Heidenau. Kanzlerin spricht am Mittwoch mit Flüchtlingen, Sicherheitsleuten und Helfern. Begleitet wird Merkel von Sachsens Landeschef Tillich.
Lange wurde sie für ihre zögerliche Haltung kritisiert, jetzt wird Angela Merkel aktiv: Nach Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel besucht auch die Kanzlerin das von rassisitischen Übergriffen betroffene Flüchtlingsheim im sächsischen Heidenau.
In Absprache mit dem Bürgermeister des Ortes, Jürgen Opitz (CDU), spreche sie am Mittwochmittag mit Flüchtlingen sowie haupt- wie ehrenamtlichen Helfern und Sicherheitskräften, teilte das Bundespresseamt am Dienstag mit. Begleitet werde Merkel von Sachsens Ministerpräsident und Parteifreund Stanislaw Tillich. Anschließend fahre Merkel wie geplant nach Glashütte, wo sie mit Tillich den Manufakturneubau der Firma Lange Uhren GmbH einweihen werde.
Hashtag #merkelschweigt hatte Konjunktur
Vizekanzler Gabriel (SPD) war am Montag nach Heidenau gereist. Vor der dortigen in einem stillgelegten Baumarkt eingerichteten Erstaufnahme für Flüchtlinge war es am Wochenende zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und fremdenfeindlichen Randalierern gekommen.
Merkel wurde vorgeworfen, zu lange zu den Ausschreitungen von Rechtsextremisten und Rassisten geschwiegen zu haben. Im Kurznachrichtedienst Twitter hatte das Hashtag #merkelschweigt bereits Hochkonjunktur, bevor die Kanzlerin am Montag schließlich das Wort ergriff und die Vorkommnisse von Heidenau als "abstoßend" und "in keiner Weise akzeptabel" bezeichnete.
Lammert spricht von "Schande"
Derweil hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die fremdenfeindlichen Ausschreitungen als "Schande" bezeichnet. Sie seien "peinlich für unser Land", sagte der CDU-Politiker der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). Allerdings kämen auf jede fremdenfeindliche Aktion statistisch gesehen 20 ehrenamtliche Aktionen für Flüchtlinge.
Die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge sei zwar eine riesige Herausforderung. "Diese Herausforderung ist aber zu bewältigen, wenn wir es wollen", sagte Lammert. Er erinnerte daran, dass das weithin zerstörte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg 12 bis 15 Millionen Heimatvertriebene integriert habe.
Maas und Bosbach skeptisch wegen Schutzzonen
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zeigten sich unterdessen skeptisch angesichts einer Einrichtung von Schutzzonen für Asylunterkünfte überall in Deutschland. Maas sagte im ARD-Morgenmagazin: "Ich will nicht in einem Land leben, in dem per se jedes Flüchtlingsheim eine Bannmeile braucht, damit sich die Leute, die im Heim sind, auch sicher fühlen."
Dort, wo die Einrichtung solcher Schutzzonen wie im sächsischen Heidenau nötig sei, werde das geschehen. Bosbach sagte im SWR, Schutzzonen um Flüchtlingsunterkünfte seien für ihn nur eine "Notlösung". Jeder habe ein Recht darauf, ohne Angst - insbesondere vor Gewalt - in Deutschland leben zu können.
Zentralrat der Juden weiter für NPD-Verbot
Vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Ausschreitungen in Sachsen bekräftigte der Zentralrat der Juden seine Forderung nach einem Verbot der NPD. Präsident Josef Schuster zeigte sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" erschrocken über den Hass, der Flüchtlingen entgegenschlägt.
Nach den fremdenfeindlichen Krawallen am Wochenende versammelten sich am Montagabend im sächsischen Heidenau rund 200 Menschen zu einem ökumenischen Gebet. "Wir wollen mit Fremden, und wir wollen gut miteinander leben", sagte Pfarrerin Erdmute Gustke in der evangelischen Christuskirche. "Ich erwarte ein schnelleres und härteres Durchgreifen der Polizei gegenüber Gewalttätern." Der katholische Pfarrer Peter Opitz sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Christen sollten Gesicht zeigen, wenn Fremde angefeindet werden. In der Nacht zum Dienstag blieb es ruhig um die von der Polizei bewachte Flüchtlingsunterkunft.
Einwanderungsgesetz hat für CDU keine Priorität
Mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen sieht die CDU-Spitze in einem Einwanderungsgesetz offenbar keine Priorität mehr. "Angesichts der Flüchtlingsfrage ist das nicht gerade das erste Problem", beschreiben CDU-Präsidiumskreise die jüngste Ansage der Vorsitzenden Angela Merkel, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hielt der Kanzlerin daraufhin Führungslosigkeit und Untätigkeit vor.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer verlangte von Bund und Ländern beim Asylgipfel im September harte Beschlüsse zur Eindämmung des Flüchtlingsproblems. Asylanträge von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen müssten künftig "per Schnellverfahren" abgeschlossen werden, sagte er der "Bild"-Zeitung. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte die Länder dazu auf, mehr Lehrkräfte für Flüchtlingskinder einzustellen.