Wer jetzt kauft, hat immer noch größere Renditechancen als mit dem Sparbuch. Einige Experten warnen vor einem überhitzen Aktienmarkt. Doch auch die Unternehmen machen den Boom mit.
Frankfurt/Main. Mit Aktien lässt sich noch Geld verdienen. Die Börsen bejubeln die lockere Geldpolitik der Notenbanken, das historische Krisenpaket der Europäischen Zentralbank (EZB) hievte den Dax am 5. Juni erstmals über die magische 10.000-Punkte-Marke. Bisheriger Rekord-Schlussstand: 10.028,80 Zähler am 10. Juni. Seither pendelt der deutsche Leitindex zwischen 9800 und 10.000 Punkten. Ökonomen sehen noch Luft nach oben, Anleger sollten sich aber auch auf zwischenzeitliche Rückschläge einstellen.
„Die Kurse und die gängigen Kennziffern haben jedenfalls in Deutschland und in Europa noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht“, meint Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Im Gespräch mit der „Zeit“ schränkte die Ökonomin zugleich ein: „Ich sage nicht, dass alles im grünen Bereich ist. Langanhaltend niedrige Zinsen können den Nährboden für Übertreibungen an den Finanzmärkten bilden.“
Besonders skeptisch äußern sich die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba): „Angesichts ausgeschöpfter Bewertungsspielräume und technischer Überhitzung überwiegen inzwischen eindeutig die Kursrisiken. Anleger sollten sich zumindest auf eine deutlichere Korrektur einstellen.“ Nach dieser Einschätzung könnte es einen Einbruch beim Dax in einer ähnlichen Größenordnung wie 2004 (minus 12 Prozent) oder 2006 (minus 14 Prozent) geben.
Eine Privatbank warnt
Auch die Stuttgarter Privatbank Ellwanger & Geiger mahnt Anleger zur Vorsicht: „Die Kurse sind den Realitäten davongelaufen – sowohl die Kurse der Peripherieanleihen als auch die Aktienkurse, die sich weitgehend von der Unternehmensgewinnentwicklung abgekoppelt haben.“ Dennoch seien solche Anlagen derzeit alternativlos – schließlich hat die EZB die Zinsen im Euroraum quasi abgeschafft, so dass es auf Tages- und Festgeld oder Sparbücher nur noch Minirenditen gibt.
Dagegen ist ein Plus des Deutschen Aktienindex' von 2,2 Prozent (Stand 27.6.) innerhalb eines Quartals – von Anfang April bis Ende Juni 2014 – geradezu üppig. Die Dekabank rechnet vor: Seit seiner Einführung am 1. Juli 1998 bei einem Stand von gut 1000 Punkten habe der Dax eine jährliche Rendite von 8,9 Prozent gebracht, Dividenden eingeschlossen.
Viele Kleinanleger sind von der Börse bedient
Für die meisten Anleger in Deutschland ist das graue Theorie. Sie haben entweder nie in Aktien oder Aktienfonds investiert – oder wandten sich nach dem Platzen der Dotcom-Blase mit Grausen von der Börse ab. Selbst die aktuelle Niedrigzinsphase treibt Privatanleger nicht in Scharen aufs Parkett.
Die Fondsgesellschaft Union Investment stellt in der jüngsten ihrer quartalsweisen Anlegerbefragungen fest: Nicht einmal jeder Dritte (30 Prozent) der 500 repräsentativ Befragten halte es für sinnvoll, zumindest einen kleinen Teil seiner Ersparnisse in chancenreichere Anlagen zu investieren.
Dabei könnte sich ein Einstieg in Aktien auch jetzt noch lohnen: So äußern sich etwa die Dekabank-Ökonomen optimistisch. Zwar müsse nach dem rasanten Kursanstieg „jederzeit mit einer Korrektur am Markt gerechnet werden“. Dennoch seien „die Rahmenbedingungen für risikoreiche Anlageklassen (...) intakt und haben mit dem jüngsten Maßnahmenpaket der EZB einen starken zusätzlichen Impuls erhalten“.
Deutsche Unternehmen haben guter Gewinnaussichten
Die Analysten der Postbank sehen ebenfalls noch Potenzial für deutsche Aktien – vor allem für die mittelgroßen Werte im MDax. Sie rechnen trotz der beachtlichen Kurszuwächse in den vergangenen Jahren weder für den Dax noch für den MDax mit einem Crash, sondern mit weiter steigende Kursen. „Hierfür sprechen vor allem die sich bessernden Gewinnaussichten für deutsche Unternehmen“, erklärte Marco Bargel, Chef-Anlagestratege der Deutsche-Bank-Tochter.
Asoka Wöhrmann, Co-Chefstratege der Deutsche-Bank-Fondsgesellschaft DWS, bekräftigt: „Ein sich beschleunigendes Wachstum der Weltwirtschaft bei moderater Inflation – das gilt als ideales Umfeld für die Unternehmensgewinne und damit für die Aktien, welche deswegen ihren Aufwärtstrend fortsetzen dürften.“ Allerdings steige angesichts des bereits erreichten Kursniveaus auch die Gefahr von Rückschlägen.
Und die Chancen am Aktienmarkt haben auch die Unternehmen beflügelt. Nach einer Studie wagen wieder mehr Unternehmen den Schritt an die Börse. Auch in Deutschland gebe der Markt für Börsengänge wieder kräftige Lebenszeichen von sich, betonte das Beratungsunternehmen EY (Ernst & Young) bei der Vorlage seines weltweiten Barometers für IPO („Initial Public Offering“ bzw. Erstemissionen).
Die Zeit für einen Börsengang ist günstig
„Die aktuell positive Entwicklung verspricht ein gutes IPO-Jahr in Deutschland – voraussichtlich das stärkste seit 2007, als insgesamt 7,85 Milliarden Euro bei Börsengängen in Deutschland erlöst wurden“, sagte EY-Experte Martin Steinbach. 2013 lag das Emissionsvolumen in Deutschland nach den Angaben bei nur 2,35 Milliarden Euro.
Das Emissionsvolumen hat sich in Europa gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 10,7 auf 38,6 Milliarden US-Dollar nahezu vervierfacht und liegt damit höher als in den USA (33,8 Mrd. Dollar). „Von dem Aufschwung in Europa profitieren nicht nur einzelne Finanzplätze“, sagte Steinbach. Der Zugang zum Kapitalmarkt stehe auf einem breiten Fundament: „Das hatten wir lange nicht mehr.“