Wolfsburg/Berlin/Hamburg. VW-Manager räumen Manipulationen ein und belasten einen prominenten Chefentwickler. Kommen jetzt “Doping-Tests“ bei Autos?
Jetzt gibt es die ersten Geständnisse von Managern in der Affäre um manipulierte Abgas-Werte bei Diesel-Autos von Volkswagen. Und das Land Baden-Württemberg, Heimat von Porsche und Mercedes-Benz, plant offenbar unangekündigte Kontrollen bei den Autobauern, analog zu Doping-Kontrollen bei Sportlern. Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" ("BamS") liegen der internen Revision bei VW Geständnisse vor. Mehrere VW-Ingenieure hätten bei Befragungen übereinstimmend ausgesagt, die Manipulations-Software im Jahr 2008 installiert zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt habe der Dieselmotor EA 189 kurz vor der Serienproduktion gestanden. Damals sei keine Lösung gefunden worden, mit der sowohl die Abgasnormen als auch die Kostenvorgaben für den Motor eingehalten worden wären, heißt es in der "BamS". Deshalb sei entschieden worden, die Manipulations-Software zu verwenden.
In den Befragungen durch die VW-Konzernrevision hätten Ingenieure den damaligen Entwicklungschef Ulrich Hackenberg belastet. Zu seiner Rolle lägen allerdings widersprüchliche Aussagen vor, heißt es in dem Bericht.
Für Abgas-Manipulation kam spezielle Software zum Einsatz
Laut "BamS" hat VW für die Manipulation von Abgaswerten auch eine Software des Automobil-Zulieferers Continental verwendet. Während bei den in Nordamerika eingesetzten 2.0-Liter-Dieselmotoren Bosch-Technologie eingesetzt worden sei, habe VW bei der 1.6-Liter-Variante auf Motorsteuerungen, Einspritzpumpen und Einspritzdüsen von Continental zurückgegriffen.
Als Reaktion auf den VW-Abgasskandal will Baden-Württemberg den Autobauern mit unangekündigten Prüfungen auf den Zahn fühlen. „Wir brauchen im Verkehr so etwas wie die unangemeldeten Dopingkontrollen“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. „Das heißt, dass die Messungen ohne Vorankündigung stattfinden sollen, damit sich niemand vorbereiten kann.“
Diesel-Abgaswerte auf der Straße messen, nicht im Labor
Solche Pläne will Hermann in einem eigenen Messprogramm für Baden-Württemberg verwirklichen. Das Programm solle so schnell wie möglich starten, sagte er. „Wir wollen, dass auf der Straße gemessen wird und nicht nur im Labor.“ Bei solchen Labor-Tests hatte Volkswagen eine Schummelsoftware eingesetzt und Abgaswerte verfälscht. Die Pläne für die eigenen Test begründete Hermann auch damit, dass man das Feinstaub- und Stickoxidproblem unbedingt in den Griff bekommen wolle.
Der Minister kritisierte erneut die Bundesregierung. Die habe bisher mit Teilen der Autoindustrie die Reform des Messzyklus torpediert. „Wir müssen das Messverfahren RDE voranbringen.“ Die Abkürzung RDE heißt „real-driving emissions“, es geht also um tatsächliche Emissionswerten und nicht um Schadstoffausstoß unter Laborbedingungen.
Warum man Diesel-Motoren trotzdem braucht
Zugleich warnte Hermann davor, den Diesel als Antrieb generell infrage zu stellen. Diesel bleibe ein wichtiger Bestandteil, um ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen, sagte der Grüne. „Er sollte daher optimiert und nicht abgeschafft werden.“ Die Probleme müssten aber dringend gelöst werden. „Ich bin mir sicher, dass dies mit der deutschen Ingenieurskunst zu schaffen ist.“
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sieht durch den Skandal um Volkswagen auch das Vertrauen des Auslands in den Standort Deutschland beschädigt. Jetzt müsse die Justiz, „ohne Ansehen der Person die Schuldigen schnell zur Rechenschaft ziehen“, sagte Schulz dem Hamburger Abendblatt. (Montagsausgabe). „Ob Volkswagen, ob Deutschland verlorenes Vertrauen zurückgewinnt, entscheidet sich auch bei der Aufarbeitung des Skandals.“
Am Dienstag spricht der neue VW-Chef Matthias Müller in Wolfsburg erstmals zu den Beschäftigten, tags darauf steht schon die nächste Krisensitzung des Aufsichtsrates auf dem Programm. Als genüge dies nicht, muss am Donnerstag der US-Chef von VW, Michael Horn, im amerikanischen Kongress Rede und Antwort stehen.