Niels Annen: Deutschland muss Kurden panzerbrechende Waffen liefern. Parteispitze sieht „allergrößten Ausnahmefall“
Berlin/Hamburg. Trotz Bedenken des linken Flügels unterstützt die SPD die von der Bundesregierung geplanten Waffenlieferungen an die Kurden im Irak. Bei einer Klausurtagung der Parteispitze in Berlin verweigerte nur der Vizevorsitzende Ralf Stegner seine Zustimmung. Mit den Waffen sollen die Kurden aufgerüstet werden, um die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zurückzudrängen.
„Das ist kein Paradigmenwechsel und kein Tabubruch“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Priorität habe weiterhin die humanitäre Hilfe für die Kurden – nur ohne ein Zurückdrängen der IS bringe diese nichts. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: „Natürlich sind Waffenlieferungen in Spannungsgebiete nur in allergrößten Ausnahmefällen möglich. Wir sind hier in einer Sondersituation.“
Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen hält es angesichts des Vormarsches der IS-Terroristen für notwendig, der kurdischen Peschmerga-Miliz, die sich der IS entgegenstemmt, auch panzerbrechende Waffen zu liefern. „Ich bin und bleibe sehr skeptisch, was Waffenlieferungen anbelangt, und das Problem ist nicht rein militärisch zu lösen. Aber die Lage ist derart dramatisch, dass wir nicht den Luxus haben, noch lange darüber zu diskutieren“, sagte der Außenpolitiker dem Abendblatt. Annen war vor wenigen Tagen mit Steinmeier im Irak und sprach auch mit jesidischen Flüchtlingen, die auf der Flucht vor der IS alles verloren haben. Die Miliz, so Annen, setze eine furchtbare Terrorstrategie ein, wie sie einst der Mongolen-Herrscher Dschingis Khan verwendet habe: schnelle Vorstöße und entsetzliche Brutalität. Weil der – nun zurückgetretene – irakische Regierungschef Nuri al-Maliki die Sunniten systematisch ausgegrenzt habe, hätten sich gut ausgebildete Anhänger des 2003 gestürzten Despoten Saddam Hussein auf die Seite der IS geschlagen, darunter einige Generäle. Die IS besitze auch gepanzerte Fahrzeuge aus US-Produktion.
Die Kurden hingegen hätten in bewundernswerter Weise jeden Flüchtling aufgenommen – „aber irgendwann stoßen sie an ihre Grenzen. Sie brauchen unsere Hilfe“, so Annen. Die kampferprobte Peschmerga wisse, wie man panzerbrechende Waffen bedient.
SPD-Vize Stegner vertrat dagegen die Ansicht, eine militärische Lösung sei Sache der USA. Er habe die Sorge, „dass wir heute Waffen liefern, und morgen werden damit unschuldige Menschen erschossen“.