Das Bundeskartellamt sieht eine etwaige Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Benzinmarkt. Auch hundert Tankstellen in Hamburg untersucht.

Berlin. Verbraucher müssen für Benzin in Deutschland wegen der marktbeherrschenden Stellung einiger Unternehmen mehr bezahlen als nötig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Bundeskartellamts, aus dem am Wochenende mehrere Medien zitierten. "Wir haben schon seit längerem die Arbeitshypothese eines Oligopols“, sagte Kartellamtssprecher Kay Weidner am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa und bestätigte damit Berichte der "Bild am Sonntag“ und des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel“ weitgehend.

"Der Spiegel" hatte berichtet, die Studie unterfüttere den Verdacht, dass ein kleiner Kreis von Anbietern eine Vielzahl von Abnehmern versorge. Oligopol bedeutet die Marktbeherrschung der fünf großen Konzerne Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total. Diese Unternehmen kontrollierten rund 70 Prozent des Kraftstoffabsatzes. "Eine weitere Konzentration werden wir nicht zulassen“, zitiert das Magazin Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

"Preisabsprachen eine andere Baustelle"

Die Ergebnisse einer Untersuchung der Wettbewerbshüter unterstrichen laut Spiegel, "dass es sich um ein solches handelt und damit eben Marktstrukturen, die dem Wettbewerb abträglich sind“. Dabei geht es nicht um die Methode der Preisgestaltung der Konzerne. "Wir haben uns nie mit dem Verdacht auf etwaige Preisabsprachen befasst, das ist eine andere Baustelle“, sagte Weidner. "Es geht um die Marktstrukturen, und da muss man schauen, was man machen kann und ob man was machen kann.“

Allerdings müssen die Konzerne weiter mit einer strengen Fusionskontrolle rechnen. "Wir haben in der Vergangenheit schon Fusionen in diesem Bereich nur in sehr begrenztem Maße zugelassen oder gar untersagt, das heißt also, eine weitere Konzentration dieses Oligopols aufgehalten“, erklärte Weidner. "Diese Linie werden wir konsequent auch in der Zukunft weiter fortführen.“

Auch 100 Tankstellen in Hamburg untersucht

Für die Studie des Bundeskartellamts untersuchten Experten die Preisbewegungen von jeweils 100 Tankstellen in Hamburg, Köln, Leipzig und München von Januar 2007 bis Juni 2010. Demnach preschen fast stets die Marktführer mit Preiserhöhungen voran. Den kleineren Tankstellenbetreibern komme als Preisbrechern eine wichtige Rolle im Markt zu. "Verbraucher, die gezielt bei günstigeren Anbietern tanken, stärken den Wettbewerb“, zitiert der "Spiegel“ Mundt. Der Studie zufolge unterhielten die Konzerne bundesweit ein enges Beobachtungs- und Meldesystem der Konkurrenz. Verbotene Preisabsprachen würden deshalb überhaupt nicht nötig. "Preise absprechen ist verboten, Preise abgucken nicht“, zitiert "Bild am Sonntag“ einen ungenannten Mineralöl-Manager.

Der Abschlussbericht soll an diesem Donnerstag offiziell vorgestellt werden.

Fragen und Antworten

Worauf sind die hohen Preise eigentlich zurückzuführen?

Benzin wird aus Rohöl hergestellt, das sich seit Jahresbeginn etwa von 90 auf zuletzt knapp 111 Dollar je Barrel verteuert hat; zwischenzeitlich lag der Preis noch deutlich höher. Dazu gibt es einen eigenen Markt für Ölprodukte wie Benzin, Heizöl oder Kerosin. Auch hier sind die Preise deutlich gestiegen, was sich an den Tankstellen auswirkt. Doch nicht nur der Ölpreis bestimmt die Entwicklung beim Benzin, wie der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt. Wenn die Sommer trocken ausfielen und Tankschiffe nur halb beladen unterwegs sein könnten, wirke sich das ebenfalls aus. Und: Fragten die US-Amerikaner mehr Benzin nach, dann schickten hiesige Ölkonzerne Benzin in die USA. Weil die Raffineriekapazität aber beschränkt sei, steige der Preis an den deutschen Zapfsäulen.

Wer profitiert am meisten von den hohen Benzinpreisen?

Zunächst profitieren die Besitzer und Verkäufer von Rohöl von den hohen Rohstoffpreisen. Das sind oft staatliche Gesellschaften im Nahen Osten, Afrika, Venezuela oder Russland. Auch die großen Ölfirmen wie Shell, BP und ExxonMobil verfügen über Vorkommen oder Förderrechte und weisen deshalb enorme Gewinne aus. Auf der nächsten Verarbeitungsstufe, bei den Raffinerien, sind die Gewinne deutlich kleiner und schwanken stark. Nach Angaben des Hamburger Energie-Informationsdienstes EID waren die europäischen Raffinerien zu Beginn des Jahres nur in 9 von 15 Wochen profitabel.

Hilft den Tankstellen ihre Marktmacht?

Die Tankstellen haben am wenigsten von den hohen Preisen, obwohl sie am stärksten in der Kritik stehen. Der Benzinpreis besteht zu mehr als 95 Prozent aus Steuern und Einkaufskosten. Als Gewinn beim Verkauf des Kraftstoffs streben die Ölgesellschaften einen Cent je Liter an. Auch der Pächter einer Tankstelle lebt nicht in erster Linie vom Benzinverkauf, sondern eher von Zigaretten, Süßigkeiten, Getränken und Zeitungen. In Deutschland gibt es rund 14 400 Tankstellen; davon gehören 8000 zu den größten Ketten Aral, Shell, Esso, Total, Jet und Avia.

Was kann der Autofahrer tun - bei freien Tankstellen kaufen?

Das hilft nur wenig. Denn die eigentliche Gelddruckmaschine der Mineralölkonzerne ist die Ölförderung - einträglich am Ölgeschäft ist also weniger die Tankstelle, sondern die Ölquelle. Die Tankstelle sitze dagegen in der „Kostenklemme“, deshalb können nach Einschätzung Dudenhöffers auch freie Tankstellen das Preisgefüge kaum beeinflussen.

(rtr/dpa)