Berlin. Weihnachten birgt viel Konfliktpotenzial für Beziehungen. Eine Expertin verrät einfache Tipps, wie Paare ohne Streit durch das Fest kommen.
Die Weihnachtszeit gilt als Inbegriff von Freude, Harmonie und des Zusammenseins. Doch nicht für alle Paare ist diese Zeit so besinnlich wie sie scheint. Eine Analyse von Facebook-Statusupdates der Forscher David McCandless und Lee Byron zeigt: Die Tage vor Weihnachten gehören zu den Spitzenreitern bei Trennungen.
Warum scheitern so viele Beziehungen in der vermeintlich harmonischsten Zeit des Jahres? Die Berliner Paartherapeutin und systemische Coachin Louisa Scheel weiß: Die Antwort liegt in uns selbst – genauer gesagt, in unseren Bindungsstilen.
Die Bindungstheorie: Wie frühkindliche Erfahrungen unsere Beziehungen prägen
Denn ob in Beziehungen Nähe und Geborgenheit gesucht oder Distanz gewahrt wird, ob Harmonie gelingt oder Konflikte eskalieren – hinter all diesen Dynamiken stecken meist tief verwurzelte Verhaltensmuster, die ihre Wurzeln in der Kindheit haben.
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Dazu gehört auch der sogenannte Bindungsstil. „Ein Bindungsstil beschreibt, wie Menschen in Beziehungen Nähe und Sicherheit suchen oder vermeiden – geprägt durch frühe Erfahrungen mit Bezugspersonen“, erklärt Psychologin Scheel. Das heißt: Unsere frühesten Beziehungen – meist zu den Eltern – prägen nicht nur, wie sich spätere Partnerschaften anfühlen, sondern auch, was wir von ihnen erwarten.
Die drei Bindungstypen und ihr Einfluss auf die Weihnachtszeit
Diese Bindungsmuster sind auch im Alltag immer präsent – doch in der Weihnachtszeit werden sie besonders spürbar. „In stressigen Zeiten wie Weihnachten wird der Bindungsstil oft verstärkt aktiviert“, erklärt Scheel.
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Denn die Feiertage sind eine Zeit, in der Konflikte besonders leicht eskalieren können. Scheel sieht darin aber nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance. „Ein genauer Blick auf die Bindungsstile kann helfen, die Ursachen für Spannungen besser zu verstehen – und die Feiertage harmonischer zu gestalten“, sagt sie.
1. Der sichere Bindungstyp
Menschen mit einem sicheren Bindungsstil sind der Fels in der Brandung jeder Beziehung. Laut der Bindungstheorie liegt der Schlüssel in ihrer Kindheit: „Sicher gebundene Menschen haben verlässliche Fürsorge erfahren, wodurch ihr Bedürfnis nach Nähe und Autonomie meist ausgeglichen ist“, sagt Scheel.
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„Partner mit sicherem Bindungsverhalten gehen offener mit den Herausforderungen der Feiertage um“, erklärt die Psychologin weiter. „Sie kommunizieren klar, unterstützen sich gegenseitig und suchen gemeinsam nach Lösungen, statt Konflikte eskalieren zu lassen.“
2. Der vermeidende Bindungstyp
Menschen, die unsicher-vermeidend gebunden sind, haben in ihrer Kindheit häufig emotionale Distanz erfahren. Meist fehlte es ihnen an Nähe und Geborgenheit und ihr Bedürfnis nach Körperkontakt wurde wenig oder gar nicht befriedigt.
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Gerade die Weihnachtszeit mit ihren hohen Erwartungen und dem Wunsch nach Nähe stellt für vermeidende Partner eine besondere Herausforderung dar. „Der Druck kann sie überfordern“, sagt Scheel, „sie fühlen sich eingeengt und reagieren meist mit Rückzug oder passivem Widerstand“ – Verhaltensweisen, die vom Partner oft als Ablehnung missverstanden werden.
3. Der ängstliche Bindungstyp
Auch hinter dem ängstlichen Beziehungstyp verbirgt sich eine unsichere Bindung. „Diese Menschen hatten oft unberechenbare und unzuverlässige Bezugspersonen“, erklärt Scheel. „Ihnen fehlte ein ,sicherer Hafen‘, in dem sie verlässlich Liebe und Schutz erfahren konnten.“
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Dieses emotionale Grundgerüst prägt sie bis ins Erwachsenenalter. Ängstlich gebundene Partner sehnen sich laut Scheel oft stark nach Bestätigung und Harmonie, um sich sicher zu fühlen. Enttäuschungen in der Weihnachtszeit seien daher oft die Folge hoher Erwartungen, die nicht erfüllt werden. „Bleibt die gewünschte Aufmerksamkeit aus, entsteht bei ängstlichen Partnern schnell das Gefühl, zurückgewiesen oder vernachlässigt zu werden“, erläutert Scheel.
