht ganz unwichtig fürs Überleben war. In der Überflussgesellschaft hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Getrieben von medial inszenierten Schönheitsidealen will ein Großteil der Bevölkerung ohne Lovehandles über der Hüfte, Treppenkinn unter dem Gesicht oder Bingowings an den Oberarmen leben. Und auch mein Flauschbär-Leib muss doch wieder in Form zu meißeln sein.
Nur wie? Friss die Hälfte? Weight Watchers? Trennkost? Wenn man sich das erste Mal in seinem Leben ernsthaft mit dem Thema Abnehmen beschäftigt, versinkt man in einem Sumpf der Möglichkeiten. Man betritt das Reich der Geschäftemacher, Frustriertenforen und Jo-Jo-Effekte. Selbst die Suchmaschine Google ist bei solchen Vorhaben spaßbefreit. Gibt man das Wort Diät ein, erhält man 11 Millionen Suchergebnisse. Abnehmen kommt auf 14 Millionen Einträge und Ernährung auf 28 Millionen. Bezeichnenderweise übertrifft in diesem Kontext nur ein Wort in all seiner demütigenden Präsenz die Suchgelüste: Hunger! (82 Millionen Einträge)
Harley Pasternak schmückt sich damit, noch jeden Star in den Bikini trainiert zu haben. Seine Anweisungen an mich lauten: "Deine Schuhe sind zum Laufen zu hoch. Mach den Schritt etwas länger. Reiß die Arme bei den Sit-ups nicht so nach vorn." Er sagt das leicht genervt. Nach einem langen Tag in Hamburg, an dem er schon für diverse Magazine vor der Kamera stand, ist sein ansonsten ausgeglichenes Gemütskonto im Minus. Ob es der kühle Wind in Kombination mit seiner kurzen Hose ist, oder die Tatsache, dass ich nicht "Twilight"-Star Robert Pattinson bin? Wer weiß. Auf jeden Fall ist er der Star. So viel ist klar.
Zuvor war Phase eins seines Programms - Einkaufen im Supermarkt - ein schmerzhaftes Zerwürfnis mit lieb gewonnen Gewohnheiten. Wo stehen die empfohlenen Hülsenfrüchte? Ist mariniertes Hühnchenfleisch noch zulässig? Und was zum Teufel ist das Problem an Reis, Nudeln und Kartoffeln? Kohlenhydrate sind die unterdrückten Minderheiten der Diätmaschinerie. Sie werden fast überall systematisch vermieden! Auch in meiner.
Das englische Model Kate Moss lebt nach dem Grundsatz: "Nichts schmeckt so gut, wie Dünnsein sich anfühlt." Für meinen Geschmack ist das ziemlicher Unsinn. Denn die Vorgabe, fünf gesunde Mahlzeiten am Tag zu essen, ist auch mit Geschmackseinbußen verbunden. Für Genussmenschen kommt allein der Geruch von Rouladen bei gleichzeitig gelobter Enthaltsamkeit einer Menschenrechtsverletzung gleich. Mal davon abgesehen, dass man während der Arbeit wenig Zeit hat, sich ständig nach mageren Wildgerichten oder Beeren-Sorbet umzusehen. Aber wenigstens beschäftigt man sich mit seiner Lebensmittelzufuhr, gleichwohl ist es schwierig. Insgesamt wiegt das Gefühl, sich etwas leichter zu erleben, den ganzen Zinnober nur schwer auf.
Noch schwieriger als der dauernde Verzicht ist eigentlich nur, sich jeden Abend zum Sport zu überreden. Trainingsklamotten anziehen, Laufen gehen, gefüllte Wasserflaschen als Hantelersatz suchen. Das nervt. Ganz zu schweigen von den unangenehmen Bauchmuskelübungen, bei denen sich in unwürdiger Embryonalstellung sämtliche Bauchschwarten gegen jedes ästhetische Empfinden verbünden. Unnötig zu erwähnen, dass Stechen, Keuchen und Schnaufen zu guten Freunden geworden sind.
Dabei gab es mal eine Zeit, in der es anders war. Vor sieben Jahren habe ich das aktive Sporttreiben eingestellt, um mich dem passiven "Sportschau"-Sehen zuzuwenden. Früher war ich ein passabler Leichtathlet, später ein erfolgloser Fußballer, seit Kurzem bin ich nur noch faul. Und in der Retrospektive war es natürlich ein großer Fehler, die Leibesertüchtigung einzustellen, denn Experten wissen, dass Bauchfett ungefähr genauso schwer abzutrainieren ist, wie dem Papst die jungfräuliche Empfängnis auszureden. Gerade bei Männern erhöht eine füllige Körpermitte das Krankheitsrisiko enorm, wobei Übergewicht allein nicht das Problem ist, wie aktuelle Studien zeigen. Viel schlimmer ist mangelnde Bewegung.
Harley Pasternak lebt in Los Angeles. Vielleicht ist er deshalb der Meinung, jeder wolle gut aussehen, jeder wolle dünn und trainiert sein. Frauen noch viel häufiger als Männer, wie zahlreiche Umfragen zeigen. Ich halte es da mit Wiglaf Droste. Er beschrieb "Die Rolle der Frau" völlig zu Recht als äußerst sinnliche Weichzeichnung am weiblichen Körper. Aber in L.A. liest man wohl wenig Droste.
Unser Workout ist nach 20 Minuten vorbei, mein Tagessoll fast erreicht. Pasternak ist kalt. Freundlich verschwindet er ins Hotel. Eine Stunde später muss er weiter zur Fibo in Essen, der weltgrößten Fitnessmesse.
Nach 14 Tagen in den Mühlen der Diät-Gesellschaft habe ich beachtliche zwei Kilogramm abgenommen und zumindest das Gefühl, Eigentümer eines flacheren Bauches zu sein.
Es ist Zeit für eine Bratwurst.
Harley Pasternak im Interview