Eintracht innen, Friede draußen: Eine jahrhundertealte Mahnung an das G7-Treffen in Lübeck

Auf der Feldseite des trutzigen Holstentores zu Lübeck findet sich die Inschrift „concordia domi foris pax“. Eintracht innen, Friede draußen – das war im Mittelalter ein frommer Wunsch, und er ist es auch heute noch.

Die Außenminister der G7-Staaten haben in Lübeck vor allem über die vielen blutigen Krisen der Welt zu beraten; ob in der Ukraine, in Syrien, dem Irak, im Jemen oder wo sich sonst blanke Machtgier an Unschuldigen austobt. Wer die prächtigen Bürgerhäuser Lübecks in Augenschein nimmt oder die Marienkirche, Mutter der norddeutschen Backsteingotik, ein Symbol für Macht und Wohlstand, der ahnt, dass die Stadt an der Trave gar kein unpassender Standort für das Treffen der Außenminister von sieben der mächtigsten Industrienationen ist. Immerhin war Lübeck einst die Königin der Hanse – und das war ein Zusammenschluss von fast 300 See- und Binnenstädten Nordeuropas. Damals wie heute ging und geht es um Handel, um Geld und um Politik.

1975 aus einem diplomatischen Kabinettstück erwachsen – nämlich dem Wunsch des deutschen Kanzlers Helmut Schmidt und des französischen Präsidenten Giscard d’Estaing, in trauter Kaminrunde unbeschwert von den Fesseln des Protokolls politische Kernprobleme zu debattieren –, ist die zum monströsen Gipfeltheater aufgeblähte G7 ungeachtet aller Nachteile immer noch ein potenziell fruchtbares Forum. Wem das alles nicht passt, wem das zu elitär ist, kann gern friedlich dagegen demonstrieren. Nur möge er dann eine sinnvolle Alternative vorschlagen, wie die Mächtigen der Welt auf konstruktivere Weise beraten sollen.

Zentrale Bedeutung bekam Lübeck übrigens erst richtig durch den Handel mit dem russischen Nowgorod; im Frühjahr 2015 allerdings ist Russland wegen seiner Aggression in der Ukraine aus der G7 ausgesperrt.

Man kann darüber diskutieren, ob diese Maßnahme zielführend ist, um Russland zum Einlenken zu bringen. Klar ist: Man muss mit Moskau im ständigen Dialog bleiben. Als Partner in einer vertrauensvollen Kooperation hat sich das Putin-Regime allerdings gründlich disqualifiziert. Und betrachtet man die Liste der G7-Mitgliedstaaten – neben Deutschland sind dies Frankreich, Großbritannien, die USA, Kanada, Japan und Italien –, so ist augenfällig, dass es sich um pluralistische Demokratien handelt, nicht um „gelenkte“ wie in Moskau. Allerdings bildet die G7 nicht die reale Spitzengruppe der Industrienationen ab; es fehlen neben Russland auch Staaten wie China und Indien. Deutschland als Veranstalter einer solchen Konferenz ist in einer kuriosen Lage: Das Land ist ein wirtschaftlicher Riese und besitzt durch die faktische Führungsrolle in der Europäischen Union auch politisch erhebliches Gewicht. Ein Beweis dafür ist der Umstand, dass Deutschland neben den ständigen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrats an den Atomgesprächen mit dem Iran beteiligt ist.

Militärisch dagegen hat sich die Bundesrepublik verzwergt. Dass die von einst 3800 auf 225 Kampfpanzer geschrumpfte Streitmacht der Bundeswehr nun vor dem Hintergrund einer dramatisch veränderten europäischen Sicherheitslage auf gut 300 Einheiten verstärkt werden soll, ist weiße Salbe der Politik und angesichts der bis zu 12.000 russischen Panzer geradezu rührend. Deutschlands Rolle ist vor allem die eines ehrlichen Maklers – doch als eines der wichtigsten Länder Europas wird es sich darauf einstellen müssen, auch militärisch mehr Verantwortung zu übernehmen. Besorgte Nato-Partner wie Polen, Estland, Lettland und Litauen verlassen sich auf uns. „Concordia domi“ – zumindest in der westlichen Staatengemeinschaft sollte dies Gültigkeit besitzen.