Christlich und sozial geprägt, hat der 58-Jährige ein Motto: Die Wirtschaft muss für Menschen da sein.
Cord Wöhlke ist ein Unternehmer, mit dem man Geschäfte mit Handschlag besiegeln möchte. Klar, geradeaus, norddeutsch. Einer, der schnell denkt und noch schneller spricht. Ein kluger Kopf, analytisch und fantasiebegabt. Einer, der nichts auf Schickimicki gibt, sondern die Geschicke des Drogeriefilialisten Budnikowsky aus einem schmucklosen Bürogebäude in Wandsbek lenkt. Der auch mit dem Bus fährt, mitten auf St. Georg lebt und im Urlaub zum Wandern geht. "Die Bodenhaftung ist sehr wichtig, auch fürs Geschäft, denn wir müssen allen Menschen gerecht werden." Ein moderner Patriarch, Chef eines fast hundertjährigen Familienunternehmens.
Kontinuität und Verlässlichkeit sind für ihn die Schlüsselwörter, wenn er über den Erfolg des Unternehmens redet. Auf langfristige Bindungen lege er Wert, und der 58-Jährige ist stolz darauf, dass das regionale Unternehmen in 95 Jahren nur drei Geschäftsführungen hatte.
Geprägt habe ihn in seinem Leben vor allem sein Glaube. "Ich bin Christ aus Überzeugung, in meiner Kultur und meinem Verhalten", sagt er schlicht. Große Vorbilder seien für ihn die starken Frauen seiner Familie gewesen. "Mit der Großmutter war ich jahrelang in Bremen auf dem Gemüsemarkt. Da habe ich meine händlerischen Fähigkeiten erworben", meint er lachend. Auch die Mutter, später die Stiefmutter, hätten ihn stark beeindruckt: "Sie haben uns beigebracht, uns nicht so wichtig zu nehmen." Führen heiße, dem Menschen zu dienen - das werde oft vergessen.
Nach der mittleren Reife absolvierte Cord Wöhlke eine Banklehre in Bremen, mitten in den wilden Sechzigern. Doch Rebellion kam nicht wirklich infrage. Das Angebot, in die Firma der Stiefmutter miteinzusteigen, sah er als große Chance. "Ich hatte schon früh eine Vorstellung, wie die Dinge sein werden", erzählt er. "Die Wirtschaft muss für den Menschen da sein." Ob es Glück oder Pech war, so früh so viel Verantwortung zu haben? Er wisse es nicht, sagt er. "Lebenskrisen gehören dazu, man geht auch durch tiefe Täler. In unserer Familie wurde oft heftig über den Kurs diskutiert. Harmonie allein bringt nicht weiter."
Streitbar ist Cord Wöhlke auch, wenn es um seine sozialen Anliegen geht. Vor allem Kinder und Familien liegen ihm am Herzen. "Das ist doch klar, wenn man ein Unternehmen wie eine Familie sieht", sagt er. "Bildung ist der eigentliche Schlüssel für mehr Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft. Es ist doch ein Skandal, dass die Durchlässigkeit in unserer Gesellschaft schlechter ist als in den USA!"
Auch die niedrige Geburtenrate macht ihm Sorgen. "Ich finde es schade, wenn wir weniger Kinder haben. Jedes Kind ist ein Stück Zukunft für die Gesellschaft. Aber Verantwortung muss auch vorgelebt werden." Mit seinen eigenen drei Kindern hat er das versucht. "Keine Vorurteile zu haben, das ist das Wichtigste", findet er. "Jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit zu sehen und trotz Enttäuschungen und Rückschlägen immer an den Menschen zu glauben."
Der älteste Sohn Christoph (30) arbeitet bereits im Unternehmen mit, seine Schwester Julia (27) wird im Sommer dazustoßen. Der Jüngste, Nicolas (22), studiert noch. "Meine Frau ist für die Budnianer Hilfe e. V. zuständig, und meine Stiefmutter kommt noch an drei Tagen pro Woche in die Firma", erzählt Cord Wöhlke.
Ungeduld sei seine Schwäche, räumt er ein, auch wenn er sich gebessert habe. Eine große Veränderung brachte seine Krebserkrankung 2002. "Das war ein starker Einschnitt", sagt er ganz unsen-timental. Am Vorabend der Operation habe er sein Leben Revue passieren lassen. "Ein schönes Leben hast du gehabt, habe ich gedacht. Nur schade, dass du nicht weißt, was aus den Kindern werden wird."
Ein regelmäßiger Kirchgänger sei er nie gewesen. Zwar spiele der Glaube in der Familie schon deshalb eine Rolle, weil er Protestant sei, seine Frau und die Kinder katholisch. Aber auch mit östlichem Denken habe er sich beschäftigt und sei zu dem Schluss gekommen, dass alles, was wir tun, Spuren hinterlasse.
Zwei Jahre nach seiner Erkrankung machte sich der Marathonläufer auf den Jakobsweg, "die ganze Strecke, fünf Wochen lang". Die abgelaufenen Wanderschuhe stehen auf der Fensterbank in seinem Büro. "Man muss eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen. Aber ich hatte noch nie so viel Abstand zu allem wie dort."
Seine Ängste habe er nicht ganz verloren, sagt er: "Klar gibt es Dinge, die einem schlaflose Nächte bereiten. Aber das ist eine Phase des Denkens, Abwägens, und dann ist man wieder voller Kraft. Ich bin optimistischer geworden mit den Jahren. Einschnitte wie meine Krankheit verändern Sichtweisen. Manchmal bin ich sogar dankbar für diesen Einschnitt."