Die Agenda von “Rio 20+“ ist mindestens so dringend wie die des G20-Gipfels in Mexiko. Doch in Rio war die Luft schon raus, bevor es überhaupt losging.
Rio de Janeiro. Fast alles war schon gesagt. Auch eine Abschlussdeklaration liegt vor, an der vermutlich im Kern nicht mehr viel geändert werden dürfte. Das „Rio+20“-Ergebnis wurde vorab gefeiert oder empört kritisiert. Die einen sprachen von Erfolg, andere vom Scheitern. Der Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung war eigentlich zu Ende, bevor er am Mittwoch anfing, war der Eindruck vieler Konferenzteilnehmer. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die vor Wochen ihre Teilnahme absagte, dürfte ihre Entscheidung nicht sonderlich bedauern.
„Es ist eine ganz seltsame Stimmung. Irgendwie ist die Luft raus. Die Staats- und Regierungschefs sollen den Text nur noch abnicken“, sagte ein Delegationsmitglied, der sich schon am Dienstagabend über die erschöpfte Atmosphäre im „Riocentro“, dem gigantischen Konferenzzentrum in Rios Stadtteil Barra da Tijuca wunderte. Die Vorbereitungstage waren dagegen hektisch und auch die berüchtigte „Nacht der langen Messer“ lag am Dienstagmorgen schon hinter dem Gipfel.
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„Die Krise in den Verhandlungen kam unerwartet früh“, räumte selbst Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) ein. Die EU-Minister waren echauffiert, weil sie sich zunächst von der brasilianischen Gipfelpräsidentschaft mit dem Coup zum Stopp der Verhandlungen über den Entwurf „überrumpelt“ fühlten. Doch die Brasilianer blieben hart, machten den Deckel drauf, und konnten nach nervenaufreibenden Nachtsitzung stolz verkünden: „Die Entwurf der Deklaration steht.“
Nach einigem Hin- und Her und einer ersten Textanalyse fanden auch die Europäer den Text so schlecht nicht. Von Rückschritt könne jedenfalls keine Rede sein, in einigen Bereichen gebe es sogar Fortschritte, befand die dänische Umweltministerin Ida Auken. Der brasilianische Außenminister Antonio Patriota war mehr als zufrieden. Das könnte man dem gewieften Diplomaten deutlich ansehen. Auch der UN-Generalsekretär für den „Rio+20“-Gipfel, Sha Zukang, sprach früh von einem Erfolg: „Jetzt haben wir einen Text, der von der Konferenz angenommen wird.“
Eigentlich war damit schon 12 Stunden bevor UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Gipfel am Mittwoch mit mahnenden Worten eröffnete, alles gesagt und vermutlich auch weitgehend entschieden. „Der Gipfel ist vorbei, bevor er angefangen hat“, war der nüchterne Kommentar von Martin Kaiser, der für Greenpeace die Verhandlungen in Rio verfolgt.
Taktieren, übertreiben, blockieren und Ränke schmieden gehört zwar zu jeder Gipfeldramaturgie. Doch „Rio+20“ begann irgendwie mit dem letzten Akt, hatte man das Gefühl. WWF-Experte Alois Vedder befürchtet: „Der Nachhaltigkeitsgipfel in Rio droht zu einer reinen Schauveranstaltung zu werden.“