Ermittlerische Fantasie habe nicht ausgereicht, eine „solche furchtbare Tatserie zu denken und damit auch rechtzeitig aufklären zu können”.
Karlsruhe. Die Bundesanwaltschaft hat Versäumnisse der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Rechtsterrorismus eingeräumt. Vielleicht habe die Konzentration auf die Verhinderung islamistischer Anschläge dazu geführt, „die rechtsterroristische Gefahr zu unterschätzen“, sagte der stellvertretende Generalbundesanwalt, Rainer Griesbaum, am Mittwoch in Karlsruhe.
Mit Blick auf die Morde der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund erklärte er: „Die ermittlerische Fantasie hat nicht hingereicht, eine solche furchtbare Tatserie zu denken und damit auch rechtzeitig aufklären zu können.“
Generalbundesanwalt Harald Range forderte zusätzliche Kompetenzen für seine Behörde. Derzeit sei es für die Bundesanwaltschaft „nur sehr eingeschränkt möglich, die Ermittlungen selbst bei schwersten Verbrechen wie etwa Mord zu übernehmen, soweit sie nicht eindeutig einer terroristischen Vereinigung zuzurechnen sind“, sagte Range.
Außerdem sollte die Bundesanwaltschaft selbst schon im Vorfeld eines Verfahrens Tatsachen ermitteln dürfen, um zu klären, ob sie zuständig ist. „Wer die Bundesanwaltschaft als die zentrale Staatsanwaltschaft für die Verfolgung terroristischer Straftaten stärken will, wird hier ansetzen müssen“, sagte Range. Er betonte jedoch, dass die Bundesanwaltschaft bei der Mordserie des NSU in keinem Fall ihre Zuständigkeit falsch bewertet habe.
Im November hatte die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die einzige Überlebende der sogenannten Zwickauer Zelle, Beate Zschäpe, und vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Gruppe erhoben. Gegen acht weitere Verdächtige aus dem Umfeld werde noch ermittelt, sagte Griesbaum. Ob und wann in diesen Fällen mit Anklagen zu rechnen ist, sagte der Leiter der Abteilung Terrorismus nicht.
Griesbaum warnte davor, nun den islamistisch motivierten Terrorismus zu unterschätzen. So gebe es vermehrte Bemühungen von Organisationen wie Al-Kaida, „labile Einzelne“ über das Internet oder kurze Schulungen dazu zu bringen, auf eigene Faust – und oft ohne großen ideologischen Hintergrund – Anschläge zu begehen.
„Das Bedrohungspotenzial liegt im Zusammenspiel von globaler Ausbreitung der Ideologie des Al-Kaida-Netzwerks, der darauf aufbauenden Gewaltbereitschaft radikalisierter Muslime und konkreter Unterstützung bei der Umsetzung von Terrorakten“, sagte Griesbaum. Die Sicherheitsbehörden müssten lernen, „dass es keine Hauptgefahren einheitlicher Strömung mehr gibt, sondern allesamt gleich gefährliche Parallelgefahren“.