Mit dem Leiter der Sektion Endokrinologie, Diabetologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Gespräch.

Es gibt einige familiäre Fettstoffwechselstörungen, bei denen die auslösenden Gene bekannt sind. Eine davon ruft Störungen des LDL-Rezeptors an den Zellen hervor. Dadurch kommt es zu hohen LDL-Cholesterinwerten im Blut und einem stark erhöhten Risiko für Herzinfarkte. Prof. Frank-Ulrich Beil, 63, erklärt die Auswirkungen für die Patienten, die diese Krankheiten geerbt haben.

HA: Wie häufig ist die familiäre Fettstoffwechselstörung, bei der die LDL-Rezeptoren nicht richtig arbeiten?

Prof. Frank-Ulrich Beil: Das kommt darauf an, ob Sie die Erkrankung von beiden Eltern oder nur vom Vater oder der Mutter geerbt haben. Sind sie heterozygoter Träger eines Rezeptordefektes, dass heißt sie haben eine kranke Erbanlage und noch eine gesunde Erbanlage zum Ausgleich, so liegt die Häufigkeit bei 1:300-500 in der Bevölkerung. Homozygote Patienten, die den Defekt von beiden Eltern vererbt bekommen haben, sind sehr selten. Man geht von einem unter einer Million Menschen aus.

HA: Wie äußert sich diese Erbkrankheit?

Prof. Frank-Ulrich Beil: Heterozygote Träger der Erbanlage haben einen LDL-Cholesterinwert zwischen 200 bis 500 mg/dl. Durch eine frühzeitige Behandlung mit Cholesterinsenkern kann man das Risiko für einen Herzinfarkt deutlich vermindern. Einen idealen LDL cholesterinwert von unter 1000 mg/dl kann man aber nicht immer erreichen, dann bleibt ein Restrisiko.Aber homozygote Patienten haben Cholesterinwerte Werte von 800 bis 100 mg/dl, und das von Kindesbeinen an. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass Kinder schon mit zehn Jahren einen Herzinfarkt bekommen. Zuvor fallen sie vor allem durch gelbliche Fettablagerungen an den Sehnen und Gelenken auf, so genannte Xanthome.

HA: Was kann bei dieser extrem seltenen Krankheit tun?

Prof. Frank-Ulrich Beil: Bei der Behandlung reichen die gängigen Medikamente bei Weitem nicht aus. Die Patienten müssen sich wöchentlich für mehrere Stunden einer so genannten Apherese unterziehen. Das muss man sich wie eine Art Dialyse bei Nierenkranken vorstellen. Das schädliche LDL-Cholesterin wird aus dem Blut ausgewaschen, da gibt es verschiedene technische Möglichkeiten.

HA: Wie gut sind die Aussichten für die Patienten?

Prof. Frank-Ulrich Beil: Das hängt auch von der konsequenten Behandlung der Folgeerkrankungen ab. Ich erinnere mich an einen Jungen, der an vielen Körperstellen Xanthome hatte. Durch die regelmäßige Apherese bildeten sich diese mit den Monaten und Jahren zurück. Allerdings hatten die jahrelang zu hohen Fettwerte seine Aortenklappe beschädigt, und letztlich ist er leider an den Komplikationen dieses Herzfehlers gestorben. Ein anderer Patient, um die 25 Jahre alt, stammte aus Afghanistan. Auch ihm konnten wir gut helfen mit der Apherese, auch bei ihm verschwanden die Xanthome langsam. Er durfte aber nicht länger in Deutschland bleiben, und musste das Land verlassen. Wir wissen leider nicht, was aus ihm geworden ist.

HA: Sind neue Behandlungsformen in Sicht?

Prof. Frank-Ulrich Beil: Es gibt verschiedene Ansätze. Man hat es mit Gentherapien versucht, möchte also die defekten Gene durch gesunde austauschen. Von einem Durchbruch ist man aber noch weit entfernt. Ein Gedanke ist auch, Teillebertransplantationen durchzuführen. Dabei würde ein Verwandter einen Teil seiner Leber für den Patienten spenden. Es konnte bereits bei Kindern gezeigt werden, dass dieser neue Teil der Leber dann mit funktionierenden LDL-Rezeptoren das LDL-Cholesterin aus dem Blut entfernen kann. Bei der Transplantation gibt es aber die Probleme durch lebenslange Unterdrückung des Immmunsystems und Abstoßen der gespendeten Leber. Deswegen werden diese Verfahren wenig angewendet.

HA: Gibt es auch neue Medikamente, die helfen könnten?

Prof. Frank-Ulrich Beil: Ja, auch da gibt es verschiedene Wirkstoffe, die erprobt werden und in Studien bescheidene Erfolge erzielt haben. Die gut bekannten Statinen senken Cholesterin mit Hilfe der gesunden LDL-Rezeptoren. Aber genau diese funktionieren ja nicht bei den homozygotenPatienten. Also hat man sich überlegt, die Produktion der Lipide in der Leber zu stoppen. Eines der Medikamente ist ein so genanntes Antisense-Molekül, und ist nun in den letzten klinischen Studien. Es kann den LDL-Cholesterinwert im Blut auch bei den schwersten Formen der Hypercholesterinämie (homozygote Patienten) um 25 Prozent senken.