Kampf um die Schönheit. Die Studentin Diana ist 23, quält sich viermal pro Woche im Fitnessstudio auf dem Stepper und zu Hause mit Sit-ups. "Ich kann die Speckröllchen an Bauch und Hüften nicht mehr sehen. Das Fett muss weg!" Sie hat aber wenig Übergewicht, sollte aus medizinischer Sicht sogar etwas zulegen, um gesünder zu sein und länger zu leben.
Wie Diana leben 87 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer in ständiger Sorge um ihr Gewicht. Die Mehrheit der Deutschen, knapp zwei Drittel, gilt als übergewichtig. Laut Statistischem Bundesamt haben sie einen Body-Mass-Index (BMI) zwischen 25 und 25,9. Bisher galt dies als nachteilig gegenüber Normalgewichtigen - das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Sterblichkeit lägen höher. Ein Irrtum. Neue Langzeitstudien belegen, dass leichtes Übergewicht unproblematisch ist, sogar empfehlenswert. So wurde ausgewertet, dass Menschen mit einem BMI von 27 am wenigsten krank sind - bisher galten sie als zu dick. "Nach den Studiendaten ist ein BMI zwischen 22 und 28 mit der höchsten Lebenserwartung verbunden", erklärt Matthias Lenz vom Forschungsteam der Universität Hamburg.
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Der Gesundheitswissenschaftler hat die wichtigsten Studien genau analysiert und kommt beim Blick auf Mitbürger, die ein paar Pfunde zu viel haben, zum Fazit: "Die Lebenserwartung in dem Gewichtsbereich ist bei gesunden Menschen nicht verringert." Dem Magazin "Psychologie heute" sagte er: "Das Problem scheinen die derzeitigen Normen für Normalgewicht zu sein. Man sollte bei einigen überflüssigen Kilos nicht gleich von Übergewicht, sondern von Wohlleibigkeit sprechen."
Das bedeutet: Ist ein Mann oder eine Frau 1,80 Meter groß und das Körpergewicht liegt zwischen 72 und 90 Kilo, ist das optimal. Leicht Übergewichtige, so eine Studie der Gesundheitsforscherin Heather Orpana, haben ein um 17 Prozent niedrigeres Sterberisiko; ihr BMI liegt zwischen 25 und 29,9. Selbst stark Übergewichtige mit einem BMI bis 35 hatten eine noch genauso hohe Lebenserwartung wie Normalgewichtige. Nur Fettleibige mit einem BMI ab 35 erhöhen ihr Sterberisiko drastisch um 26 Prozent. Viel gefährlicher ist Untergewicht unter einem BMI von 18,5 - diese Menschen erhöhen ihr Risiko, früher zu sterben als der Durchschnitt der Bevölkerung, um 70 Prozent.
Gisela Olias vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam hält den BMI allein nicht mehr für das richtige Kriterium. "Der BMI allein", sagt sie, "berücksichtigt weder die Fettverteilung noch wie viel eine Person an Muskelmasse aufgebaut hat, die ja auch deutlich mehr wiegt." Zusätzlich sollte immer der Taillenumfang gemessen werden, denn er gibt Auskunft über die Fettverteilung im Körper und wo die Depots mit den gesunden (subkutan) und ungesunden (viszeral) Fettanteilen sitzen. Frauen sind von der Natur bevorzugt, bei ihnen wandert das Fett in Taille, Po und Hüfte. Männer deponieren Fett oft im Bauchraum, und das ist viszerales, also schädliches Fett, "womit das Sterberisiko erhöht wird". Die Expertin sagt: "Viszerales Fett umschließt die inneren Organe, ist gut durchblutet und beeinflusst stark den Stoffwechsel. Diese Fettform produziert Botenstoffe, die entzündliche Prozesse im Körper in Gang setzen und die Gefahr für Schlaganfall und Herzinfarkt erhöhen." Das Tückische: Selbst schlanke Männer, nur mit Bäuchlein und dünnen Beinen, können betroffen sein. Vollkornprodukte als Brot, Nudeln oder Reis enthalten zwar mehr Kalorien, sättigen aber etwas besser und senken das Risiko für Diabetes.
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung hat die EPIC-Studie ausgewertet, die mehr als 500 000 Teilnehmer in zehn europäischen Ländern einschloss. "Sie wurden vermessen, nach Essgewohnheiten befragt, regelmäßig untersucht und die Fettverteilung genau verfolgt", sagt Gisela Olias. Jüngst erschienen die Ergebnisse im "New England Journal of Medicine". "Der Zusammenhang zwischen der Ernährung und der Entstehung chronischer Krankheiten ist deutlich. Viele Menschen essen zu fett, sie sollten mehr Ballaststoffe zu sich nehmen." Vollkornprodukte als Brot, Nudeln oder Reis enthalten zwar mehr Kalorien, aber auch mehr sättigende Nährstoffe.
Leichtes Übergewicht ist also weniger ein Problem als die Fettverteilung im Körper. Gisela Olias sagt, es sei "gesünder, das eigene Gewicht in einem vertretbaren Rahmen zu halten, als regelmäßig eine Diät einzulegen". Die Abnehmversuche mit dem unvermeidlich folgenden Jo-Jo-Effekt wären für den Körper schädlich. Lieber ein paar gute Pfunde mehr.