In Deutschland scheinen sich Wölfe wohlzufühlen. Die Zahl der Würfe hat sich 2011 verdoppelt. Bei Tierhaltern bleibt die Angst vor dem Wolf.
Waren/Wittstock. Ob Rehe, Hirsche oder Frischlinge: Nahrung für Wölfe gibt es in Deutschland anscheinend genug. „Hier leben derzeit 100 bis 120 Tiere, das wären annähernd doppelt so viele wie 2010“, sagt Wildbiologe Norman Stier. Das gehe aus aktuellen Erhebungen hervor. Stier arbeitet als Forstzoologe an der TU Dresden, wo er die Wolfspopulation beobachtet, und für den Freundeskreis freilebender Wölfe. Die Raubtiere siedeln sich meist auf intakten oder ehemaligen Truppenübungsplätzen an. Seit Ende 2011 lebten zwei dieser Raubtiere auch in Niedersachsen bei Munster. In Nordbrandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bildeten sich bald wahrscheinlich sogar neue Rudel.
Die meisten Wölfe leben in Ostsachsen und im Süden Brandenburgs. 2011 gab es mit zwölf Würfen doppelt so viel Wolfsnachwuchs wie im Jahr davor. Erstmals hatten Wolfspaare bei Lehnitz und Jüterbog südwestlich von Berlin jeweils vier bis fünf Welpen. Dazu kommen erneut Junge in Altengrabow in Sachsen-Anhalt. „Der Nachwuchs von dort wird frühestens Mitte 2012 abwandern“, vermutet Stier. Für Wolfsweibchen, die nicht so weit wie Männchen wandern, wären die Strecken zu den Rüden jetzt kürzer. „Da könnten Wölfe in der Kyritz-Ruppiner und der Ueckermünder Heide sowie bei Lübtheen bald weibliche Begleitung haben“, erklärt der Wolfsexperte.
+++Wildpark Eekholt macht Platz für den Wolf+++
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Das freut nicht alle – so wie Hans Fehrmann aus Schwarz (Mecklenburgische Seenplatte) und Horst Hildebrandt aus Meyenburg bei Wittstock. „Ich gehe immer mit einem mulmigen Gefühl morgens raus“, sagt Fehrmann. Vor einem Jahr hat der Rentner mehrere Rentiere verloren, als ein Wolf ins Gehege eindrang. Kurz danach wurde im nahe gelegenen Ort Kieve fast eine ganze Herde Schafe gerissen, was dem Raubtier den Ruf eines „Problem-Wolfs“ einbrachte.
„Bei der ganzen Diskussion wird am wenigsten die Bedrohung der landwirtschaftlichen Tierhaltung beachtet“, ärgert sich Landwirt Hildebrandt, der 100 Damhirsche, 50 Mufflons und 20 schottische Fleischrinder hält. „Um die Rinder habe ich keine Angst, aber beim Damwild wird es schon problematisch.“ Die Bauern und die Wildtierhalter sehen die Ansiedlungsbemühungen mit großer Skepsis. „Es ist unklar, wie viel Wolf verträgt dieses Land überhaupt“, meint Hildebrandt.
Demgegenüber hat Wolfsfachmann Stier in der Bevölkerung langsam eine „Normalisierung“ ausgemacht. Je länger die Menschen mit Wölfen in einer Region leben, desto eher tolerierten sie ihn. In der Lausitz gehe das schon zehn Jahre so. „Die Menschen gehen wie eh und je Pilze sammeln in den Wäldern, Kinder spielen an Wäldern“, meint Stier.
Anders als Anfang 2011 – als die Emotionen wegen der vielen Wolfsattacken hochkochten – blieb es 2012 ruhig. Bei eher frühlingshaften Temperaturen fand Isegrim bisher wohl genug anderes Futter. „Sie wurden auch mehrfach gefilmt“, erzählt Stier. Er glaube auch, dass einzelne Maßnahmen zur Wolfsabwehr schon greifen. So hat Rentierhalter Fehrmann, der bei der Attacke damals vier Rentiere und vier Kälber nach der Geburt verlor, ordentlich aufgerüstet. Für mehrere tausend Euro wurde der Zaun mit Elektrodraht versehen und mit einem einen Meter breiten Untergrabungsschutz ausgestattet.
„Wir bleiben aber skeptisch“, sagt Fehrmann. Er ist sich einig mit den Schäfern. „Wir sind nicht unvorbereitet“, sagt Sven Grumbach vom Landesschafzuchtverband Mecklenburg-Vorpommern. Aber man finde wohl in ganz Deutschland keinen Schäfer, der Beifall klatscht, wenn der Wolf sich ohne Regulierung wieder ansiedelt.
Stier selbst hält auch die Schorfheide in Brandenburg und den Müritz-Nationalpark mit den Teilgebieten Serrahn bei Neustrelitz und dem Ostufer der Müritz bei Waren für geeignetes Wolfsterritorium. Auch eine Initiative gegen Wolfsansiedlungen hat sich gegründet und will Mitte Februar in Wittstock ihr Vorgehen beraten.