Nachdem die US-Regierung vor der Veröffentlichung von Daten über einen neuen Vogelgrippe-Virus gewarnt hatte, befürchten Forscher nun Einschränkungen.

Berlin/London. Die beispiellose Intervention der US-Regierung in Forschungen zu einem möglichen Killervirus löst in weiten Kreisen der Wissenschaft Kritik aus. Die von US-Behörden beabsichtigte Zensur von Forschungsergebnissen über das Vogelgrippe-Virus bezeichnete der Deutsche Hochschulverband am Donnerstag als zweifelhaft. „Nationale Interessen können grundsätzlich nicht als Rechtfertigung herangezogen werden, um in die Forschungsfreiheit einzugreifen“, heißt es in einer Reuters übermittelten Stellungnahme des Verbandes. Zuvor hatten Forscher außerhalb Deutschlands Stellung gegen die Warnung der US-Regierung vor bioterroristischen Angriffen bezogen.

Auslöser der Debatte ist die Bitte eines Gremiums der US-Behörde für Biosicherheit (NSABB) an die Wissenschaftsmagazine „Science“ und „Nature“, die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler Ron Fouchier und Yoshihiro Kawaoka über das Vogelgrippe-Virus nicht zu veröffentlichen. Beiden Experten ist es gelungen, eine Variante des für Vögel hochinfektiösen H5N1-Virus zu züchten, die auch für Frettchen hochansteckend ist. Frettchen aber reagieren ähnlich wie Menschen auf Grippe. Deswegen gehen die Forscher davon aus, dass das neue Virus auch für Menschen gefährlich ist.

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Die Vogelgrippe hat seit Ende der 90er Jahre unzählige Vögel dahingerafft. Sie gilt als schlimmste Erkrankungswelle unter Tieren, die jemals bekanntwurde. Die durch Zugvögel eingeschleppte Seuche tötete nicht nur heimische Wildvögel, sondern befiel auch riesige Bestände von Mastgeflügel. Obwohl die Vogelgrippe nur schwer auf Menschen übertragen wird, steckten sich rund 600 Menschen an. Die Hälfte davon überlebte nicht.

Die US-Behörden befürchten nun, der Bauplan für ein Virus, das von Mensch zu Mensch übertragen wird und so hochansteckend wie das Vogelgrippe-Virus ist, könnte in „Science“ und „Nature„ veröffentlicht werden. Damit könnten sich Terroristen eine Massenvernichtungswaffe beschaffen, so die Lesart der US-Behörde, die nach Anschlägen mit dem Milzbrand-Erreger in den USA 2001 ins Leben gerufen wurde. Erstmals hat sie sich in dieser Form in Forschungsarbeiten eingeschaltet.

Experten stellen jedoch in Abrede, dass mit einer Zensur der Magazine eine mögliche terroristische Gefahr abgewendet werden kann. „Ich bin nicht überzeugt, dass das Zurückhalten von wissenschaftlichem Know-how dieses unwahrscheinliche Szenario oder den Missbrauch von Wissen verhindern wird“, sagte die Vogelvirus-Expertin am Londoner Imperial College, Wendy Barclay. Dagegen könnte die Forschung über Heilmethoden einen Rückschlag erleiden.

An dem mutierten Vogelgrippe-Virus sollte erforscht werden, wie Menschen geschützt werden können. Deswegen wurden die Laboratorien von Fouchier und Kawaoka auch von der US-Gesundheitsbehörde gefördert. Der Chefredakteur von „Nature“, Philip Campbell, erklärte denn auch: „Es ist entscheidend für die öffentliche Gesundheit, dass alle Details von jeder wissenschaftlichen Untersuchung des Vogelgrippe-Virus für alle Forscher zugänglich sind.“ Ähnlich argumentierte sein Kollege von „Science“, Bruce Alberts. Beide wollen aber auch den NSABB-Wünschen entsprechen und die Forschungsergebnisse nicht ungefiltert veröffentlichen.

„Grundsätzlich muss jeder Wissenschaftler selbst entscheiden und verantworten, welche Forschung er betreibt“, erklärte dagegen der Deutsche Hochschulverband. Das Robert-Koch-Institut, das den Kampf gegen die Vogelgrippe geleitet hatte, lehnte eine Stellungnahme zum Vorgehen der US-Behörden ab. Vom Bundesinnenministerium gab es zunächst keine Antworten auf entsprechende Anfragen. Das Bundeskriminalamt verwies auf die Bundesregierung als Ansprechpartner.

Auch das Rotterdamer Erasmus-Institut, in dem die Vogelgrippe-Viren entwickelt wurden, will sich dem Druck aus den USA beugen. „Wir haben beschlossen, dass wir nicht die ganze Geschichte veröffentlichen werden“, bekräftigte Institutsleiter Albert Osterhaus im RBB-Inforadio. Schon früher hatte er erklärt, dies werde widerwillig gemacht, denn für den Kampf gegen die Vogelgrippe sei es wichtig, Informationen über die Seuche frei zugänglich zu machen.