Weihnachten ohne Streit: Wie Paare ihre Bindungsdynamik besser verstehen und gestalten können
Paartherapeutin Scheel rät daher, die Weihnachtszeit nicht nur als Zeit der Geschenke und des Feierns zu sehen, sondern auch als Chance, die eigene Beziehungsdynamik besser zu verstehen – vor allem dann, wenn alte Muster die Harmonie des Paares stören.
1. Bindungsmuster erkennen
Selbsterkenntnis ist laut Scheel der erste Schritt zu einer harmonischeren Beziehung. „Paare sollten sich bewusst machen, wie ihre Bindungsstile ihre Beziehung beeinflussen.“ Zudem betont Scheel: „Ein gemeinsames Verständnis schafft Empathie und reduziert Schuldzuweisungen.“
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Ein hilfreiches Instrument zur Selbstreflexion kann ein Beziehungstagebuch oder Journaling sein. Dabei sollten wiederkehrende Muster und Emotionen notiert werden. Auch gezielte Fragen können helfen, sich selbst und den Partner besser zu verstehen:
- Welche Situationen lösen bei mir Stress oder Unsicherheit aus?
- Reagiere ich bei Streit eher mit Rückzug, oder suche ich übermäßige Nähe?
- Fällt es mir schwer, meinem Herzensmenschen Freiräume zu lassen?
2. An Veränderung arbeiten
Erkenntnis sei der erste Schritt, doch echte Veränderung erfordert Handeln. Sobald Paare ihre Bindungsmuster erkannt haben, stellt sich die Frage: Wie können sie in herausfordernden Momenten bewusst anders reagieren? „Vermeidende Partner sollten kleine Schritte in Richtung Nähe und Verbindung wagen“, rät Scheel. Das können kurze Gespräche, eine liebevolle Berührung oder ein einfaches Kompliment sein. Diese kleinen Gesten helfen, Vertrauen aufzubauen – ohne das Gefühl der Überforderung.
Ängstlich gebundene Partner haben oft das Bedürfnis, Nähe sofort und intensiv zu suchen – gerade in Momenten der Unsicherheit. Doch Scheel empfiehlt: „Tief durchatmen, bevor man den Partner direkt anspricht, vor allem, wenn dieser signalisiert, dass er Ruhe braucht.“
3. Offen über Bedürfnisse sprechen
Auf die Reflexion folgt der Dialog: Wenn Paare ihre eigenen Bedürfnisse und Muster besser verstanden haben, geht es laut Paartherapeutin im nächsten Schritt darum, diese Erkenntnisse mit dem Partner zu teilen. Gerade in der emotional aufgeladenen Weihnachtszeit sei eine offene Kommunikation entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsam Lösungen zu finden. Scheel betont: „Beide Partner sollten frühzeitig über ihre Erwartungen an die Feiertage sprechen und Bedürfnisse offen formulieren.“ Denn unausgesprochene Wünsche führen oft zu Enttäuschungen oder Konflikten.
Wünsche mit konkreten Beispielen zu verknüpfen, erleichtere es, Bedürfnisse ohne Vorwürfe zu äußern, sagt Scheel. Diese könnten zum Beispiel lauten: „Ich brauche nach dem Essen Zeit für mich“ oder „Mir ist wichtig, dass wir den Abend gemeinsam ausklingen lassen“.
4. Rituale und Auszeiten schaffen
Neben den Tipps zum Erkennen und Verändern von Bindungsmustern empfiehlt die Paartherapeutin Rituale als wertvolles Werkzeug gegen den Festtagsstress. „Rituale schaffen Sicherheit“, erklärt sie. „Ob gemeinsames Dekorieren, Plätzchenbacken oder ein festliches Weihnachtsfrühstück – solche Traditionen geben Struktur und sorgen für Verlässlichkeit.“
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Genauso wichtig: bewusste Auszeiten. „Pausen, ob allein oder gemeinsam, helfen, Reizüberflutungen zu vermeiden“, weiß Scheel. Sich zwischendurch zurückzuziehen – etwa für einen Spaziergang, einen Moment der Stille oder einfach Zeit für sich selbst – könne Wunder wirken.
5. Wunsch nach Perfektion ablegen
Ein weiterer wichtiger Punkt ist laut Scheel das Loslassen vom Perfektionsdruck. Die Vorstellung vom perfekten Fest mit perfekt geschmücktem Baum, exquisitem Essen und idealer Familienharmonie setzte Paare unter Druck, der schnell in Enttäuschung umschlage. Die Paartherapeutin rät deshalb: „Konzentrieren Sie sich darauf, die gemeinsamen Momente zu genießen, statt einer idealisierten Vorstellung von Weihnachten nachzujagen.“
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Was an Weihnachten wirklich zählt, sind schließlich nicht die perfekten Bilderbuchmomente, sondern Momente der Nähe, der Ruhe und, wie Scheel beobachtet, des gemeinsamen Wachstums: „Durch gegenseitige Rücksichtnahme, offene Gespräche und bewusste Entscheidungen können Paare ihre Bindungsdynamik positiv gestalten“, fasst die Paartherapeutin zusammen.