Berlin. Wut, Schmerz, Trauer: Geht der Partner fremd, bricht oft eine Welt zusammen. Ein Paartherapeut nennt Strategien, die Betrogenen helfen.
- Untreue kann eine Beziehung erschüttern
- Vor allem die Betrogenen haben oft mit dem Vertrauensbruch zu kämpfen
- Was jetzt helfen kann, erklärt ein Paartherapeut
Wie bei vielen unerwarteten Herausforderungen im Leben zeigt sich das volle Ausmaß der Folgen oft erst, wenn sie bereits eingetreten sind – so auch bei Untreue. Geht der Partner oder die Partnerin fremd, kann dieser Vertrauensbruch das Selbstwertgefühl der Betrogenen tief erschüttern und sowohl ihre emotionale Gesundheit als auch ihre Beziehungen zu anderen Menschen nachhaltig beeinträchtigen.
Doch es gibt Hoffnung: Selbst der größte Schmerz nach einem Seitensprung kann überwunden werden, sagt ein Paartherapeut. Durch seinen Arbeitsalltag weiß er, wie Betroffene ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen und wieder lernen können, anderen zu vertrauen.
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Psychologische Folgen der Untreue für den Betrogenen
Hintergrund: Das Wissen um einen Seitensprung löst oft bei den Betrogenen eine Welle heftiger Gefühle aus. Oft überwältigen Wut, Schmerz, Schuldgefühle und zerstörtes Vertrauen die Betroffenen. Der Berliner Paartherapeut und Kolumnist Clemens von Saldern erklärt diese emotionale Achterbahnfahrt damit, dass ein Seitensprung in den meisten Fällen völlig unerwartet kommt. „Wir suchen in unseren Beziehungen Sicherheit durch Vertrauen und Berechenbarkeit. Wird dieses Vertrauen erschüttert, fühlen wir uns ausgeliefert und hilflos, was häufig zu Angst und einem Gefühl des Kontrollverlusts führt“, so von Saldern.
Ein Seitensprung hinterlässt aber nicht nur emotionale Wunden, sondern kratzt auch tief am Selbstwertgefühl der Betroffenen. „Wenn das Fundament der Beziehung zerbricht, gerät auch das eigene Selbstbild ins Wanken“, erklärt der Paartherapeut und fügt hinzu: „Betroffene neigen nach einem Seitensprung dazu, sich selbst abzuwerten.“ Gedanken wie „Wenn mein Partner sich eine andere sucht, bin ich offenbar nicht interessant genug“ werden dann zur quälenden inneren Überzeugung. Hinzu kämen nach außen gerichtete Fragen und Vergleiche: „Was hat der andere, was ich nicht habe?“ Diese Selbstzweifel und die eigene Abwertung verstärken laut dem Experten den emotionalen Schmerz zusätzlich.
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Fremdgehen kann Depressionen und Traumata auslösen
Einige Betrogene entwickeln als Folge der negativen Erfahrungen auch depressive Symptome. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Paare, die von Untreue betroffen sind, häufiger an Depressionen leiden als Paare, die keine derartigen Erfahrungen gemacht haben.
Bei anderen sind die Emotionen so stark, dass sie sich buchstäblich ins Gedächtnis einbrennen. Der amerikanische Psychologe Dennis Ortman spricht in solchen Fällen von einer „Post-Infidelity Stress Disorder“. Diese ähnelt einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), bei der die Betroffenen unter Albträumen, Flashbacks und ständiger Angst leiden.
Der Paartherapeut Clemens von Saldern bestätigt, dass viele Menschen nach einem Seitensprung Symptome einer PTBS entwickeln. „Oft haben die Betroffenen unerwünschte Bilder im Kopf, die sie nicht mehr loswerden. Sie sehen ihren Partner immer wieder in einer intimen Situation mit einer anderen Person, begleitet von dem schmerzhaften Gefühl, ausgeschlossen zu sein – als ob der Partner und die Geliebte sich in einem Raum amüsieren, während sie selbst draußen vor der Tür stehen und nicht ,mitspielen‘ dürfen“, erklärt er.
Aber nicht alle Menschen erleben Untreue als traumatisch. Der Paartherapeut betont, dass die Schwere der psychischen Folgen stark davon abhänge, wie die Betroffenen den Betrug einordnen: Ist der Seitensprung eine Katastrophe oder eine Herausforderung? Ein Ende oder ein Wendepunkt? „Die individuelle Bewertung kann entscheidend dafür sein, ob der Seitensprung als traumatisches Ereignis oder als Chance zur Veränderung wahrgenommen wird“, sagt von Saldern.
Seitensprung: Wie er die Beziehungen der Betrogenen nachhaltig schädigt
Egal wie, führt ein Seitensprung fast immer zunächst zu einem tiefen Vertrauensverlust, der weitreichende Folgen für zukünftige Beziehungen haben kann. „Vertrauen bedeutet, sich darauf verlassen zu können, dass der Partner sich an gemeinsame Absprachen hält und einen nicht verletzt. Fremdgehen zerstört diese Basis“, erklärt Paartherapeut Clemens von Saldern.
