G-8-Treffen in Schottland. Kanzler will sich für mehr Entwicklungshilfe einsetzen. Bush droht mit Nein zu Klima-Vertrag.

Gleneagles. Es gab Proteste, auch vereinzelte Ausschreitungen. Doch bis zum Abend hielten sie sich in Grenzen. Weitgehend ungestört trafen sich gestern die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen und Rußlands zu ihrem G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles bei Edinburgh.

Die Ausweitung der Afrika-Hilfe und der Klimaschutz stehen im Mittelpunkt der Tagesordnung des Gipfeltreffens. Vor allem beim Klimaschutz werden harte und kontroverse Verhandlungen erwartet. US-Präsident George W. Bush machte unmittelbar vor Beginn des Gipfels klar, wo die Konfliktlinie verläuft. Bush erklärte das Kyoto-Protokoll zur Reduzierung von Treibhausgasen kurzerhand für gescheitert: "Kyoto hat für die USA nicht funktioniert, und es hat offen gesagt auch für die Welt nicht funktioniert." Die USA haben es als einziger G-8-Staat nicht unterzeichnet.

In einem Entwurf für die Gipfelerklärung zum Klimawandel wird trotzdem auf Kyoto Bezug genommen. Allerdings würden die USA kein Dokument mittragen, in dem die Richtwerte aus dem Kyoto-Protokoll übernommen würden, hieß es.

Für eine Einigung über die Aufstockung der Afrika-Hilfe stehen die Chancen besser. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, er rechne fest damit, daß der geplante Schuldenerlaß für die 18 ärmsten Länder der Welt besiegelt werde. Auch mit Blick auf eine deutliche Erhöhung der Entwicklungshilfe zeigte sich Schröder zuversichtlich. Der britische Premier Tony Blair als Gastgeber will die Entwicklungshilfe bis 2010 auf 50 Milliarden Dollar verdoppeln. Die Finanzierung ist aber offen.

Gestern abend wurde das Gipfeltreffen mit einem Abendessen auf Einladung der britischen Königin Elizabeth II. offiziell eröffnet. Zuvor kam Schröder zu einem halbstündigen Gespräch mit den beiden Rockstars Bob Geldof und Bono zusammen. Geldof hatte die Live-8-Konzerte vom vergangenen Wochenende organisiert, und Bono war dabei mit seiner Band U2 im Londoner Hyde Park vor 200 000 Menschen aufgetreten.

Der Gipfel wurde wie auch in den vergangenen Jahren von Demonstrationen begleitet. Rund 4000 Friedens- und Umweltaktivisten demonstrierten friedlich mit Plakaten und Liedern. Sie kamen nur bis auf 500 Meter an den eigens für den Gipfel errichteten Stahlzaun um das Gelände des Luxushotels heran.

Nur eine kleine Gruppe Vermummter durchbrach am späten Nachmittag den Zaun und bewarf die dahinterstehenden Polizisten mit Steinen. Die schottische Polizei ließ in einem Hubschrauber ein Spezialeinsatzteam einfliegen, das die Demonstranten zurückdrängte. Etwa 100 Polizisten bewachen nun das Loch im Zaun.

Am Morgen hatten Demonstranten den Verkehr auf vielen wichtigen Straßen im Raum Edinburgh zum Erliegen gebracht. Sie bildeten Menschenketten und errichteten auch Barrikaden. Vermummte Randalierer lieferten sich vereinzelt Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac kam als einziger verspätet zum Gipfel. Ursache waren allerdings keine Demonstrationen, sondern der Einsatz Chiracs in Singapur, wo er noch am Morgen für Paris als Austragungsort der Olympischen Spiele 2012 geworben hatte - allerdings vergeblich. Nach fast zwölf Stunden Flug und acht Stunden Zeitverschiebung kam Chirac dann am Nachmittag in Gleneagles am Nachmittag an - und mußte dort Tony Blair gratulieren, weil der Zuschlag für Olympia an London ging. Blair war schon eher aus Singapur abgeflogen.