Berlin. Zu Weihnachten bringen die Verwandten mal wieder unangebrachte Kommentare? Wie man diese geschickt abmoderiert, erklärt eine Expertin.

Alle Jahre wieder … die gleiche Situation. Die Familie sitzt am Weihnachtstisch, es gibt Rotkohl und Klöße, alles ist wenigstens ein bisschen besinnlich. Und plötzlich sagt diese eine Tante zu einem: „Du hast aber auch ein kleines Bäuchlein bekommen.“ Oder: „Du musst mal ordentlich essen, du siehst ganz blass aus.“ Unangenehme Kommentare von Verwandten hat wahrscheinlich jeder schon mal zu hören bekommen. Kurz stockt einem der Atem, Wut und Scham krabbeln in einem hoch – wie am besten reagieren?

„Das Problem ist, dass wir uns häufig besonders von der eigenen Familie sehr getriggert fühlen, weil es sich meistens um eine enge Beziehung handelt – da kommen eine Menge Emotionen zusammen“, sagt Elisa Franz, Rhetorik- und Kommunikationstrainerin. Doch man könne Schlagfertigkeit und den Umgang mit solchen spitzen Anmerkungen lernen, sodass einem nicht bei jedem Spruch die Kinnleiste herunterklappe.

Schlagfertigkeit an Weihnachten: Warum schnelles Kontern nicht immer hilft

Kommt jemand mit einer provokanten Äußerung um die Ecke, empfiehlt Franz, erstmal kurz durchzuatmen und nicht vorschnell zu reagieren. Das mag erstmal überraschend klingen – Schlagfertigkeit wird im Allgemeinen eher mit schnellem Kontern assoziiert. Die Expertin erklärt: „Schlagfertigkeit bedeutet nicht immer, direkt aus dem Affekt heraus etwas zu entgegnen, sondern sich nicht mitreißen zu lassen und souverän zu bleiben.“ Gerade an Weihnachten empfiehlt Franz, bedacht vorzugehen: „In der Regel ist die Familie an Weihnachten ohnehin emotionaler, es fließt häufig Alkohol – das Risiko ist insgesamt größer, dass Gespräche schneller eskalieren.“

Rhetorik- und Kommunikationstrainerin Elisa Franz
Schlagfertigkeit können wir lernen, sagt Rhetorik- und Kommunikationstrainerin Elisa Franz. © privat | Jule Lauterbach

Um auf blöde Sprüche richtig zu reagieren, haben wir mehrere Optionen. Wir könnten erst einmal versuchen, das Gesagte zu ignorieren und nicht darauf einzugehen, sagt Franz. Das funktioniere besonders gut bei Aussagen, wie: „Früher haben wir das aber anders oder besser gemacht.“ Das könne man auch einfach so stehen lassen. Um sich aus negativen Emotionen herauszuholen, sei es ratsam, eine andere Tätigkeit vorzuschieben. Die Rhetoriktrainerin nennt ein Beispiel: „Ich könnte sagen, ich muss mal eben etwas aus der Küche oder aus dem Auto holen.“ So habe man die Möglichkeit, Luft zu holen und das Gespräch souverän zu beenden.

Natürlich solle man aber auch Grenzen setzen, wenn es einem zu viel wird. Schlagfertigkeit bedeute authentisch zu sein. Deshalb empfiehlt die Expertin, in sogenannten Ich-Botschaften zu sprechen und ehrlich zu reagieren: „Mir wird das gerade zu viel und ich merke, ich bin von deiner Äußerung verletzt oder überfordert.“ Darauf ließe sich schwer etwas entgegnen. Was auch immer gut funktioniere: Das Thema beim anderen lassen, indem man entgegne: „Okay, das ist deine Meinung.“

Expertin über Schlagfertigkeit: „Das Spiel müssen wir nicht mitspielen“

Sicherlich könne man auch selbst mit etwas Gemeinem zurückschießen – schließlich habe die andere Person vermutlich den Spruch gemacht, weil sie sich irgendeinen Befriedungsmoment davon erhofft habe. „Aber das Spiel müssen wir nicht mitspielen“, warnt Franz. Stattdessen hat die Expertin noch einen weiteren Tipp: „Bei Schlagfertigkeit geht es vor allem um den Überraschungsmoment beim Gegenüber. Den erzielen wir, wenn wir das Gesagte in etwas Positives umdeuten.“

