Einige Ärzte und Apotheker befürchten dennoch Engpässe
Hamburg. Angesichts des Versorgungsengpasses mit Grippe-Impfstoff der Firma Novartis haben die Krankenkassen die Reißleine gezogen und sämtliche auf dem Markt verfügbaren, zugelassenen Impfstoffe freigegeben. Das teilte die AOK gestern mit. Die Entscheidung befreit die Ärzte in Hamburg und Schleswig-Holstein von der Verpflichtung, nur die von Novartis produzierten und teilweise umstrittenen Impfstoffe Optaflu, Fluad und Begripal mit Kanüle verwenden zu dürfen. Schon diese hatte Novartis als Ersatz für den eigentlich angeforderten Rabattimpfstoff Begripal ohne Kanüle angeboten. Für ihn hatte das Unternehmen bereits Anfang des Jahres den Zuschlag bei einer Impfstoff-Ausschreibung bekommen, bis heute ist er nicht auf dem Markt, auch bei den Ersatzimpfstoffen gab es Lieferschwierigkeiten.
"Nachdem wir festgestellt haben, dass die Versorgung mit Impfstoff nicht sichergestellt ist, war die Freigabe das Beste, was wir tun konnten", sagt Kathrin Herbst, Leiterin des Verbands der Ersatzkassen (vdek) in Hamburg. Doch für die Kassen wird dieser Schritt teuer: Sie müssen nun auch die Kosten für hochpreisige Impfstoffe übernehmen. Christoph Salomon, Allgemeinmediziner aus Altona, begrüßt die Entscheidung. "Wir mussten schon impfwillige Patienten vertrösten", sagt er. Normalerweise rät er dazu, sich möglichst ab Anfang Oktober impfen zu lassen. "Grippe sollte nicht unterschätzt werden", sagt er. "Man ist nicht nur sehr krank, sondern fällt in Job und Familie aus und kann auch Mitmenschen anstecken." Jetzt hofft Salomon, die Impfungen seiner Patienten schnell nachholen zu können. Das aber könnte schwierig werden. "Bei der Versorgung mit Grippe-Impfstoff wird es weiterhin Probleme geben", warnt Thomas Friedrich, Geschäftsführer der Apothekerverbände Hamburgs und Schleswig-Holsteins. "Die Freigabe kommt sehr spät, es ist kaum mehr etwas auf dem Markt." Den größten Teil der verfügbaren Chargen hätten die Bayern geordert.
Die Freigabe anderer Impfstoffe wurde im Freistaat bereits am Montag beschlossen. Zwei Millionen Impfdosen werden dort benötigt, Hamburg und Schleswig-Holstein brauchen zusammen rund 750 000. Die aufzutreiben, so Friedrich, dürfte zu einer Herausforderung werden. Martin Ehlers, Mediziner aus Winterhude, teilt die Sorge vor einer verspäteten Impfstoff-Lieferung nicht. "In unserer Praxis impfen wir erst ab Mitte November", sagt der Internist. Grippewellen träten in Hamburg meist in Januar und März auf. Da die Wirksamkeit des Impfstoffs in den ersten drei Monaten am höchsten sei, biete eine späte Impfung besseren Schutz als eine frühe.