Lübeck. Etwa 1800 Gegner des Außenministertreffens in Lübeck marschieren begleitet von der Polizei durch die Hansestadt.
Das Gipfeltreffen der G7-Außenminister in Lübeck startete am Dienstag mit dem Versuch, die große Weltpolitik verständlich zu machen. Frank-Walter Steinmeier (SPD), der deutsche Außenminister, nahm sich knapp anderthalb Stunden Zeit, um mit 120 Schülern aus der Hansestadt und aus umliegenden Orten zu debattieren. Währenddessen zogen demonstrierende G7-Gegner durch die Straßen der Stadt. Es waren deutlich weniger als erwartet. An einem Protestmarsch, den das Bündnis „Stop G7“ organisiert hatte, nahmen nach Angaben der Polizei etwa 1800 Menschen teil. Bis zum Abend gab es keine nennenswerten Zwischenfälle. Auch im Pressezentrum, der Musik- und Kongresshalle (MuK), wurden Erwartungen unterschritten. 700 Journalisten hatten sich angemeldet, nur rund 50 kamen.
Dabei war das Gespräch mit den Schülern durchaus erhellend – erhellender vielleicht als manche Pressekonferenz. Steinmeier, der von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini begleitet wurde, gab auf eine Schülerfrage hin ohne Umschweife zu, dass der Ukraine-Konflikt „für ihn nicht vorhersehbar“ gewesen sei.
Von einer Beilegung sei man weit entfernt. Erst am Vortag habe er mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und mit seinen Amtskollegen aus der Ukraine und aus Frankreich zusammengesessen. „Wenn ihr dabei gewesen wäret“, sagte Steinmeier den Schülern, „dann hättet ihr gesehen: Diplomatische Sprache ist manchmal alles andere als diplomatisch.“ In Wirklichkeit sei es „ein sehr kontroverser Austausch gewesen gestern Abend“.
Der G7-Gipfel in Lübeck
Im Zeiten von Facebook, in Zeiten schneller Internetkommunikation sei es manchmal schwer verständlich, warum in der Außenpolitik vieles sehr lange dauere, warum wieder und wieder miteinander gesprochen werden müsse – auch dann, wenn es keine Fortschritte gebe. Seine Erfahrung sei: „Man braucht nur 14 Tage, um einen Megakonflikt auszulösen – und man braucht dann 14 Jahre, um diesen Megakonflikt wieder aufzulösen.“
Die aus Italien stammende EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hielt einen flammenden Appell für die Europäische Union. Europa sei eine „Supermacht“, noch aber sei man sich dieser Macht zu wenig bewusst. Europa sei zugleich auch eine gefährdete, irrende Supermacht. Im Fall Griechenland habe man „Fehler gemacht“, gestand Mogherini ein. „Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für jedes EU-Mitgliedsland, das in Schwierigkeiten gerät“, sagte sie.
Griechenland steht nicht auf der Tagesordnung des Außenministertreffens, es wird um die Ukraine und den Iran gehen. Der Ukraine-Konflikt dürfte wichtigstes Gesprächsthema des informellen Abendessens auf Einladung Steinmeiers im Rathaus gewesen sein. Daran nahmen teil: Laurent Fabius (Frankreich), Philip Hammond (Großbritannien), Paolo Gentiloni (Italien), Fumio Kishida (Japan), Robert Nicholson (Kanada) und Federica Mogherini.
Zuvor hatten sie einen Empfang im Rathaus zu absolvieren. Dazu gehörte es auch, dem Auftritt des „Möwenschiet“-Shantychors zu lauschen, dessen Name dem Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe kurzerhand mit „Seagull-Shit“ übersetzte. Der Chor sang den amüsierten, manchmal wohl auch verunsicherten Gästen auch einen Song mit dem Titel „Alle Freunde an Bord“.
Vollständig war die Gipfelrunde allerdings nicht. Der US-Außenminister John Kerry wird erst am heutigen Mittwoch anreisen. Dann wollen die Politiker das für Juni geplante Gipfeltreffen der G7-Regierungschefs auf Schloss Elmau in Bayern vorbereiten. Zudem soll auf Wunsch von Steinmeier eine „Lübecker Erklärung“ zum Thema „Maritime Sicherheit“ verabschiedet werden. Martin Schäfer, der Sprecher des Auswärtigen Amtes, sagte: „90 Prozent des Welthandels, von dem Deutschland ja vielleicht wie keine andere Nation abhängt, erfolgen auf dem Seeweg, und drei Viertel davon erfolgen auf Routen und in Regionen, deren Lage man im Grunde als kritisch oder heikel einschätzen kann.“ Debattiert wird all dies ohne Russland. Seit der Annexion der Krim im vergangenen Jahr gilt der frühere G8-Teilnehmer als unerwünscht.
Ob die G7-Teilnehmer in Lübeck erwünscht waren, blieb am Dienstag unklar. Immerhin hatten sich einige Bürger vor dem Rathaus versammelt, um einen Blick auf die versammelten Außenminister zu erhaschen. Steinmeier trat für einen Moment zu ihnen heran und scherzte: „Ich versprechen Ihnen, dass die Belastungen durch G7-Gipfel weltweit gerecht verteilt werden.“ Und weiter: „Alles, was Sie heute sparen, weil Sie nicht einkaufen können, können Sie ja morgen ausgeben.“
Die Lübecker mögen unter den Absperrungen gelitten haben, unter geschlossenen Läden und dem ein oder anderen Stau. Autofahrer in ganz Schleswig-Holstein können dem G7-Auftrieb allerdings auch etwas Positives abgewinnen. Weil die Landespolizei ihr ganzes Personal zum Schutz der Minister aufgeboten hat, wird sie am Donnerstag nicht am bundesweiten Blitz-Marathon teilnehmen. G7 in Lübeck bedeutet also auch: blitzerfrei in Schleswig-Holstein.