Die Asklepios-Klinik vergrößert ihre Stroke Unit wegen des großen Bedarfs. Jährlich sind 9000 Hamburger von der Erkrankung betroffen.
Hamburg. Mitten in der Nacht geht Gert Walter* ins Bad. Seine Frau wird wach, und schnell wird ihr klar, dass etwas nicht stimmt: Der rüstige 86-Jährige hat Schwierigkeiten mit dem Sprechen. Die Ehefrau wählt den Notruf 112 - Verdacht auf Schlaganfall. Die Helfer bringen den Patienten in die Asklepios-Klinik Altona, weil es dort eine Spezialstation für Schlaganfallpatienten gibt. Auch in Deutschland ist inzwischen dafür der englische Begriff "Stroke Unit" üblich. Weil der Bedarf so groß ist, wurde die Station erweitert und soll am kommenden Mittwoch offiziell eingeweiht werden.
"Wir haben nun zwölf Betten für Patienten mit akut aufgetretenen Schlaganfällen, und noch einmal zehn für die Nachsorge von Patienten, die eine intensive Nachbetreuung brauchen", sagt der Leiter der Station, Oberarzt Peter Michels. Auch Patienten mit Hirnblutungen, Halsschlagader-Operationen oder Gehirnentzündungen können dort betreut werden. Die Station 16A wurde renoviert und mit neuer Technik ausgestattet: Die Ärzte machen Visite mit einem Laptop, die Datenübermittlung der Ergebnisse und medizinischen Bilder läuft über WLAN. Etwa 2,5 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. "Die acht Betten, die wir zuvor hatten, haben einfach nicht ausgereicht - immer wieder mussten wir Rettungskräften und anderen Kliniken sagen, dass wir vorübergehend keine Kapazitäten mehr haben", erklärt Prof. Joachim Röther, Chefarzt der Neurologischen Abteilung, das Aufstocken der Station.
Gert Walter wird noch in der Nacht in die Notaufnahme gebracht, die Mediziner fertigen per Computertomografie (CT) Aufnahmen des Gehirns an. "Damit können wir sehen, ob eine Durchblutungsstörung oder Blutung im Gehirn vorliegt, und ob das Gewebe bereits geschädigt ist", erklärt Michels. Auf den Bildern ist zu sehen, dass ein kleiner Teil des Gehirns des Patienten nicht richtig durchblutet ist: Ein Gerinnsel verstopft ein Gefäß. Die Ärzte beratschlagen, ob eine sogenannte Thrombolyse für Gert Walter infrage kommt. "Diese muss innerhalb von 4,5 Stunden nach dem Schlaganfall beginnen, denn sonst ist die Gefahr von Einblutungen in das Gehirn zu groß und die Wirksamkeit sinkt", sagt Röther.
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Geeignete Patienten erhalten noch auf dem CT-Tisch eine Infusion mit einem Mittel, dass das Blut verdünnt, in der Hoffnung, dass sich das Gerinnsel auflöst und den Weg für frisches Blut und Sauerstoff wieder frei macht. Da Herr Walter jedoch ohnehin ein Blutverdünnungsmittel einnimmt, darf er diese Behandlung nicht erhalten. Bereits vor sieben Jahren hatte der 86-Jährige einen Schlaganfall, und er leidet an Herzrhythmusstörungen. Röther: "Durch diese Unregelmäßigkeit des Herzschlags können sich Gerinnsel im Herzen bilden, die dann über die Halsschlagader in das Gehirn gelangen."
In Hamburg gibt es laut dem Neurologen insgesamt neun Stroke Units. Vier dieser Spezialzentren dürfen sich als "überregional" bezeichnen. Dazu gehören das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, sowie die Asklepios-Kliniken Barmbek, Klinik Nord und Altona. "Überregional bedeutet, dass wir beispielsweise eine Neurochirurgie und eine Neuroradiologie haben, wo besonders schwere oder komplizierte Fälle behandelt werden", sagt Röther.
Entsprechende Patienten würden erst einmal in die nächst gelegene Klinik mit einer Stroke Unit gebracht, und dort in der Notaufnahme versorgt. Je früher eine Behandlung erfolgt, desto größer ist die Chance, nur wenige oder keine Symptome zurückzubehalten. Zeichne sich ab, dass die Patienten operiert werden müssen, oder eine Behandlung von den Neuroradiologen benötigen, dann könnten sie in eines der "überregionalen" Zentren verlegt werden. "Eine Operation durch Neurochirurgen kommt beispielsweise infrage, wenn Hirngewebe durch den Schlaganfall anschwillt und gesundes Gewebe verdrängt", sagt Röther. Bei Blutgerinnseln einer bestimmten Größe könnten die Neuroradiologen diese Thromben mithilfe eines Katheters entfernen.
Bei Gert Walter sind all diese Eingriffe nicht notwendig. Noch etwas erschöpft liegt er im Bett, kann aber ausdrücken, dass er sich bereits besser als in der Nacht zuvor fühlt. "Bei Patienten mit Sprachstörungen ist es wichtig, darauf zu achten, ob sie auch Schluckbeschwerden haben - denn dann könnten Speisereste in die Luftröhre und dann in die Lunge gelangen", sagt Röther, der zweite Vorsitzende der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft ist. Eine Lungenentzündung könne die Folge sein und zu schweren Komplikationen bis hin zum Tod führen. Diese Patienten müssten gegebenenfalls eine Magensonde erhalten. Doch auch dies ist bei Gert Walter nicht der Fall. Er wird Sprachtraining und Krankengymnastik erhalten, sowie weitere blutverdünnende Mittel. Zur Beobachtung soll er noch einige Tage auf der Station bleiben.
* Name auf Wunsch des Patienten geändert