Der Weg für das Jahrhundertbauwerk zwischen Puttgarden und Rødby ist frei. Doch die Fragezeichen auch hinter den ökologischen Folgen bleiben.

Kiel/Kopenhagen. Dänemark und Deutschland besiegeln heute ein Jahrhundertprojekt. Um 11.30 Uhr unterzeichnen die dänische Verkehrsministerin Carina Christensen (Konservative) und ihr deutscher Kollege Wolfgang Tiefensee (SPD) in Kopenhagen den Staatsvertrag über eine feste Querung des Fehmarnbelts. Die geplante Superbrücke, sie wäre mit knapp 20 Kilometern die längste Europas, soll ab 2011 gebaut und 2018 eröffnet werden. Hinter dem ehrgeizigen wie umstrittenen Sechs-Milliarden-Vorhaben stehen allerdings noch einige Fragezeichen, sodass der historische Brückenschlag von Skandinavien nach Mitteleuropa sich verzögern oder sogar scheitern könnte.

Geboren wurde die Idee, den rund 19 Kilometer breiten Belt zwischen den Inseln Lolland und Fehmarn zu überbrücken, schon in den 60er-Jahren. Die vielen Machbarkeitsstudien, die ab 1992 folgten, kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass sich das Mega-Projekt angesichts des Mini-Verkehrsaufkommens für Deutschland kaum rechnen würde. Derzeit setzen die vier Doppelendfähren der Reederei Scandlines auf der Vogelfluglinie (Puttgarden-Rødby) täglich etwa 5000 Autos und 1000 Lastwagen über. Das sind nicht mehr als auf mancher Ortsumgehungsstraße in Deutschland.

Für den Durchbruch in der jahrelangen Hängepartie um die Querung sorgte schließlich Dänemark. Das kleine Königreich bot im Sommer 2007 überraschend an, die 4,3 Milliarden Euro teure Brücke samt Hinterlandanbindung (gut 800 Millionen) auf eigene Rechnung zu planen, zu bauen und zu betreiben. Die Offerte erklärt sich nicht nur daraus, dass Dänemark dank eines Wirtschaftsbooms seit Jahren gut bei Kasse ist.

Das Königreich hat bereits zwei ähnliche Verkehrsprojekte realisiert: 1998 wurde der Große Belt (Fünen-Seeland) überbrückt und 2000 dann der Öresund (Seeland-Schweden). "Die beiden Vorhaben sind sehr erfolgreich", berichtet der Projektleiter der vorläufigen dänischen Fehmarnbelt-Gesellschaft, Tom Allersted. Über die Beltbrücke führen heute täglich 35 000 Autos und damit fast sechsmal so viele wie einst auf den Fähren. Noch rentabler ist demnach die Brücke nach Schweden, über die es in Dänemark zunächst hitzige Debatten gegeben hatte. "Da fahren jetzt jedes Jahr sieben Millionen Autos rüber", erzählt Allersted. Das seien knapp 20 000 Fahrzeuge täglich und damit auch dort weit mehr als erhofft.

Entsprechend optimistisch sind die dänischen Prognosen für den Fehmarnbelt. In zehn Jahren, zur Eröffnung der Brücke, sollen bereits 10 000 Fahrzeuge täglich die Mautstellen passieren. Die Brückengebühr soll wie bei den anderen Projekten etwas niedriger sein als der Fährpreis. Er liegt zurzeit bei 63 Euro (einfache Fahrt für ein Fahrzeug). In Dänemark ist man denn auch zuversichtlich, dass sich die Brücke schon in etwa 25 Jahren rechnet.

Der Staatsvertrag war - anders als im Königreich erwartet - gleichwohl kein Selbstgänger. Dass sich die Verhandlungen über mehr als ein Jahr hinzogen, hat auch bundespolitische Gründe.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Tiefensee konnten sich nur langsam mit dem Projekt anfreunden. Die Kanzlerin (Wahlkreis Stralsund) und der Minister (Beauftragter für die neuen Bundesländer) fürchten bis heute, dass eine Superbrücke Verkehrs- und Warenströme aus Mecklenburg-Vorpommern abziehen könnte, insbesondere aus teuer ausgebauten Fährhäfen wie etwa Rostock.