Er beobachtet, dass viele Betrogene nach einem Seitensprung beginnen, das Verhalten ihres Partners kritisch zu hinterfragen und zu kontrollieren. Das kann so weit gehen, dass private Gegenstände durchsucht, Taschen kontrolliert, Anruflisten überprüft oder E-Mails durchforstet werden. Diese Unsicherheit und das Misstrauen könnten sich auch auf zukünftige Beziehungen übertragen und zu Vorsicht und Zurückhaltung führen. „Das ist ein natürlicher Schutzmechanismus“, sagt von Saldern. „Menschen, die einmal verletzt wurden, versuchen, zukünftige Situationen zu vermeiden, die ähnliches Leid verursachen könnten.“
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Untreue kann Körper und Seele schädigen
Klar ist also: Ein Seitensprung kann tiefe seelische Wunden hinterlassen. Wissenschaftler der Universität von Nevada in Reno wollten dieser Erfahrung aber nicht nur psychologisch auf den Grund gehen, sondern auch untersuchen, was Fremdgehen körperlich mit Menschen macht. Sie fanden heraus, dass Menschen, die betrogen wurden, häufiger zu Risikoverhalten wie ungeschütztem Geschlechtsverkehr, Drogenkonsum oder extremen Essgewohnheiten neigen als Menschen ohne solche negativen Erfahrungen. Vor allem Frauen neigten dazu, sich selbst die Schuld an der Untreue zu geben und sich deshalb riskanter zu verhalten. Die Forscher vermuten, dass dies daran liegt, dass Frauen ihr Selbstbild oft stärker über ihre Beziehung definieren.
Paartherapeut von Saldern sieht die Auswirkungen der Untreue eher in einer nach innen gerichteten Reaktion. „Statt nach außen nach riskantem Verhalten zu suchen, ziehen sich viele Betrogene in sich selbst zurück.“ Der Experte beobachtet, dass die unterdrückten Emotionen und Frustrationen bei den Betroffenen häufig zu körperlichen Symptomen wie Herzrhythmusstörungen, Schweißausbrüchen und vor allem Schlaflosigkeit führen. „Wenn jemand tiefen Groll empfindet, am liebsten schreien oder Dinge zerschlagen würde, dies aber nicht ausleben kann, staut sich diese Energie im Inneren. Diese unterdrückten Gefühle können sich schließlich auf andere Weise Bahn brechen, zum Beispiel durch Schlafstörungen“, erklärt von Saldern.
Tipps für Betroffene: Umgang mit dem Seitensprung oder der Affäre
„Viele Betrogene neigen dazu, ihre negativen Gefühle zu verdrängen oder den Partner zwanghaft zu kontrollieren, um weiteren Verletzungen vorzubeugen“, beobachtet der Paartherapeut. Doch diese „Detektivarbeit“ bringe keine Heilung, warnt er. Stattdessen rät von Saldern, sich auf das zu konzentrieren, was man selbst kontrollieren kann: das eigene Verhalten und die Selbstfürsorge. Gegen die erwähnten Schlafstörungen könne zum Beispiel Wutarbeit helfen. „Das bedeutet, die Wut zuzulassen, aber auf eine Art und Weise, die niemandem schadet – zum Beispiel beim Boxtraining, beim Schreien im Auto oder beim gedanklichen Ausleben von Fantasien, die Erleichterung bringen können“, erklärt von Saldern.
Ein weiterer wichtiger Schritt zur Heilung sei es, die Ursachen der Untreue zu verstehen. „Ein Seitensprung findet selten in einer glücklichen und erfüllten Partnerschaft statt“, betont der Therapeut. „Es kann hilfreich sein, auch über die eigenen Anteile an der Beziehung nachzudenken.“ Dabei gehe es nicht darum, sich die Schuld für den Seitensprung zu geben, sondern darum, das Erlebte zu verarbeiten und aus dem Schwarz-Weiß-Denken auszubrechen. „Ich freue mich immer, wenn mir Klienten sagen, dass sie ihren Partner teilweise verstehen können. Das zeugt von einem hohen Maß an Reflexion und Fairness, denn in den meisten Fällen sind beide Partner in irgendeiner Weise an der Untreue beteiligt – wenn auch mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“, so von Saldern.
Um Vertrauen wieder aufzubauen, rät Clemens von Saldern, sich von der Illusion des 100-prozentigen Vertrauens zu verabschieden. „Absolutes Vertrauen ist eine Illusion. Ein gewisser Restzweifel wird immer bleiben“, erklärt er. Stattdessen sollten die Betroffenen den Mut aufbringen, Vertrauen schrittweise und sukzessive wieder aufzubauen – möglicherweise auch durch gezielte vertrauensbildende Maßnahmen wie Bestätigung und Zuneigung durch die Person, die untreu geworden ist.
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Abschließend betont von Saldern, wie wichtig es ist, am eigenen Selbstvertrauen zu arbeiten – sei es durch Bücher, Seminare oder die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst. „Es ist unsere ureigene Aufgabe, ein stabiles inneres Fundament zu schaffen, damit uns ein Partner nicht so leicht aus der Bahn werfen kann. Je besser wir wissen, wer wir sind, desto besser können wir mit uns umgehen und die richtigen Entscheidungen treffen“, erklärt er. Und er fügt hinzu: „Wenn wir an unserem Selbstvertrauen arbeiten, können wir möglicherweise sogar auch auflachen, wenn unser Partner uns betrügt, und sagen: ‚Viel Spaß, wenn Du mit diesem Menschen glücklich werden willst. Jemanden wie mich findest Du so schnell nicht wieder!‘ Selbstvertrauen wirkt immer attraktiv.“