Die Deutschen glauben, dass die Alternative für Deutschland nach rechts gerückt ist und bald verschwindet. Beim AfD-Parteitag sind die Personalquerelen und Pegida große Themen – und die Sicherheit.
Bremen/Hamburg. Es sind nur noch zwei Wochen bis zur Bürgerschaftswahl 2015 in Hamburg – und das Abschneiden der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) kann den neuen Senat entscheidend beeinflussen. Gleichzeitig trifft sich die AfD an diesem Dienstag zu ihrem Bundesparteitag in Bremen. Die innerparteilichen Streitereien nehmen zu, das Verhältnis zur islamfeindlichen Pegida-Bewegung treibt die Mitglieder und die Beobachter um. Und die Sicherheit rund um den Parteitag ist wegen angekündigter Proteste und Demonstrationen ebenfalls ein Thema.
Bei den Deutschen wachsen allerdings die Zweifel an einem langfristigen Erfolg der AfD. 69 Prozent der Befragten des ZDF-Politbarometers erwarten nicht, dass sich die AfD dauerhaft etablieren kann. Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September 2014 hatte dieser Wert nur bei 56 Prozent gelegen. In der Wahrnehmung der Befragten ist die AfD inzwischen nach rechts gerückt. Vor vier Monaten stuften 39 Prozent die Partei als „sehr rechts“ oder „rechts“ ein, jetzt teilen 49 Prozent diese Einschätzung. 70 Prozent der Befragten vermuten, dass die AfD vor allem gewählt wird, um anderen Parteien einen Denkzettel zu verpassen.
Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 15. Februar kann die AfD mit sechs Prozent der Wählerstimmen rechnen, hat Infratest dimap im Auftrag des NDR ermittelt.
Vor Beginn des AfD-Parteitages hat die Bremer Polizei mit ihren Schutzmaßnahmen begonnen. Einzelheiten nannte ein Sprecher am Freitag nicht. Am Abend (18 Uhr) startet die AfD ihr dreitägiges Treffen, das von einem Richtungsstreit an der Parteispitze begleitet wird. Die Polizei steht vor einer großen Herausforderung, weil sich die Veranstaltung wegen der vielen angemeldeter Mitglieder auf zwei Tagungsorte aufspalten muss. Neben dem Saal eines Hotels wurde auch ein Musical-Theater angemietet.
Für Sonnabend haben Gegner der AfD und der islamkritischen Pegida-Bewegung zu einem Demonstrationszug um die Innenstadt und einer Kundgebung vor dem Tagungshotel aufgerufen. Die Polizei rechnet mit mehreren Tausend Teilnehmern. „Wir gehen von einem friedlichen Verlauf aus“, sagte Polizeisprecher Dirk Siemering. Unterstützung erhält die Bremer Polizei nach Angaben von Einsatzleiter Stefan Kiprowski aus Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen sowie aus Bremerhaven. Auf Störer sei man vorbereitet.
In der AfD haben sich die Machtverhältnisse verschoben
Formal haben die drei Bundesvorstandsvorsitzenden Bernd Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam – den größten Einfluss auf den Kurs der Partei. Doch in den vergangenen Monaten haben sich die Machtverhältnisse leicht verschoben. Parteigründer Lucke, 52, ist immer noch der mächtigste Mann in der AfD. Es wird erwartet, dass der Co-Vorsitzende, der die AfD auch im Europaparlament vertritt, von Dezember an alleiniger Parteivorsitzender sein wird.
In der AfD-Führungsriege hat er einige Rivalen. Nach Ansicht von Politologen und Kennern der Partei ist Lucke das verbindende Glied zwischen dem rechten und dem liberalen Flügel der Partei. Wirtschafts-Professor Lucke ist fromm und konservativ. Die provinzielle Deutschtümelei, die man vor allem an der Basis in einigen östlichen Kreisverbänden findet, ist dem fünffachen Vater aber fremd.
Frauke Petry könnte Bernd Lucke bald herausfordern
Frauke Petry, 39, stand als Co-Vorsitzende im Bundesvorstand lange im Schatten von Lucke. Seitdem die AfD 2014 mit 9,7 Prozent in den sächsischen Landtag eingezogen ist, hat sie jedoch kontinuierlich an Einfluss gewonnen. Petry hat zwar auch zuletzt wieder betont, sie wolle bei der nächsten Wahl zum Bundesvorstand nicht gegen Lucke kandidieren. Langfristig trauen einige Parteifreunde der sächsischen AfD-Fraktionschefin aber schon zu, dass sie Lucke herausfordert. Petry ist mit einem evangelischen Pfarrer verheiratet und hat vier Kinder. Die Chemikerin findet, die Deutschen sollten mehr Kinder kriegen.
Für Alexander Gauland hat sich das Thema Pegida erledigt
Alexander Gauland, 73, gehört dem AfD-Bundesvorstand zwar nur als Stellvertreter an. Als Vorsitzender der AfD in Brandenburg hat er zuletzt aber immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Erst holte die AfD in Brandenburg mit 12,2 Prozent das bislang beste Landtagswahl-Ergebnis für die Partei. Dann zeigte Gauland mit einem viel beachteten Auftritt am Rande einer Pegida-Demonstration in Dresden, dass er weitere Ambitionen hat. Vor kurzem bezeichnete er Pegida noch als „natürlichen Verbündeten der AfD“. Jetzt hat Gauland einen harten Schwenk vollzogen: Mit dem Rückzug von Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel habe sich für ihn „das Thema Pegida erledigt“.
Markus Pretzell, 41, ist Jurist, ehemaliges FDP-Mitglied und Landesvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen. Der Vater von vier Kindern ist Mitglied des Europäischen Parlaments. Er sagt: „Politik war immer mein Hobby. Jetzt habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht“. In der Kontroverse um die Führungsstruktur der Partei stellte er sich gegen Lucke. Pretzell gibt sich gern locker. Sein Stil soll wohl auch jüngere Wählerschichten ansprechen.