Hamburg. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn sind weit verbreitet. Deren Ursachen sind nicht nur genetischer Natur.

Starke Bauchschmerzen, über Wochen anhaltender Durchfall, Blutungen: Das alles können Warnsignale sein für chronisch entzündliche Darmerkrankungen, kurz CED. „Sie kommen gar nicht so selten vor“, sagt Professor Dr. Klaus Herrlinger. „Etwa jeder 250. Mensch in der westlichen Welt leidet weltweit entweder an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Das sind die beiden Erkrankungsbilder, mit denen wir es dann zu tun haben“, so der Chefarzt für Innere Medizin und Gastroenterologie von der Asklepios Klinik Nord-Heidberg.

"Hygiene-Theorie" spielt bei Darmerkrankungen eine Rolle

Beide Erkrankungen treten meist mit einem heftigen Schub zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr zum ersten Mal auf. Doch was ist die Ursache? „Zum einen gibt es sicher eine genetische Komponente. Aber auch die Hygiene-Theorie spielt eine Rolle“, so der Mediziner, der in Würzburg und Kiel studiert hat und in Freiburg habilitierte.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen seien in westlichen Industrienationen, in denen Kinder sehr sauber aufwachsen, weit verbreiteter als beispielsweise in Afrika. „Wir gehen also davon aus, dass es in mancher Hinsicht auch ganz gesund ist, wenn Kleinkinder nicht ganz steril erzogen werden, sondern auch mal im Dreck buddeln und früh mit Erregern in Kontakt kommen.“

Morbus Crohn befällt den gesamten Verdauungstrakt

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa seien einander in der Symptomatik ähnlich. „Der Unterschied ist, dass Colitis ulcerosa allein den Dickdarm befällt, während bei Morbus Crohn vom Mund bis zum After der gesamte Verdauungstrakt betroffen sein kann.“ Was passiert also im Körper? „Es läuft eine Immunreaktion des Darms ab, vergleichbar beispielsweise mit einer Salmonellen-Infektion. Mit dem Unterschied, dass bei einer normalen Infektion der Durchfall dann akut ist und von selbst wieder aufhört“, so der Experte.

Man müsse sich das so vorstellen, dass die aus Milliarden von Bakterien bestehende normale Flora des Darms in einen zu engen Kontakt mit dem menschlichen Immunsystem komme. „Offensichtlich funktioniert die natürliche Barriere der Darmschleimhaut bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nicht. Warum nicht? Das ist immer noch das große Thema der Forschung. Ebenso die Frage, wie man diese Barriere wieder herstellen könnte.“

Die gute Nachricht sei, dass jeder zweite Erkrankte nach einem ersten Schub einen eher „milden Verlauf“ der Erkrankung durchlebe. „Das heißt, diese an sich lebenslange Erkrankung lässt sich medikamentös gut behandeln und einstellen.“ Die andere Hälfte der Patienten sei allerdings schon längerfristig auf stärkere Medikamente, also auf Kortison und Immunsuppressiva sowie Antikörper, sogenannte Biologika, angewiesen.

Heilung schwierig, aber die Krankheit sei „beherrschbar“

Gilt man denn irgendwann als geheilt? „Heilung ist ein großes Wort“, sagt der Chefarzt, der in den USA geboren wurde. „Ich vergleiche die Krankheiten oft mit Bluthochdruck. Wenn der gut eingestellt ist, dann sind Sie beschwerdefrei, aber eben auch nicht geheilt. Es geht also darum, die Krankheit durch individuelle Therapiekonzepte zu beherrschen“, so der Vater von vier Kindern.

„Und die Möglichkeiten der Therapie sind eben zum Glück mittlerweile sehr gut“, so der Chefarzt, der selbst pro Jahr rund 150 Patienten, die von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen betroffen sind, behandelt.