Familie und Partner am Weihnachtstisch – droht Streit statt Harmonie?
Wer an Weihnachten ein doofen Spruch zu hören bekommt, sollte erstmal kurz innehalten. Auch das kann Teil von Schlagfertigkeit sein. © iStock | Gorodenkoff

Positives Umdeuten muss Franz zufolge nicht immer wahrheitsgetreu sein – Hauptsache, man verschlage der anderen Person erst einmal den Atem. Dafür nehme man das, was eigentlich als Beleidigung gesagt wurde, und macht es zu einem Kompliment. Die Rhetoriktrainerin gibt ein paar Beispiele, die für das Weihnachtsfest typisch sind:

  • Die Schwiegermutter mäkelt herum, es wäre irgendwas nicht so perfekt, wie früher bei ihr. Darauf kann man entgegen: „Wenn du damit ausdrücken willst, dass ich es ganz anders mache als früher, ja, genau das war meine Absicht.“
  • Die Oma kommentiert die Figur von einem. Ein positiver Konter könnte sein: „Wenn du damit meinst, dass ich mich tatsächlich gesund halte und nicht mehr direkt jede Erkältung mitnehme, dann ja danke dir.“ Oder: „Wenn du damit meinst, dass ich mir nicht mehr so den Kopf um Kalorien mache – dann ja, mir geht es viel besser!“

Training für den Weihnachtsabend: Rhetoriktrainerin mit wichtigen Tipps

Manchmal müsse man ein bisschen knobeln, bis man das Passende gefunden hat, was man entgegnen kann. Aus diesem Grund rät die Expertin dazu, schon vor dem Familientreffen mit einem kleinen Training zu beginnen. Dafür sollte man sich bereits früh Gedanken machen, wer dort anwesend sein wird. „Meistens wissen wir ja schon, wer die Unruhestifter sind und welche Killerphrasen sie äußern.“

Es sei hilfreich, sich die erwartbaren Sprüche einmal zu notieren. „Wenn ich die verschriftlicht habe, fühle ich mich nicht so geschockt, wenn sie dann wirklich fallen“, so Franz. Darüber hinaus sei das eine gute Möglichkeit, sich bereits vorab positive Umdeutungen zu überlegen und daneben zuschreiben.

Family having Thanksgiving dinner.
Wer gelassen in den Weihnachtsabend geht, wird laut Expertin auch schlagfertiger auf Sprüche reagieren können. © iStock | gilaxia

Wer sich alle möglichen Szenarien und Sprüche bereits notiert hat, könne sogar eine Art Bingo gestalten und so den Abend vielleicht etwas lockerer sehen: „Jetzt ist dieser Satz tatsächlich gefallen – mal sehen, welcher noch kommt.“ Manchmal helfe es, das Ganze für einen selbst mehr ins Humoristische zu drehen. „Dann können wir auch meistens gelassener und dadurch schlagfertiger auf alles reagieren“, sagt Franz.

Weihnachten mit dem Partner: Das können Paare vorbereiten, um Sprüchen zu entgehen

Wie sieht das jedoch aus, wenn miese Kommentare nicht gegen uns gerichtet sind, sondern gegen unseren Partner? Auch hier gilt: Vorbereitung ist das A und O. Franz sagt: „Paare können sich gemeinsame Strategien ausdenken. Es ist schön, als eingeschweißtes Team aufzutreten und sich gegenseitig zu retten.“ Paare könnten erwartbare Sprüche sammeln und sich überlegen, wie sie darauf reagieren wollen, wie sie die Aussagen positiv umdeuten könnten. Allerdings sollte man vorab klären, ob der Partner überhaupt gerettet werden will oder ob er das Gespräch selbst händeln möchte. „Nicht, dass das dann noch zum Streitpunkt wird, wenn sich der eine Partner dadurch bevormundet fühlt“, legt die Expertin nahe.

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Wenn wirklich Kommentare fallen, die einen oder den Partner getroffen haben, dann brauche es laut Franz ein klärendes Gespräch mit der Person darüber, was einen an ihrer Aussage verletzt hat. An den Feiertagen könne das jedoch oft überfordernd sein, da sich alle etwas überlastet und angespannt fühlten. „Ich empfehle in solchen Situationen, einfach im Nachhinein nochmal das Gespräch zu suchen – wenn es ruhiger ist.“ Vielleicht schaffe man es sogar, dass die Person beim nächsten Weihnachtsfest einfach mal nichts sagt, wenn sie weiß, wie ernst es einem ist.