Berlin. Nasenspreizer oder Umschnallgurte sollen das Schnarchen verhindern. Stiftung Warentest hat 23 Produkte untersucht. Wovor Ärzte warnen.
Die Auswahl klingt nach Folterwerkzeugen: Kopfriemen, Nasenspreizer, Fingerklemmen. Doch jedes dieser Produkte soll gegen das Schnarchen helfen. Die Stiftung Warentest hat 23 solcher Helfer unter die Lupe genommen. Eine eindeutige Empfehlung bekommt keines. Auch Schlafmediziner raten davon ab, sich ohne ärztlichen Rat vermeintliche Hilfsmittel zu kaufen. Einige könnten das Problem sogar verschlimmern.
Warum schnarchen wir überhaupt?
„Dass Menschen überhaupt schnarchen, liegt an der besonderen Konstruktion der oberen Atemwege: ein schlaffer Schlauch mit viel Weichgewebe“, sagt Boris Stuck, Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Uniklinikum Marburg. „Das ermöglicht uns Artikulation, atemmechanisch ist es eher ungünstig.“
Denn wenn die Muskulatur im Schlaf erschlafft, verengt sich der Atemweg und Zunge und Kiefer können insbesondere in Rückenlage nach hinten rutschen. Zwar werden beim Einatmen Muskeln aktiviert, die den Atemweg gegen diese Widerstände offenhalten, bei manchen Menschen ist die Einengung aber zu stark.
„Zum Beispiel bei Übergewicht mit Fetteinlagerungen am Hals, wenn der Kiefer weit hinten steht, bei großen Mandeln oder auch Allergien“, sagt Stuck. Die Luft muss dann mit mehr Anstrengung durch die Atemwege gepresst werden, das Zäpfchen und umliegende Weichteile geraten in Schwingung – und verursachen dabei mitunter laute Geräusche.
Schnarcher sollten die Ursache ärztlich abklären lassen
Bevor jedoch vermeintliche Hilfsmittel im Internet bestellt werden, sollten Schnarcher die Ursachen abklären lassen, rät Stuck. Bei Menschen, die erholsam schliefen und bei denen keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen, sei das Schnarchen in der Regel harmlos. Lesen Sie auch: So gefährlich ist Schnarchen für unsere Gesundheit
Aber Schnarchen könne auch mit einer sogenannten Schlafapnoe einhergehen – nächtlichen Atemaussetzern. „Aktuelle Erhebungen deuten darauf hin, dass zehn bis zwanzig Prozent der Menschen in Deutschland eine Schlafapnoe haben. Allerdings ist nicht jeder Fall behandlungsbedürftig“, so Stuck.
Schnarchen kann zu ernsthaften körperlichen Folgen führen
„Betroffene sollten darauf achten, ob sie morgens unerholt aufwachen, tagsüber schläfrig und unkonzentriert sind“, erklärt Winfried Randerath, Chefarzt am Krankenhaus Bethanien in Solingen und Vorstandsmitglied der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Schlafmedizin (NRW-GSM). „Durch die abgeschwächte oder unterbrochene Atmung im Schlaf geht der Sauerstoff im Blut runter und das Gehirn reagiert immer wieder mit einer Weckreaktion. Dabei wachen Betroffene nicht richtig auf, aber die Schlaftiefe verändert sich“, erklärt Randerath.
Der Sauerstoffmangel bis zu hundert Mal pro Nacht belaste das Herz-Kreislauf-System und könne langfristig von Bluthochdruck bis zum Schlaganfall führen. „Teils kommt es zu Schläfrigkeit, Leistungsminderung, sexuellen Störungen bis hin zu Depressionen“, sagt Randerath. Viele der Betroffenen seien übergewichtige Männer im mittleren Alter, aber ein Drittel seien Frauen oder schlanke Personen. Auch interessant: Probleme beim Einschlafen: Was gegen Grübeln hilft
An wen man sich bei Schnarchproblemen wenden sollte
Nach einer Voruntersuchung bei Hausarzt oder -ärztin sollten sich Betroffene an einen oder eine Schlafexpertin überweisen lassen. „Hier werden dann die genauen Ursachen untersucht und individuell behandelt: Liegt es an der Kieferstellung oder gibt es andere mechanische Einschränkungen im Halsbereich, liegt es an der Muskulatur oder gibt das Gehirn die Befehle zum Ein- und Ausatmen nicht richtig“, so Randerath.
