Super-Sache oder Marketing-Gag? Shell will Kunden gegen Schäden durch den neuen Biosprit E10 versichern - mit einigen Haken.

Berlin/Hamburg. Der Kraftstoffkonzern Shell will dem verschmähten Biosprit E10 mit kostenlosen Versicherungen zu mehr Erfolg verhelfen. Das Unternehmen bietet Kunden einen Versicherungsschutz gegen Schäden an, welche die neue Super-Benzinsorte womöglich anrichten kann.

Bisher meiden Kunden das E10 mit zehn Prozent Bioethanolanteil – dabei soll es eigentlich zur neuen Haupt-Spritsorte werden. Shell und andere Konzerne haben deswegen seit Wochen riesige Logistikprobleme, da die meisten Autofahrer zum herkömmlichen Super-Benzin greifen.

Der ADAC nannte die Aktion des Mineralölkonzerns einen „Marketing-Gag“. Denn die kostenlose Versicherung hat viele Haken: Die Kunden müssen ihre Tanks mindestens zu 80 Prozent bei Shell füllen. Falls sie öfter bei der Konkurrenz an die Zapfsäule fahren, erlischt der Versicherungsschutz. Für den Nachweis der Shell-Treue müssen Kunden ihre Tankquittungen aufbewahren – oder gleich zur Stammkundenkarte der Tankstellenkette greifen.

Problem Nummer zwei: Die Police gegen E10-Schäden endet schon nach anderthalb Jahren. Shell wies die Kritik am Dienstag bei der Vorstellung der Aktion in Berlin zurück. „Nach wie vor gibt es große Verunsicherung. Wir wollen einen Beitrag leisten, um unseren Kunden Sicherheit zu geben“, sagte Jörg Wienke, Leiter des deutschen Shell-Tankstellengeschäftes.

Zur relativ kurzen Laufzeit der Versicherung erklärte der Partner des Angebotes, die Deutsche Familienversicherung DFV, dass das ausreiche. „Wir gehen davon aus, dass sich Landzeitschäden bereits innerhalb von 18 Monaten zeigen“, sagte DFV-Vorstand Stefan Knoll. Deutschlands größter Automobilclub ADAC sieht das anders. „Wenn ich einen E10-Schaden habe, dann kann der auch nach den 18 Monaten eintreten, und dann ist die Versicherung schon wieder abgelaufen“, sagte ADAC-Verkehrsexperte Andreas Hölzel.

Im Gegenzug müsse sich der Kunde an Shell-Kraftstoff binden – und stets den Preis zahlen. „Es ist im Grunde eher ein Marketing-Gag – ob er gut ist, wird sich noch herausstellen“, sagte Hölzel. Versicherungsvorstand Knoll kündigte an, es werde nach den 18 Monaten eine Anschlussversicherung geben. Die kostet dann aber – zum möglichen Preis sagte Knoll nichts.

Die Zusicherung, für mögliche E10-Schäden aufzukommen, gibt es derweil schon längst. Die Automobilhersteller hatten beim „Benzin-Gipfel“ Anfang März zugesagt, dass ihre Verträglichkeitsliste für den neuen Biosprit verbindlich sei. Am Montag bekräftigte der Verband der Automobilindustrie diese Zusage in einer gemeinsamen Mitteilung noch einmal: „Unsere Aussagen in dieser Liste sind verbindlich.“ Der Vorteil der Versicherung ist der DFV zufolge, dass sie den Kunden im Schadensfall eine vielleicht lange und Nerven aufreibende Regulierung erspare. Bisher gibt es aber noch keine Erfahrungswerte, wie die Kostenübernahme seitens der Hersteller ablaufen würde.

„Voll- und Teilkasko decken keine Verschleißschäden ab und damit auch keine E10-Schäden“, sagte Knoll. Der Vorteil der Versicherung sei nun, dass sie bei einem erwiesenen E10-Schaden zahle – ohne Wenn und Aber. Doch auch an dieser Stelle gibt es wieder eine Bedingung: Zuerst muss immer eine Fachwerkstatt den E10-Schaden feststellen. Dann beauftragt die Versicherung einen Gutachter der Dekra. Bestätigt er den Schaden, wird reguliert.

Sollte die Fachwerkstatt aber Zweifel am E10-Schaden haben, trägt der Versicherungskunde das Risiko der Dekra-Expertise. Schließt der Gutachter E10 als Ursache aus, muss der Kunde zahlen. Und wenn die Fachwerkstatt E10-Schäden feststellt, hätte der Kunde auch ohne die Versicherung Anspruch auf Kostenübernahme seitens des Herstellers. Ob diese Variante länger dauern würde, ist unklar.

Bedingung für den Abschluss der Versicherung ist neben dem überwiegenden Tanken bei Shell auch, dass das Auto nicht vor 1996 zugelassen wurde. Darüber hinaus kommen natürlich nur Benziner infrage, die auf der E10-Verträglichkeitsliste der Hersteller stehen.

Versicherungsvorstand Knoll wollte sich nicht dazu äußern, wie die Hersteller im erwiesenen E10-Schadensfall haftbar gemacht werden, um das Geld von ihnen zurückzuholen. Er sagte lediglich, die Zusage sei schließlich verbindlich – auch gegenüber Versicherungen. Mit wie vielen Schäden die DFV kalkuliert habe, wollte Knoll auch nicht sagen. Das Risiko habe aber ein Rückversicherungs-Kontingent.