Hamburg. Wer im Sommer der Hitze entfliehen will, geht auf „Coolcation“. Entwickelt sich Urlaub in kühleren Ländern tatsächlich zum Reisetrend?
- Urlaub verbinden viele Menschen mit warmen Temperaturen, Palmen, Strand, Mittelmeer
- Doch was ist, wenn die Temperaturen in der Mittelmeerregion zu heiß werden?
- Neue kühlere Trend-Reiseländer boomen inzwischen. Aber was sagen Reiseanbieter wie TUI zur Entwicklung?
Mittlerweile wird ein Hitzerekord nach dem anderen auf der Welt gemessen. Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland – besonders in beliebten Ländern im Süden von Europa sind die Folgen des Klimawandels inzwischen deutlich spürbar: Mitunter wochenlange Hitzewellen wie derzeit in Italien sorgen für Temperaturen jenseits der 40-Grad-Marke. Urlaub wird so für viele Menschen zur Herausforderung.
Statt nach Südeuropa geht die Reise für viele inzwischen in deutlich kühlere Regionen wie etwa in skandinavische Länder wie Schweden oder Norwegen. Dieser vermeintliche Umschwung nennt sich „Coolcation“, ein Begriff, der sich aus „cool“ (dt: kühl) und „vacation“ (dt: Urlaub) zusammensetzt. Aber etabliert sich „Coolcation“ wirklich zum Reisetrend?
Urlaub: Beliebte Reiseziele sind kühler
Eine „Coolcation“ ist ein Urlaub in Regionen und Ländern, die die 25-Grad-Marke im Sommer selten bis gar nicht überschreiten. Deshalb ist damit vor allem ein Urlaub in Nordeuropa gemeint, weil die Temperaturen dort meist niedriger sind als im Süden.
Auch wenn die traditionell beliebten Reiseziele weiterhin Rekorde an Buchungszahlen verzeichnen, verändere sich der Urlaub und erfordere die Orientierung an der lokalen Bevölkerung, wie zum Beispiel einer Siesta am Mittag, so der Tourismusforscher Jürgen Schmude gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.
Bei einer „Coolcation“ geht das aber noch viel weiter: Hier geht es darum, die Natur zu genießen und aktiv zu sein. Zwar bieten die Destinationen gleichermaßen viele Orte zum Schwimmen und Baden – einen gleichen Stellenwert beziehen aber auch Aktivitäten wie Wanderungen, Surfen, Radtouren, Kajak- oder Kanufahren oder Gletschertouren.
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Urlaubsgeschäft in Norwegen, Schweden und Co. boomt
Naheliegende Ziele für eine Coolcation sind beispielsweise Norwegen, Schweden, Finnland, Island und Dänemark. Offiziellen Wetterdaten zufolge überschritt keines dieser Länder zwischen 1991 und 2020 die 22-Grad-Marke. Spüren deutsche Reiseanbieter jetzt also einen Boom für diese Urlaubsländer?
TUI ist der größte Reiseanbieter Deutschlands und bedient derzeit rund 19,1 Millionen Reisende. Es zeichnet sich eine wachsende Beliebtheit in Richtung skandinavischer Reiseziele ab, wie Aage Dünhaupt, Pressesprecher des Unternehmens, auf Anfrage unserer Redaktion erklärt. Der Reiseanbieter sehe besonders für Norwegen, Finnland, Island und skandinavische Städte wie Reykjavik und Stockholm einen Aufwärtstrend.
