Hamburg. Hamburgs jüngster Sterne-Top-Gastronom beeindruckt vor der Eröffnung seiner neuen Sushi-Bar im Fischrestaurant Se7en Oceans Kollegen.
Wie kleine Schwestern eines Lachsfilets sehen sie aus, die beiden Fjordforellen-Stücke. Ein bisschen Teriyaki-Marinade schimmert mit dem glänzenden Fischfleisch um die Wette. Frédéric Morel setzt den Flambierbrenner an, streicht damit einmal über die Filets und fängt dann mit der Feinarbeit an: Er setzt erbsengroße Tupfen Süßkartoffel-Miso-Püree darauf, platziert dazwischen ein Plätzchen süß-sauer eingelegte Süßkartoffel und streut ein paar schwarze Sesamkörner darüber. Dann kommen ein Würfelchen eingelegte Aloe Vera und Blättchen Pak Choy (Senfkohl) dazu. Gekrönt wird alles mit Black Sesam Sponge, eine gebackene Sesammasse, die aussieht wie ein Stückchen fluffiger Schwamm.
Der 28-Jährige, Hamburgs jüngster Sternekoch, hat am Tag vor der Eröffnung seiner neuen Sushi-Bar im Fischrestaurant Se7en Oceans am Ballindamm Kollegen eingeladen. Das Motto: „Chefs Unplugged“. Die Idee: lockeres, entspanntes Netzwerken abseits vom Herd. 16 Top-Gastronomen haben sich eingefunden, viele sind Küchenchef und Inhaber zugleich, etwa Lenz Leslie Himmelsheber vom Restaurant Lenz, Sternekoch Kirill Kinfelt vom Trüffelschwein, Thomas Macyszyn vom Boathouse, Marcel Görke vom Heimatjuwel, Fabio Haebel von der Tarterie, Philipp Johann vom Philipps.
Für kulinarischen Gesprächsstoff sollen die innovativen Kostproben des Gastgebers sorgen – mit gezüchteter Fjordforelle und ungewöhnlichen Schalentieren wie Königskrabbe und Jakobsmuschel. In der bretonischen Hafenstadt Brest an der keltischen See aufgewachsen, ist Frédéric Morel nicht nur sehr versiert in der Zubereitung von Fisch. 2015 wurde er von der norwegischen Regierung zum „Botschafter der Fjordforelle“ ernannt.
Alle Kollegen kennen diesen großen Zuchtfisch, verwenden ihn auch in ihren Restaurants. Doch bei der Zubereitung ist Morel ihnen voraus – das zeigt sich im Verlauf des Nachmittags. Weil er meist hinter dem Tresen steht und daher nicht viel über den Fisch erzählen kann, hat Morel Steven Dickhaut von der Fischmanufaktur Deutsche See eingeladen. Fischmanufaktur? Tatsächlich wird dort jeden Tag Fisch filetiert, portioniert und mariniert, um Lebensmittelhändler, Restaurants – auch etliche der hier vertretenen – in ganz Deutschland mit frischem Fisch zu beliefern.
200 Gäste pro Abend an 365 Tagen
Ein Prachtexemplar von einer norwegischen Fjordforelle hat Steven Dickhaut mitgebracht. Es ruht auf einem Podest neben einer kapitalen Königskrabbe, die 150 Seemeilen vor Norwegen gefangen wurde, und einigen handgetauchten Jakobsmuscheln. Handgetaucht? „Ja. Das ist viel schonender für die Umwelt als Netzfang“, sagt Dickhaut.
Die Fjordforellenfilets werden serviert. „Clouds“-Küchenchef Eric Kröber und sein Kollege Dennis Muhl haben schon die Zubereitung bestaunt. „So können wir bei uns leider nicht arbeiten. Bei 200 Gästen pro Abend an 365 Tagen im Jahr ist das zeitlich nicht drin“, war ihr Fazit angesichts der zeitaufwendigen Zubereitung. Doch sie haben sich Anregungen geholt. „Wir stehlen aber nur mit den Augen“, sagt Kröber. „Es geht nur darum, wie wir bestimmte Geschmacksverbindungen in unsere Küche integrieren können. Kopieren ist gegen die Kochehre.“
Jetzt probieren sie, was ihr bretonischer Kollege da gezaubert hat. Registrieren, wie sich der Geschmack der Forelle mit dem von Süßkartoffel, Miso, Aloe Vera, Pak Choy und Sesam verbindet. „Das ist schon sehr kreativ“, finden Christopher Weigel und Marian Hansen vom Nordlicht in Harburg. „Ein beeindruckendes Gesamtergebnis“, sagen auch Kröber und Muhl. Die umstehenden Köche nicken zustimmend.
Neue Generation von Köchen
Die Zeit vor dem nächsten Gang – es ist schon der fünfte, zu Anfang gab es Sashimi-Variationen, Fjordforelle mit Dill und Senfvogelbeere sowie norwegische Königskrabbe mit Kürbis und Tandoori – wird wieder für Gespräche genutzt. Themen gibt es genug. Alle Anwesenden vertreten eine neue Generation von Köchen: jung und kreativ. Etliche haben sich vor Kurzem selbstständig gemacht und tauschen sich über die Probleme, die damit einhergehen, aus – über die Strukturen, die man in einem neuen Laden erst einmal aufbauen muss, über das Personal, über das Angebot an Speisen und Getränken.
Konkurrenzgedanken gibt es offenbar nicht: Jeder, der kann, gibt Erfahrungen und Ratschläge preis. „Wir haben keine Ellbogenmentalität“, sagt Kirill Kinfelt. Im Gegenteil: Konkurrenz belebe das Geschäft. „Es gibt zehn Sterneläden in Hamburg und viele Top-Gastronomen, die knapp unter Sterneniveau liegen. Das löst eine kulinarische Touristik aus, von der wir schließlich alle profitieren.“
Bevor er sich an die Zubereitung der norwegischen Jakobsmuscheln (mit Buchweizen und Nussbutter) macht, hat auch Frédéric Morel ein bisschen Zeit, mit den Kollegen zu plaudern. Als er davon erzählt, dass er am Lycée Hôtelier de Dinard sein Fachabitur gemacht hat, sagt Philipp Johann: „In Dinard habe ich ein Praktikum gemacht.“ Gemeinsam erinnern sie sich an die „Stadt voller alter Leute und Nobelvillen“, wie Morel den bretonischen Ort nennt. Dann geht er wieder hinter den Tresen: Heute geht es dort noch um die Fjordforelle. Künftig wird er dort Sushi und asiatisches Streetfood servieren.