„Patienten und Patientinnen, bei denen zu viel Gewicht oder ein Zusammenspiel der Muskeln als Grund infrage kommen, können es nach Rücksprache mit den Behandelnden zunächst mit einer Veränderung des Lebensstils versuchen“, sagt Stuck. Bei einem Großteil der Betroffenen heißt das: Abnehmen. „Außerdem weniger Alkohol, der die Muskeln beeinträchtigen kann, und Verzicht aufs Rauchen. Hier ist der Zusammenhang mit dem Schnarchen nicht eindeutig geklärt“, erklärt Stuck.
Erst wenn diese Maßnahme nicht helfe kämen andere Hilfsmittel infrage. Darunter auch einige, die von Stiftung Warentest untersucht wurden. Die Verbraucherschützer sichteten wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von fünf Gruppen von Antischnarchhilfen: Produkte, die eine Rückenlage verhindern, solche, die die Nase offen oder den Mund geschlossen halten sowie Schienen, die den Kiefer daran hindern sollen, zurück zu rutschen und Ringe, die das Schnarchen per Akupressur verhindern sollen.
Kein Hilfsmittel überzeugt bei Stiftung Warentest
Hilfsmittel, die das Schnarchen in Rückenlage verhindern sollen, bewerteten die Tester als „mit Einschränkung geeignet“. Darunter Westen, Shirts oder Rucksäcke mit eingenähten Kissen, die das Rumdrehen erschweren sollen sowie Umschnallgurte, die beim Umdrehen vibrieren.
„Solche Westen oder Shirts können zwar die Rückenlage verhindern, werden aber regelhaft als unbequem und störend empfunden und daher meist nicht dauerhaft genutzt “, sagt Stuck. Er rät eher zu vibrierenden Bändern. „Solche Schlafpositionstrainer können die Rückenlage recht zuverlässig verhindern, sie werden auch in den medizinischen Leitlinien empfohlen.“ Lesen Sie auch: Sieben Tipps: So finden Sie endlich wieder in den Schlaf
Nasenspreizer, die den Naseneingang offenhalten sollen, hält die Stiftung ebenfalls für „mit Einschränkung geeignet“. „So etwas hilft nur Patienten, bei denen das Hauptproblem die Nasenklappe ist, das ist relativ selten“, sagt HNO-Experte Stuck. Auch eine Operation der Nasenscheidewand komme nur infrage, wenn Patienten schlecht Luft durch die Nase bekämen.
Viele Hilfsmittel von Medizinern nicht empfohlen
Auch selbst einstellbare Schienen zur Vorverlagerung des Unterkiefers sind laut der Tester nur „mit Einschränkung geeignet“. Stuck und Randerath raten hingegen davon ab, sich standardisierte Schienen zu kaufen, die von den Betroffenen selbst justiert werden müssen. „So eine Schiene kann zu Zahnstellungsänderungen führen, das ist nicht trivial“, sagt Stuck. „Eine spezialisierte Zahnärztin sollte erst untersuchen, ob es Vorschädigungen an Kiefer oder Zähnen gibt. Dann kann ein Abdruck gemacht und eine individuelle Schiene angefertigt werden.“
Von Antischnarchbändern, die den Mund zudrücken, halten die Mediziner nichts. „Damit werden die Probleme nicht behoben, sondern es besteht das Risiko, dass sie noch verstärkt werden, weil die Betroffenen nicht mehr richtig atmen können“, sagt Randerath. Auch zu Akupunkturringen seien keine Studien bekannt, die eine Wirksamkeit ausreichend belegen würden. Beide Produktgruppen vielen auch bei den Verbraucherschützern als „nicht geeignet durch“. Auch interessant: Warum Schlafforscher bei Schlaf-Apps skeptisch sind
Möglichkeiten für schwere Fälle
Wenn einfache Hilfsmittel nicht helfen, stehen auch Optionen wie die CPAP-Therapie (continuous positive airway pressure) zur Verfügung, bei der während des Schlafs Raumluft über eine Maske in die Atemwege gepumpt wird. Zudem kann der Unterkiefer operativ vorgelagert oder der Weichraum im Gaumen erhärtet werden, um Schnarchen zu verhindern.
Solche einschränkenden oder chirurgischen Maßnahmen werden jedoch nur in schweren Fällen empfohlen, in denen die Gesundheit beeinträchtigt ist. Ratgeber und Anlaufstellen finden Patienten online bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin.