Ein großes Forschungs- projekt will Verkehrslärm vor allem technisch bekämpfen. Aber auch die Politik, die Deutsche Bahn, Auto- und Motorrad- fahrer sind gefordert.

Kreischende Rollgeräusche von Güterzügen, röhrende Flugzeuge auf dem Weg nach oben, nächtliche Lkw-Durchfahrten und Motorradfans, die beim Ausflug aufs Land geräuschvoll Gas geben - sie alle liegen den Bundesbürgern quälend in den Ohren. Verkehrslärm ist für viele Menschen das Umweltproblem Nummer eins. Es ist nur mit einer ehrgeizigen Kombination aus technischen und politischen Maßnahmen in den Griff zu bekommen, betonen Experten.

Etwa 70 Partner aus Industrie, Verbänden und Forschung haben sich im Projekt "Leiser Verkehr" zusammengeschlossen, um den Lärm technisch in den Griff zu bekommen und mögliche gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu untersuchen. Dem Netzwerk stehen über drei bis vier Jahre 15 Millionen Euro des Bundesforschungsministeriums zur Verfügung, mit denen bislang 14 Einzelprojekte gefördert werden.

Etwa ein Viertel der EU-Bürger ist gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt. Dies betont Professor Wolfgang Neise vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das den Forschungsverbund "Leiser Verkehr" gründete. Mehr als die Hälfte der Deutschen fühlt sich durch Verkehrslärm betroffen. Dabei liegt der Straßenverkehr mit 70 Prozent ganz vorn, gefolgt vom Fluglärm (40 Prozent) und dem Bahnverkehr (20 Prozent, Mehrfachnennungen möglich).

"Bislang gibt es kaum wissenschaftliche Studien zu direkten Zusammenhängen zwischen Lärmbelastung und bestimmten Erkrankungen", sagt Christian Popp, Geschäftsführer des Hamburger Beratungsbüros Lärmkontor. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Alltagslärm zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen führen, die Leistungsfähigkeit senken und die Erholung beeinträchtigen kann.

Das Projekt "Leiser Verkehr" will Lärmquellen technisch bekämpfen. Lkw könnten bis zum Jahr 2005 etwa vier Dezibel, abgekürzt dB(A), leiser werden, so Neise, allgemein läge das potenzielle Minus sogar bei zehn dB(A). Dies gelte auch für Personenzüge. Bei Güterzügen rechnet Neise mit einem technischen Minderungspotenzial von 15 dB(A), bei Flugzeugen mit 12 dB(A). Auf der Straße haben "reduzierte Reifen-Fahrbahngeräusche" Priorität, denn die Motoren und Getriebe moderner Pkw sind bereits recht leise. Die Rollgeräusche könnten kurzfristig um drei dB(A) abnehmen, sagt Neise. Ein solches Minus wird als Halbierung der Verkehrsmenge empfunden - diese ist gerade noch wahrnehmbar. Erst bei minus zehn dB(A) halbiert sich der empfundene Lärm.

"Die Reifen-Fahrbahngeräusche sind ohne Tempolimit auf deutschen Autobahnen nicht in den Griff zu bekommen", kontert Christian Popp. "Wegen der in Deutschland zulässigen Geschwindigkeiten müssen Reifen 200 Stundenkilometer und mehr laufen. Das erfordert eine harte Gummimischung. Hinzu kommen, meist aus ästhetischen Gründen, breite Reifen. Beides erzeugt Lärm", erklärt Popp. "Würden Reifen schmaler sein und generell nur für Tempo 130 zugelassen, so würde dies mindestens drei Dezibel bringen." Immerhin gibt es inzwischen lärmarme Leichtlaufreifen; die ersten tragen das Umweltzeichen Blauer Engel (Produkte im Internet unter www.blauer-engel.de, Stichwort "Kraftfahrzeugreifen").

Eine politische Entscheidung habe die Entwicklung bei den Lkw weiter vorangetrieben, betont Popp: "Die österreichische Initiative, nachts nur noch lärmarme Lkw über den Brenner fahren zu lassen, verschaffte den um zehn Dezibel leiseren Fahrzeugen einen Vorteil."

Und die Motorräder? Hier spricht Popp von "akustischem Vandalismus". Allein das Fahrverhalten entscheide darüber, ob ein Motorrad 15 dB(A) leiser oder lauter sei, so Popp. Auch technisch stecken hier noch Potenziale: Der Lärmgrenzwert für Motorräder liegt mit 80 dB(A) auf dem Niveau von Lastwagen; für Pkw gilt ein Limit von 74 dB(A).

Bei Flugzeugen will das Projekt "Leiser Verkehr" vor allem an der Hauptlärmquelle Triebwerke ansetzen. Auch Heultöne, die - ähnlich wie beim überblasenen Flaschenhals - durch konstruktive Details an der Außenhaut entstehen, haben die Lärmforscher im Visier. Und sie untersuchen, inwieweit bestimmte Start- und Landeeinstellungen wie die Leistungsverteilung zwischen den Triebwerken oder An- und Abflugwinkel die Lärmbelastung reduzieren können.

"Leise Züge und Trassen" lautet das Ziel für die Bahnen. Kurzfristig würden Lärmminderungen von drei dB(A) bei den Rollgeräuschen und zehn dB(A) bei Diesellokomotiven angestrebt, so DLR-Experte Neise. Für Lärmfachmann Popp ist bei den Güterzügen noch mehr möglich: "Allein durch gute Wartung der Schienen und Züge sowie durch den Ersatz der mittelalterlichen Graugussklotzbremsen etwa durch moderne Scheibenbremsen würde sich die Lärmemission um zehn bis zwölf Dezibel senken lassen."

Doch Popp warnt davor, nur auf die Schallpegel zu schielen: "Lärm besteht nur zu 30 bis 35 Prozent aus dem messbaren Pegel und zu 65 bis 70 Prozent aus psychologischen Faktoren."

Das Gefühl, der Lärmbelastung hilflos ausgeliefert zu sein, spiele eine große Rolle, betont Popp - und erzählt von einem Projekt bei Magdeburg: "Dort gab es nach dem Bau einer Lärmschutzwand eine Umfrage unter den Anwohnern. Obwohl die Wand physikalisch nur im Nahbereich wirkte, ,fühlten' auch die Menschen in der etwas weiter entfernten Umgebung eine Lärmentlastung."