Berlin. Die Weihnachtsmarktsaison ist in vollem Gange. Doch viele Besucher unterschätzen, welche gesundheitlichen Gefahren dort lauern.

Er duftet nach Zimt, Kardamom und Orange, wärmt kalte Hände auf dem Weihnachtsmarkt und gehört für viele Deutsche untrennbar zur Adventszeit: der Glühwein. Ob klassisch rot oder weiß, mit einem Schuss Amaretto oder Rum, verfeinert mit hochprozentigen Rumtopffrüchten oder als alkoholfreie Variante – Glühwein gibt es in unzähligen Varianten und für jeden Geschmack. Laut Bundesverband Wein und Spirituosen International e.V. werden in Deutschland rund 50 Millionen Liter Glühwein pro Jahr getrunken. Das entspricht etwa einer Flasche pro Kopf.

Doch so genussvoll das Glühweinritual beim Weihnachtsmarktbummel auch sein mag – die Auswirkungen auf den Körper und die Gesundheit sind nicht zu unterschätzen. Warum, das erklären Ernährungswissenschaftlerin Ursula Pabst und Ernährungsmediziner Matthias Riedl.

Ernährungswissenschaftlerin: „Kombination von Alkohol und Zucker wird unterschätzt“

Denn in klassischem Glühwein stecken laut der Expertin gleich zwei problematische Zutaten: Alkohol und Zucker. Ein 200-Milliliter-Glas Glühwein enthält durchschnittlich 20 bis 30 Gramm Zucker. Je nach Rezept kann es auch deutlich mehr sein. Zum Vergleich: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt maximal 50 Gramm Zucker pro Tag. Seit 2024 rät die DGE zudem, auf alkoholische Getränke zu verzichten.

„Dass Alkohol und Zucker den Körper belasten, ist natürlich nichts Neues“, sagt Pabst. „Doch die Kombination der beiden wird häufig unterschätzt.“ Der süße Geschmack lasse oft vergessen, dass man gerade ein alkoholhaltiges Getränk zu sich nehme. Hinzu kommt, dass der wärmende Glühwein oft schnell und in größeren Mengen getrunken wird. Das beschleunigt die Aufnahme des Alkohols zusätzlich. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) fördert Zucker in Kombination mit Alkohol außerdem die Entstehung von Entzündungen im Körper und begünstigt langfristig Gewichtszunahme und Stoffwechselprobleme.

Mythos vom verdunsteten Alkohol: Warum Glühwein stärker bleibt als gedacht

Dass kaum Alkohol im Glühwein enthalten sei, weil der durch die Hitze längst verdampft sei, ist übrigens ein Mythos. „Das Erhitzen von Glühwein beeinflusst die Menge des Alkohols nur minimal, da Alkohol erst bei etwa 78 °C zu verdampfen beginnt. Glühwein wird aber meist nur bis circa 70 °C erhitzt, sodass der Alkohol weitgehend erhalten bleibt“, erklärt Pabst. Außerdem würde sich der Alkohol nur dann verflüchtigen, wenn der Glühwein durchgehend ohne Deckel erhitzt wird.

Ist es also eine gute Idee, Glühwein einfach stärker zu erhitzen, um den Alkoholgehalt zu reduzieren? Ernährungsmediziner Matthias Riedl rät davon unbedingt ab: „Glühwein sollte nicht heißer als 80 °C sein, da sonst 5-Hydroxymethylfurfural, ein Abbauprodukt von Zucker, entsteht, das laut einigen Studien krebserregend sein könnte.“ Außerdem werde Alkohol durch die Wärme auch schneller aufgenommen, da der Magen-Darm-Trakt besser durchblutet wird.

Was ist mit Punsch, Met oder Feuerzangenbowle?

Dasselbe gilt natürlich auch für andere alkoholische Heißgetränke. „Glühwein, Met, Punsch oder Feuerzangenbowle sind durch die Mischung von Alkohol und Zucker grundsätzlich ähnlich problematisch“, so Ernährungswissenschaftlerin Ursula Pabst. Der einzige Unterschied liege in den Zuckermengen.

