Berenberg-Chef Hans-Walter Peters spricht mit dem Hamburger Abendblatt über seine neue Kundenstrategie, Geldanlagen im Zinstief und den Aufbau neuer Arbeitsplätze.

Hamburg. Das Hamburger Privatbankhaus Berenberg, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1590 zurückreichen, hat gerade einen Rekordgewinn gemeldet. Doch in der Branche werden immer wieder Stimmen laut, der Erfolg beruhe auf einer riskanten Geschäftspolitik. Ein Gespräch darüber mit Hans-Walter Peters, dem Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der ältesten Bank Deutschland.

Hamburger Abendblatt: Das „Manager Magazin“ hat Berenberg als „aggressivste Investmentbank Deutschlands“ tituliert, auch zuvor gab es Berichte, wonach das Unternehmen erhebliche Risiken eingehe. Müssen wir uns Sorgen machen?

Hans-Walter Peters: Überhaupt nicht. Wir haben letztes Jahr ein Rekordergebnis von 66 Millionen Euro erzielt und verfügen über eine Kernkapitalquote von 15,3 Prozent, die zu den besten in Europa gehört. Aber man muss sich auch darüber klar sein: Die Bankenwelt ändert sich radikal – Kundenwünsche, regulatorische Anforderungen, Wettbewerbsintensität, Globalisierung. Zudem fällt mit einem Zinssatz von null eine Haupteinnahmequelle weg. Daher müssen alle in der Branche ein Geschäftsmodell entwickeln, das auch unter diesen Bedingungen trägt und das zu dem jeweiligen Haus passt. Wir haben früh damit begonnen, uns auf beratende Tätigkeiten zu konzentrieren, und heute beträgt das Verhältnis der Provisionserträge zu den Zinserträgen 88 zu 12. Hohe Risiken passen nicht zu einer Bank wie Berenberg, darum gehen wir solche Risiken nicht ein.

Ein wesentliches Geschäft von Berenberg besteht darin, neue Aktien aus Börsengängen und Kapitalerhöhungen am Markt unterzubringen. Ist es etwa nicht riskant, wenn man vorher eine Garantie unterschreibt, dass dem Unternehmen die Aktien auch abgenommen werden?

Peters: Bei Börsengängen gibt es grundsätzlich kein Risiko, da die Aktien nach besten Möglichkeiten am Markt platziert werden. Bei Kapitalerhöhungen werden manchmal Zusagen gewünscht, die wir in seltenen Fällen geben. Hier sichern wir uns aber bei Bedarf mit Gegengeschäften ab, sodass das Risiko, Bestände auf eigene Rechnung übernehmen zu müssen, sehr begrenzt ist. Außerdem haben wir in London ein Team von 80 hoch qualifizierten Analysten aufgebaut – es ist das zweitgrößte Research-Team einer deutschen Bank – und wir haben 600 Kunden, die als Gegenleistung für unsere Aktienanalyse regelmäßig Aktienmarktgeschäfte mit uns abwickeln. Aus Gesprächen mit diesen Kunden können wir die Nachfrage nach den Aktien, die wir platzieren wollen, sehr gut einschätzen.

Berenberg ist in diesem Geschäft unter den fünf führenden Anbietern am deutschen Markt. Ist Berenberg, verglichen mit der mächtigen Konkurrenz, groß genug für derartige Transaktionen?

Peters: Unser Erfolg beruht weder auf Größe noch auf höherer Risikobereitschaft. Darüber hätten wir keine Chance, denn natürlich sind wir im Vergleich zu den Wettbewerbern immer noch eine kleine Bank. Wir können nur mit Qualität punkten, also wenn die Kunden extrem zufrieden mit uns sind – und wir haben uns auch außerhalb Deutschlands, nicht zuletzt in Großbritannien und in den USA, einen außerordentlich guten Ruf erarbeitet.

Aber waren unter den Firmen, deren Aktien von Berenberg platziert wurden, nicht auch der Immobilienkonzern IVG und die Baumarktkette Praktiker, die später Insolvenz anmelden mussten?

Peters: Seit Anfang 2013 waren wir an 38 Börsengängen, Kapitalerhöhungen und Umplatzierungen beteiligt, und im Durchschnitt haben sich die Kurse seit dem jeweiligen Stichtag bis heute um 22 Prozent erhöht, ganze drei sind im Wert gesunken. Wir prüfen vorher sorgfältig, ob genug Nachfrage nach den Aktien da ist. Unser Ziel ist immer, dass sämtliche angebotenen Aktien schon am ersten Tag der Frist gezeichnet werden.

