Die Krankenkassen haben alle zur Verfügung stehenden Impfstoffe freigegeben. Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Grippe-Impfung.
Wochenlang mussten Hamburger Ärzte ihre Patienten vertrösten, weil der Pharmakonzern Novartis in Hamburg und Schleswig-Holstein keine ausreichenden Mengen seines Grippe-Impfstoffs "Begripal ohne Kanüle" liefern konnte. Die Krankenkassen hatten mit Novartis einen Exklusivvertrag abgeschlossen. Da es auch bei der Lieferung von Ersatzimpfstoffen zu Engpässen kam, haben die Kassen jetzt alle auf dem Markt verfügbaren Impfstoffe freigegeben, bis "Begripal ohne Kanüle" geliefert werden kann, was aber noch bis Mitte November dauern kann. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Grippe-Impfung:
Wer sollte sich gegen Grippe impfen lassen?
Laut den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Berliner Robert-Koch-Institut wird eine jährliche Impfung für alle Menschen empfohlen, die älter sind als 60 Jahre. Darüber hinaus sollten sich Schwangere impfen lassen sowie Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die unter chronischen Erkrankungen leiden, wie zum Beispiel Asthma, Diabetes, chronischen Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten. Die Impfempfehlung gilt auch für Personen, die ein erhöhtes Risiko haben, sich anzustecken. Dazu zählen zum Beispiel medizinisches Personal und Menschen, die in Einrichtungen arbeiten, in denen sie mit vielen anderen Personen in Kontakt kommen.
Was ist der Unterschied zwischen der Grippe und einem grippalen Infekt?
Ein grippaler Infekt kann durch eine Vielzahl vom Erkältungsviren verursacht werden, geht meist mit Husten und Schnupfen einher und klingt in der Regel innerhalb einer Woche von alleine ab. Eine echte Grippe (Influenza) hingegen ist mit starkem Krankheitsgefühl, hohem Fieber bis 40 Grad Celsius, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen und Husten verbunden und dauert sieben bis 14 Tage. Ein Schwächegefühl kann aber noch wochenlang anhalten. Eine Impfung gibt es nur gegen die Influenza.
Warum sind einige der Ersatzimpfstoffe umstritten?
Die umstrittenen Impfstoffe Optaflu und Fluad hatte der Hersteller Novartis als Ersatz angeboten. Bei Fluad (für Menschen ab 65 Jahren vorgesehen) wird laut dem Informationsdienst "Arznei-Telegramm" über häufigere Nebenwirkungen wie Schmerz, Rötung und Schwellung an der Einstichstelle berichtet. Das für Menschen mit Hühnerei-Allergie gedachte Optaflu (zugelassen ab 18 Jahren) wird nach Angaben des Informationsdienstes nicht wie andere Impfstoffe in Hühnereiern gezüchtet, sondern in speziell präparierten Tumorzellen von Hunden. In den Zellen könnten noch Genbruchstücke enthalten sein, die womöglich noch Krebsinformationen enthielten, sagt Chefredakteur Wolfgang Becker-Brüser. "Man weiß nicht, ob diese Bruchstücke bedenklich sind." In den USA sei Optaflu bisher nicht zugelassen, weil Berater der Gesundheitsbehörde FDA Bedenken geäußert hätten.
Auch Mediziner äußern sich kritisch. "Optaflu ist ein Impfstoff, den wir uns nicht verabreichen würden", sagt Dr. Henning Harder, 2. Vorsitzender des Hausärzteverbands Hamburg. Nach Meinung des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen, das für die Zulassung der Impfstoffe zuständig ist, geht von Optaflu keine Gefahr aus. Ein anderer Impfstoff von Novartis, der mit Zellen derselben Zellbank genauso hergestellt worden sei wie Optaflu, sei während der Influenzapandemie 2009/2010 "weltweit hunderttausendfach" angewendet worden, ohne dass über eine durch den Impfstoff verursachte Tumorentstehung berichtet wurde. Becker-Brüser kritisiert hingegen, dass nach dieser Epidemie nur 4000 Menschen in einer Studie untersucht worden seien. Auch Henning Harder vom Hausärzteverband Hamburg sagt: "Es wurden zu wenige Menschen über einen zu kurzen Zeitraum beobachtet. Man müsste fünf bis zehn Jahre Erfahrung mit Optaflu haben, um den Impfstoff guten Gewissens einsetzen zu können." In Hamburg sei es aber auch nicht nötig, Optaflu einzusetzen, weil es nun genügend Alternativen gebe. Von der Diskussion über Optaflu sollten sich Patienten nicht verunsichern lassen, sagt Harder: "Sich nun gar nicht mehr impfen zu lassen, wäre die falsche Reaktion."
Werden alle Impfstoffe von den Krankenkassen bezahlt?
Die Krankenkassen haben mitgeteilt, dass alle zugelassenen Grippe-Impfstoffe verimpft und durch die Lieferapotheken mit den Krankenkassen abgerechnet werden können. Sobald "Begripal ohne Kanüle" lieferbar ist, bestehe allerdings die Verpflichtung, die weiteren Impfungen mit diesem Impfstoff durchzuführen.
Wann sollte man sich gegen Grippe impfen lassen?
Die Ständige Impfkommission rät, sich in den Monaten Oktober oder November impfen zu lassen, damit sich ein ausreichender Impfschutz aufbauen kann. Die eigentliche Grippewelle beginnt in Deutschland in der Regel erst Anfang Januar und dauert bis Ende März. Der Impfschutz hält sechs bis zwölf Monate an, sodass innerhalb einer Grippesaison keine weitere Auffrischimpfung nötig ist.