Er kommt aus dem Nichts und entsteht oft nach einer Durchblutungsstörung. Bei einem Schlaganfall kann jede Minute lebensrettend sein.
Hamburg. Das Wichtigste, was ihm im Zusammenhang mit Schlaganfall einfällt? "112", antwortet Prof. Dr. Christian Gerloff, 47, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Eppendorf. "Wer rechtzeitig den Notruf der Feuerwehr wählt, hat sehr gute Chancen, heil davonzukommen." Ungefähr jeder zehnte Deutsche stirbt laut Statistik an einem plötzlichen Schlaganfall. Ein Schlaganfall ist die Folge einer Durchblutungsstörung oder einer Einblutung im Gehirn.
Da im Fall der Fälle schnelle Hilfe entscheidend ist, sollte man die Alarmsignale und typischen Vorzeichen kennen: Plötzlich einsetzende Schwäche, Lähmungen oder Taubheit auf einer Körperseite, insbesondere eines Armes, Beines oder des Gesichts. Sprachschwierigkeiten oder auch Probleme, Gesagtes zu verstehen. Sehstörungen mit Doppelbildern oder Unschärfe, halbseitiger Ausfall eines Gesichtsfeldes. In selteneren Fällen äußert sich ein Schlaganfall durch plötzlich einsetzenden Schwindel mit Gangunsicherheit, Verlust von Gleichgewicht oder Koordination. In Extremfällen kann es auch zu plötzlicher Bewusstseinstrübung bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Der typische Schlaganfall komme "auf leisen Sohlen" und völlig unerwartet.
Manchmal treten die Symptome nur für wenige Minuten oder Stunden auf und verschwinden dann wieder. "Auch dann ist es unbedingt wichtig, sich sofort im Krankenhaus untersuchen zu lassen", sagt Prof. Dr. Joachim Röther, 50, Chefarzt der Neurologie an der Asklepios-Klinik Altona. "Jeder siebte Patient mit diesen Vorboten erleidet in den folgenden drei Monaten einen weitaus schwereren Schlaganfall!" Durch rasche Diagnostik und optimale Behandlung kann dieses Risiko um 80 Prozent gesenkt werden.
Jährlich erleiden fast 250 000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Das Schlaganfall-Risiko steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich an, doch auch jüngere Menschen und sogar Kinder können einen Schlaganfall erleiden: Etwa zehn Prozent der Schlaganfall-Patienten sind unter 40. Besonders gefährdet sind Menschen mit Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes, Raucher sowie Patienten mit Fettstoffwechsel- und Herzrhythmusstörungen. Auch Personen, in deren Familie bereits ein Schlaganfall aufgetreten ist, haben eine erhöhte Schlaganfall-Neigung.
In 85 Prozent der Fälle handelt es sich beim Schlaganfall um eine sogenannte Ischämie, bei der die Blutzufuhr zum Hirn unterbrochen wird: Die besonders empfindlichen Nervenzellen im Gehirn werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und drohen abzusterben. Eine Ischämie kann - je nach Alter und Vorerkrankung des Patienten - verschiedene Ursachen haben. Bei einer Arteriosklerose, also Gefäßverkalkung, an den hirnversorgenden Halsgefäßen oder an den Hirngefäßen wird die Arterie durch Ablagerungen nach und nach verengt.
"Menschen mit einem erhöhten Arteriosklerose-Risiko sollten ihre Halsarterien einmal jährlich von einem Spezialisten mit Ultraschall prüfen lassen", rät Prof. Dr. Christian Arning, 59, Chefarzt der Neurologie der Asklepios-Klinik Wandsbek. Zunächst können gesunde Gefäße die betroffenen Bereiche mitversorgen, doch auf Dauer steigt die Gefahr einer Unterversorgung. Vor allem aber steigt das Risiko, dass sich ein Blutpfropfen, ein sogenannter Thrombus, an einer solchen Verengung bildet und das Gefäß vollständig verschließt. Löst sich ein Thrombus von einer Gefäßverkalkung z. B. an der Halsschlagader plötzlich ab, so wird er als Embolus mit dem Blut ins Gehirn gespült und bleibt in einer Gefäß-Verästelung stecken.
Sehr oft bilden sich Blutgerinnsel auch im Herzen. Meistens handelt es sich dann um Vorhofflimmern, d. h. der Vorhof schlägt viel zu schnell, sodass das Blut nicht richtig vorwärts getrieben wird und sich Gerinnsel (Thromben) bilden. Das Herz schlägt unregelmäßig, der Puls wird unruhig. Nur jeder zweite Patient bemerkt das, sodass es sich um eine besonders tückische Schlaganfallursache handelt. Etwa 30 Prozent aller Schlaganfälle werden durch Vorhofflimmern ausgelöst - Rhythmusstörungen des Herzen sollten daher vom Hausarzt durch regelmäßige EKG aufgespürt werden.
Kleine Blutgerinnsel können sich manchmal auch von alleine wieder auflösen. Sitzt der Thrombus allerdings erst einmal fest und behindert den weiteren Blutfluss, hat das fatale Folgen, die der Betroffene in Form eines Hirninfarkts, eines Schlaganfalls, spürt. Werden dann nicht sofort passende Gegenmaßnahmen eingeleitet, bleiben die betroffenen Hirnareale für immer gestört und können ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Bleibende Beeinträchtigungen aller Hirnfunktionen, wie in der Motorik oder in der Sprache, können die Folge sein.
Vor einer Behandlung des akuten Schlaganfalls muss zunächst die Art des Schlaganfalls geklärt werden. Versierte Ärzte in einem der zertifizierten Fachzentren, den sogenannten Stroke Units, können per Ultraschall sofort den Zustand der hirnversorgenden Blutgefäße klären und gleich reagieren.
"Je schneller wir mit der Therapie beginnen, desto größer die Heilungschancen", sagt Prof. Dr. Röther. Bei einer Ischämie wird sofort eine Blutverdünnung eingeleitet, um Gerinnsel aufzulösen. Nur diejenigen Patienten, die innerhalb der ersten drei bis vier Stunden in einer Klinik mit einer Stroke Unit eingeliefert werden, haben eine reelle Chance, dass das Gefäß wieder geöffnet werden kann.