Berlin. Nach dem rassistischen Vorfall auf Sylt sind einige der Beteiligten gekündigt worden. Doch ist das rechtens? Das sagt ein Experte.

Für viele Beschäftigte ist es eine gefürchtete Vorstellung: vom Arbeitgeber gekündigt zu werden. Das kann manchmal schneller gehen als gedacht, wie der jüngste Vorfall auf Sylt zeigt: Nachdem ein Video viral gegangen war, in dem Menschen in einer Bar auf Sylt rassistische Parolen grölen, sollen einige der Beteiligtenvon ihrem Arbeitgeber eine Kündigung erhalten haben. Doch ist das rechtlich möglich? Welche Gründe sind für eine Kündigung zulässig und welche Fristen müssen eingehalten werden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

In Kampen auf Sylt haben mehrere junge Menschen im Nachtclub „Pony“ Naziparolen skandiert. Nun sollen einige von ihnen gekündigt worden sein.
In Kampen auf Sylt haben mehrere junge Menschen im Nachtclub „Pony“ Naziparolen skandiert. Nun sollen einige von ihnen gekündigt worden sein. © Screenshot Instagram | Screenshot Instagram

Wie weit im Voraus ein Arbeitgeber einen Angestellten kündigen darf, hängt maßgeblich davon ab, wie lange die Person schon in dem Unternehmen beschäftigt ist. Denn während die Kündigungsfrist in der Probezeit lediglich zwei Wochen beträgt, müssen nach Ablauf der Probezeit deutlich längere Fristen eingehalten werden.

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Kündigung bei der Arbeit: Wann welche Fristen eingehalten werden müssen

Nach Paragraf 633 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat der Arbeitnehmer selbst zwar das Recht, mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats zu kündigen. Geht die Kündigung jedoch vom Arbeitgeber aus, muss er sich im Rahmen des Kündigungsschutzes – je nachdem wie lange die Person schon im Unternehmen beschäftigt ist – an folgende Fristen halten:

Wenn das Arbeitsverhältnis...

  • zwei Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Ende eines Kalendermonats.
  • fünf Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • acht Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • zehn Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist vier Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • zwölf Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • 15 Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • 20 Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Experte klärt auf: Diese Gründe gibt es für eine Kündigung

Die Gründe für eine Kündigung können dabei vielfältig sein und gliedern sich laut Rechtsanwalt Uwe Lehr in drei verschiedene Bereiche:

  • Verhaltensbedingte Kündigungsgründe liegen bei Fehlverhalten eines Arbeitnehmers vor. Allerdings muss der Arbeitgeber bei einem Regelverstoß zuerst eine Abmahnung aussprechen. Nach wiederholter Abmahnung folgt die Kündigung. Fehlverhalten kann zum Beispiel unentschuldigtes Fehlen, das Missachten betrieblicher Rauch- und Alkoholverbote oder Unpünktlichkeit sein.
  • Personenbedingte Gründe liegen – wie der Name schon vermuten lässt – in der Person des Arbeitnehmers und können unter anderem eine fehlende Eignung oder Befähigung des Arbeitnehmers sein, eine Leistungsminderung oder eine fehlende Arbeitserlaubnis.
  • Betriebsbedingte Kündigungen werden durch Veränderungen im Betrieb ausgelöst und meinen zum Beispiel einen Umsatzrückgang oder eine Einschränkung der Produktion. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch trotz der Umstände an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann, so darf er ihm nicht kündigen. Bei der Auswahl des zu Kündigenden muss der Arbeitgeber außerdem eine „soziale Auswahl“ treffen. Der Gesetzgeber verlangt, dass die Kündigung „sozial gerechtfertigt“ ist; sie muss also beispielsweise Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter berücksichtigen.

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Fristlose Kündigung – Wann sie rechtens ist

Ganz anders sieht es jedoch bei einer außerordentlichen Kündigung aus, die meistens – aber nicht zwingend – als fristlose Kündigung ausgesprochen wird und ein Arbeitsverhältnis „abrupt“ beendet, wie Christina Gehrig, Fachanwältin für Arbeitsrecht, schreibt. Weil es sich um die härteste Konsequenz des Arbeitsrechts handelt, kann die fristlose Kündigung nach Paragraf 626 BGB lediglich aus einem „wichtiger Grund“ ausgesprochen werden.

Solch ein wichtiger Grund sei laut Gehrig zum Beispiel das Ausüben einer Straftat gegen den Arbeitgeber, Arbeitsverweigerung oder eine rassistische Beleidigung. Allerdings kommt es bei letzterem darauf an, ob diese Beleidigung in einem beruflichen oder privaten Kontext stattfindet.

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Kündigung nach Skandal auf Sylt: Das sagt ein Experte

Eine Kündigung wegen privaten Verhaltens eines Arbeitnehmers sei nämlich nicht ohne weiteres möglich, wie Prof. Michael Fuhlrott in einer Mitteilung des Verbands deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA) erläutert. Was ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit macht, sei grundsätzlich Privatsache. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schulden lediglich ihre ordnungsgemäße Arbeitsleistung, aber kein Wohlverhalten in der Freizeit, so der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Das gelte im Grundsatz, so der VDAA, selbst in „derartig krassen Fällen wie bei dem aktuellen Geschehen“, sprich: dem rassistischen Vorfall auf Sylt.

Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Handlungen außerhalb ihres Berufslebens allerdings „einen Bezug zum Arbeitsverhältnis“ herstellen – und zum Beispiel Dienstkleidung tragen – sieht es anders aus. Dann kann auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Auch ein Pressesprecher oder CEO, der sich rassistisch äußert, müsse damit rechnen, dass aufgrund seiner Funktion ein dienstlicher Bezug hergestellt wird – weil er für die Öffentlichkeit mit einem Unternehmen „untrennbar“ verbunden sei. Der Bezug zum Arbeitsverhältnis müsse bei den aktuellen Vorkommnissen je nach Einzelfall beurteilt werden, erklärt der Rechtsexperte.

„Wenn jemand aber für eine Influencerin arbeitet, die in den sozialen Medien präsent ist und gerade dies das Geschäftsmodell ist, so kann es nahe liegen, dass auch Handlungen ihrer Mitarbeiter unter besonderer Beobachtung stehen“, heißt es. Selbst wenn eine Handlung aber keine Kündigung rechtfertigt, sei damit keine Aussage über die Rechtmäßigkeit einer solchen Äußerung getroffen, so Fuhlrott. Vielmehr gelte, dass solche Fälle durch das Strafrecht zu behandeln seien – und im Grundsatz nicht durch das Arbeitsrecht.