In Punsch oder Feuerzangenbowle sind oft Fruchtsirupe enthalten, die den Zuckergehalt zusätzlich nach oben treiben. Glühwein liegt beim Zuckergehalt laut Pabst im Mittelfeld, meist etwas unter Punsch und Feuerzangenbowle, aber über dem von Met. Letztlich entscheidet aber immer die Menge: „Genießen Sie lieber eine Tasse von Ihrem Lieblingspunsch, als ohne Genuss ein ‚kleineres Übel‘ zu konsumieren“, rät Pabst.

Alkoholfreier Glühwein: Bio-Varianten und ein Blick auf die Zutatenliste empfehlenswert

Eine Möglichkeit, zumindest auf Alkohol zu verzichten, sind alkoholfreier Glühwein oder Kinderpunsch. Diese enthalten jedoch meist viel Zucker. „Erfahrungsgemäß ist es hier sinnvoll, auf hochwertige Zutaten zu achten und lieber zur Bio-Variante zu greifen. Hier werden oft Tees und Fruchtsäfte verwendet und nicht nur klebrige Sirupe“, so Pabst. Wer sich unsicher ist, sollte direkt am Stand nachfragen oder einen Blick auf die Zutatenliste werfen. Je weiter vorn Zucker als Zutat steht, desto mehr ist davon enthalten.

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Folge 59: Dr. Riedl: So übersteht man den Advent und die Weihnachtszeit gesund

Dr. Matthias Riedl - So geht gesunde Ernährung

Zwischen Glühwein und Langos: Clever schlemmen auf dem Weihnachtsmarkt

Doch neben Glühwein gibt es auf dem Weihnachtsmarkt noch viele andere Leckereien, die gesundheitlich eher problematisch sind. Wer die Belastung für den Körper möglichst gering halten will, sollte laut der Ernährungsexpertin darauf achten, auf Lebensmittel mit viel Zucker, Fett oder „leeren Kalorien“ zu verzichten. „Dazu gehören zum Beispiel Langos, kandierte Früchte, Nutella-Crêpes, Waffeln oder Bratwurstbrötchen“, so Pabst.

Aus gesundheitlicher Sicht die bessere Wahl seien beispielsweise Maroni. Die liefern viele Ballaststoffe und kaum Fett. „Auch eine Ofenkartoffel ist in Ordnung, wenn man ein günstiges Topping wählt. Selbst dem Raclette-Brot kann ich etwas abgewinnen, sofern es zumindest mit ein wenig Gemüse kombiniert wird.“ Man sollte es dann aber als ganze Mahlzeit einplanen.

Um auf dem Weihnachtsmarkt nicht über die Stränge zu schlagen, empfiehlt Pabst, nicht besonders hungrig oder durstig dort anzukommen. „Eine Gemüsesuppe vorher wärmt von innen und liefert schon mal Flüssigkeit und Nährstoffe, die eine gute Grundlage für das Essen am Weihnachtsmarkt sein können. Auch Bewegung hilft, den Blutzuckerspiegel im Lot zu halten.“ Konkret heißt das: Statt nur vor den Buden zu stehen, beispielsweise lieber einen kleinen Spaziergang einbauen oder den Heimweg zu Fuß antreten, um Kreislauf und Verdauung in Schwung zu bringen.

Ursula Pabst
Ursula Pabst ist eine österreichische Ernährungswissenschaftlerin. Nach ihrem Studium der Ernährungswissenschaften an der Universität Wien von 1999 bis 2006 eröffnete sie 2008 ihre eigene Praxis für Ernährungsberatung. © Foster Media | Foster Media

Ernährungsexpertin: „Genuss darf und soll sein“

Bei allen guten Vorsätzen für die Gesundheit sollte man aber auch nicht zu dogmatisch sein. „Bewusstes Genießen gehört zur Weihnachtszeit einfach dazu. Genuss darf und soll sein“, betont Pabst. Das habe aber nichts mit Quantität zu tun: „Muss man alle Punschsorten an einem Tag probieren? Muss man auf dem Weihnachtsmarkt alles probieren? Lieber eine hochwertige Leckerei auswählen und bewusst genießen, als unkontrolliert zu naschen und sich hinterher ärgern.“