Sie haben die hohen Investitionen erwähnt, die nötig waren, um im Investmentbanking erfolgreich zu sein. Wird dies zur Gefahr, wenn am Aktienmarkt mal wieder für eine längere Zeit Flaute herrschen sollte?

Peters: Wir haben nicht nur im Investmentbanking investiert. Wir bauen einen großen Bereich mit hochkarätigen Spezialisten für Anlagestrategie und Vermögensverwaltung auf, haben ein Topteam an Volkswirten zusammengestellt. Zurück zu Ihrer Frage: Auch 2008 und 2011, als die Kurse stark gesunken sind, haben wir gute Ergebnisse erzielt. 2011 haben wir sogar die Belegschaft um rund 130 Personen aufgestockt. Sollten wir in schwieriges Fahrwasser gelangen, würde es zunächst genügen, eine Investitionspause einzulegen. 2014 werden wir nach bisheriger Planung aber weitere 80 Stellen schaffen.

Aktiengesellschaften haben einen Aufsichtsrat, Berenberg hat nur einen Verwaltungsrat, der zweimal im Jahr tagt. Wird die Arbeit der persönlich haftenden Gesellschafter wirksam überwacht?

Peters: Es liegt in unserem eigenen Interesse, uns durch externen Sachverstand abzusichern. An der Kompetenz fehlt es im Verwaltungsrat nicht. Der Vorsitzende war Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Deutschland, der Risikoüberwachungsausschuss wird vom BayernLB-Vorstandsvorsitzenden Johannes-Jörg Riegler geleitet.

Mit Hendrik Riehmer, ebenfalls persönlich haftender Gesellschafter, haben Sie der Nord/LB 21 Prozent an Berenberg abgekauft und den Kaufpreis von 73 Millionen Euro mit Krediten finanziert. Sind Sie damit nicht auf hohe Gewinnausschüttungen angewiesen, was vielleicht nicht den langfristigen Interessen anderer Gesellschafter entspricht?

Peters: Die Zahlen zeigen, dass wir das Unternehmen nicht mit kurzfristiger Orientierung steuern. Seit dem Anteilskauf 2010 haben wir etwa 300 Stellen neu geschaffen. Das hätten wir nicht getan, wenn es darum gegangen wäre, möglichst viel Geld aus der Bank zu ziehen. Außerdem sind in diesem Zeitraum die Bruttoerträge erheblich schneller gestiegen als die Jahresüberschüsse, eben weil wir in die Bank investiert haben. Und ganz nebenbei: Während der Finanzkrise haben Politiker eine stärkere Haftung von Bankvorständen gefordert. Wir Berenberg-PHGs haften mit allem, was wir haben.

Stimmt es, dass Berenberg Kunden mit einem Anlagevermögen unterhalb von einer Million Euro per Brief mitgeteilt hat, dass man sie nicht länger betreuen wird?

Peters: Die regulatorischen Anforderungen gerade in der Anlageberatung – etwa in Form der Beratungsprotokolle – haben so stark zugenommen, dass mehrere Wettbewerber dieses Geschäft zuletzt aufgegeben haben und nur noch Vermögensberatung anbieten. Weil der Aufwand so stark zugenommen hat, haben wir uns nach 20 Jahren entschlossen, die Schwelle für das betreute Vermögen von 500.000 Euro auf eine Million Euro hochzusetzen, wobei das nur eine Richtgröße ist. Wir haben uns daher von einer zweistelligen Zahl von Kunden getrennt, viele davon unterhielten ohnehin seit längerer Zeit keine aktive Geschäftsbeziehung. Aktive Kunden in der Vermögensverwaltung, in der der Aufwand deutlich geringer ist, betreuen wir jedoch weiter – eine partnerschaftliche Geschäftsbeziehung muss immer für beide Seiten Sinn machen.

Welche Anlagestrategien haben Sie für Ihre Kunden in der Niedrigzinsphase?

Peters: Für die meisten unserer Kunden im Private-Banking steht der Kapitalerhalt im Vordergrund, und daher spielen Staatsanleihen erstklassiger Bonität weiter eine wichtige Rolle. Daneben raten wir zu einer Aktienquote von 40 Prozent. Abgerundet wird das Portfolio durch einen kleineren Private-Equity-Anteil, also Investments in nicht börsennotierte Unternehmen, sowie durch Immobilien in allerbesten Lagen deutscher Metropolen. Zwar sind hier die Preise deutlich gestiegen. Aber bei Immobilien in Hamburger Toplagen haben wir noch nie Probleme gesehen.