Das deckt sich mit Zahlen aus anderen Ländern: Wie die Tourismusorganisation Visit Danmark mitteilte, gab es im vergangenen Jahr 6,25 Millionen Ferienhaus-Übernahchtug von Gästen aus Deutschland. Das ist ein Anstieg von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
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Urlaub: Nicht nur Skandinavien ist beliebt
Auch in Lappland nahe dem Polarkreis kommen immer mehr Reisende an. Allein in der Regionalhauptstadt Rovaniemi wurde ein Anstieg von 29 Prozent an Buchungen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. „Der Trend der Coolcation ist hier klar zu spüren“, sagt die Tourismusbeauftragte Sanna Karkkainen. „Das ging schon vor ein paar Jahren los, aber mit den heißen Sommern in Süd- und Mitteleuropa hat es sich noch verstärkt.“
Länder und Orte, wie Kanada, Tirol oder im Süden entlang der Atlantikküste und der Bretagne, sind gleichermaßen beliebt, wie das ZDF berichtet. In Südtirol, der Seenlandschaft Oberitaliens und dem übrigen Alpenvorland liegt der Durchschnitt laut Angaben des Wetterkontors bei rund 25 Grad. Gleichermaßen ist in Urlaubsorten an der Nordsee, wie zum Beispiel an der Küste der Niederlande ein milderes Klima trotz heißer Tage zu verspüren. Auch die Kreuzfahrt auf Nordsee und Ostsee seien beim TUI-Publikum beliebter, verrät Sprecher Dünhaupt.
Diese Länder eignen sich für eine „Coolcation“:
- Norwegen
- Schweden
- Finnland
- Island
- Dänemark
- Lappland
- Kanada
- Tirol
- Oberitalien
- Nordseeküste der Niederlande
Urlaub mal anders: Wird sich Coolcation als Reisetrend durchsetzen?
Eine Studie des Europäischen Parlaments zeigt, dass sich der Tourismus aufgrund des Klimawandels verändert. Während die nördlichen Länder einen Zuwachs verzeichnen, müssen die südlichen zukünftig mit Rückgängen rechnen, so das Ergebnis. Auch das Resultat der Deutschen Tourismusanalyse stützt diesen Punkt: Hier landete Skandinavien erstmals auf Platz drei der beliebtesten europäischen Reiseziele.
Tourismusforscher Schmude sieht dagegen keinen Trend in diese Richtung. Das Tourismusverhalten verschiebe sich aber auch nur sehr langsam, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Das deckt sich mit den Beobachtungen von TUI: Das Unternehmen verzeichne zwar hohe Wachstumsraten für die skandinavischen Ziele, was aber nichts an der Präferenz der Top-Reiseziele im Süden ändere. „Erste Wahl bleibt Mallorca, dicht gefolgt von Antalya, und Kreta. Die Türkei verzeichnet aktuell besonders hohe Zuwächse im Vergleich zum Vorjahr – auch Spanien und Griechenland liegen deutlich im Plus“, so Dünhaupt.
Dennoch: 2023 stieg die Zahl der Übernachtungen von Urlaubenden aus dem Ausland in Norwegen um 22 Prozent und in Schweden um elf Prozent, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Eine Umfrage des Tourismusverbands Visit Sweden in Deutschland ergab zudem, dass ein Drittel der Befragten ihre Reisegewohnheiten ändern wollen – aufgrund des immer heißer werdenden Wetters im Süden Europas. Die Tendenz gehe dabei in Richtung kühlerer Jahreszeiten und alternativen Urlaubsdestinationen. Ob sich der Trend weiter so entwickeln wird, bleibt vorerst abzuwarten.
Sorge vor Übertourismus
Wie die „Tagesschau“ berichtet, mache sich Schweden den Begriff bereits zunutze. Hier wird offensiv mit „Coolcation“ geworben. „Es geht darum, an Orte zu reisen, die nicht nur kühler, sondern auch weniger überlaufen sind“, sagt Susanne Andersson von Visit Sweden. Die Ausflucht zu ruhigeren Orten, Naturnähe und der Wunsch nach Abkühlung könnte aber auch einen gegenteiligen Effekt haben: Experten und Anwohner äußern immer häufiger die Sorge, dass sich der Übertourismus nun von Süden nach Norden verschiebt.
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„Unsere Hauptsorge ist, dass zu viele Leute zur gleichen Zeit kommen“, so Jan Ove Tryggestad. Er kommt aus dem norwegischen Dorf Hyllesylt, das im Winter gerade mal 300 Bewohnende zählt – und erst jüngst von einem Kreuzfahrtschiff mit rund 6.000 Reisenden und 2.000 Besatzungsmitgliedern angesteuert wurde. „Natürlich ist das so etwas wie ein Kulturschock, wenn plötzlich quasi die Bewohner einer ganzen Kleinstadt an Land gehen“, schildert Tryggestad. „Aber wir passen uns an.“