Deutschland bekommt die Querung zudem nicht zum Nulltarif. Im Staatsvertrag verpflichtet sich der Bund, die Hinterlandanbindungen insbesondere auf Fehmarn auszubauen. So soll die E 47 von Heiligenhafen bis Puttgarden (20 Kilometer) bis 2018 von zwei auf vier Fahrspuren verbreitert werden.

Parallel dazu muss die Bahn ihre Strecke Bad Schwartau-Puttgarden elektrifizieren und mittelfristig ein zweites Gleis legen. Die Gesamtkosten des Ausbaus betragen rund 840 Millionen Euro, von denen das Land Schleswig-Holstein 60 Millionen übernimmt. Diesen Betrag hatte Ex-Landeswirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) einst zugesagt, als die gesamte Beltquerung an den Ausbau-Kosten auf Fehmarn zu scheitern drohte.

Auch ein weiterer Knackpunkt für die Querung wird im Staatsvertrag aus dem Weg geräumt. Nach Informationen aus Berlin und Kopenhagen haben sich beide Länder darauf geeinigt, dass Dänemark bei dem brisanten Projekt strenge Öko-Standards einhält und teils sogar nach deutschem Umweltrecht baut. Die Details wollen Christensen und Tiefensee heute vorstellen.

Klar ist, dass die Beltquerung mit dem Staatsvertrag noch nicht in trockenen Tüchern ist. Als Nächstes müssen die Parlamente beider Länder die Vereinbarung absegnen. Im Folketing wie im Bundestag zeichnen sich breite Mehrheiten für die Querung ab. Bis Sommer 2009 soll das Verfahren abgearbeitet sein. Für die EU wäre das ein wichtiges Signal. Brüssel will sich mit etwa 25 Prozent an den Baukosten beteiligen, um mit der Beltquerung eine Lücke im europäischen Verkehrsnetz zu schließen.

An der Spitze der vielen Kritiker des Projekts stehen deutsche Naturschutzverbände wie der Nabu. Er hat bereits angekündigt, die geplante Super-Brücke (Gesamtlänge 18 500 Meter) notfalls vor Gericht zu verhindern. Zum einen fürchten die Naturschützer, dass viele der rund 20 Millionen Wasservögel auf der Vogelfluglinie mit der bis zu 65 Meter hohen Brücke kollidieren. Zum anderen prophezeien sie Havarien. Die Brücke soll drei große Durchlässe (jeweils 724 Meter) für Schiffe haben, wäre aber gleichwohl ein Hindernis auf der Hauptroute durch die Ostsee. Auf ihr fahren jährlich 66 000 Schiffe, darunter zahlreiche Öltanker.

Widerstand gegen die "Wahnsinnsbrücke" kommt ebenso von der Insel Fehmarn. Das Ferieneiland würde über Jahre zur Großbaustelle und mittelfristig Arbeitsplätze im Fährhafen einbüßen. Mit großer Sorge wird das Mega-Projekt aber auch in anderen Regionen verfolgt, etwa im Landesteil Schleswig von der dänischen Minderheit und ihrer Partei, dem SSW. Er lehnt eine Beltbrücke kategorisch ab, weil die Warenströme aus Mitteleuropa dann über Hamburg und Puttgarden nach Skandinavien fließen könnten. Verlierer wäre sowohl auf der Straße wie auf der Schiene die Jütland-Route über Flensburg.

Hamburg hingegen würde von einer Beltquerung profitieren. "Hamburg wird zu den großen Gewinnern zählen", war sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bereits vor einem Jahr sicher. Hauptgrund: Die Fahrzeit zwischen den Metropolen Hamburg und Kopenhagen verkürzt sich dank Brücke (18 Minuten) auf etwa dreieinhalb Stunden. Mit der Fähre ist man knapp ein Stunde länger unterwegs.

Auf der anderen Seite des Belts sieht man das ebenso: Das kleine, aber reiche Dänemark beschloss gestern den Ausbau seiner Hinterlandanbindungen für umgerechnet 940 Millionen Euro und stellte damit die Weichen dafür, dass die Welt- und Boomstädte Kopenhagen und Hamburg zusammenrücken.