Kritik aus der CDU am Krisenmanagement des bayerischen Ministerpräsidenten. SDP und Grüne fordern lückenlose Aufklärung.
Berlin/München. Nichts wie weg, hieß es am Freitag für die CSU-Landtagsfraktion. Und zwar mit Lufthansa-Flug LH 2572, der um 13.40 Uhr in München startete. Ziel: Lissabon. Die Abgeordneten wollen sich in Portugal informieren, wie das Land die Euro-Krise meistert, lautet die offizielle Begründung für den Betriebsausflug. "Nach dem Shitstorm der vergangenen Woche", so ein Abgeordneter, sei das eine schöne Abwechslung in milderem Klima. Denn in Bayern mussten gerade zwei Stürme gleichzeitig abgewettert werden: Die Kehrtwende bei den Studiengebühren und die Affäre um den inzwischen beurlaubten Parteisprecher.
Bei Rotwein und melancholischen Fado-Klängen kann die Landtagsfraktion nun über bessere Zeiten nachdenken und sich von CSU-Chef Horst Seehofer, der am Sonntag dazustoßen will, erklären lassen, wie er die trübe Stimmung aufhellen will. Die Depression sei groß - auch weil sie durch "unnötige und vermeidbare Fehler" selbst verursacht wurde, heißt es.
Daheim weht den Christsozialen in der Tat ein strenger Wind ins Gesicht, auch aus dem eigenen Lager. Die Affäre um den geschassten CSU-Parteisprecher Hans Michael Strepp nach dessen angeblicher Einflussnahme auf die Berichterstattung des ZDF bringt nicht nur bei SPD und Grünen die Gemüter zur Wallung. Ausgesprochen ungehalten ist man auch in der CDU über die bayerische Schwester. Und das nicht nur hinter vorgehaltener Hand. "Die Einflussnahme - ob direkt oder indirekt - ist Tatsache, wenn Medienvertreter und Politik sich treffen. Der Fehltritt eines Einzelnen ist jetzt ein gefundenes Fressen für den politischen Gegner", sagte der medienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Börnsen der "Welt".
CSU-Parteisprecher Strepp hätte gleich zurücktreten sollen, "die lückenhaften Begründungsversuche für seine Intervention in der ,heute'-Redaktion des ZDF waren völlig unnötig", formuliert Börnsen mit unverkennbarer Zielrichtung auf das Krisenmanagement von CSU-Chef Seehofer. Der hatte zunächst seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt mit der Aufklärung von Strepps Intervention beauftragt; in der vergeblichen Hoffnung, damit Ruhe in die Sache zu bringen. Das Gegenteil aber war der Fall.
Nun gerät auch Dobrindt als möglicher Auftraggeber von Strepps Aktion in die Kritik nicht nur von Grünen und SPD. Die forderten am Freitag von ihm die Aufgabe seines Sitzes im ZDF-Fernsehrat. Der Aufklärer soll dort sich gleichsam selbst aufklären. Das findet man auch in der CDU wenig überzeugend. "Wenn CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt als Mitglied des ZDF-Fernsehrates seine eigene Verstrickung in die Intervention von Herrn Strepp aufklären soll, so wie Horst Seehofer das jetzt fordert, ist Dobrindt natürlich befangen", sagt Börnsen. Eine Erklärung vor dem ZDF-Fernsehrat stehe ihm natürlich zu, mehr aber wohl nicht.
Und so ist die Angelegenheit für den CSU-General und auch seinen Parteichef lange nicht ausgestanden, zumal die Alleintäter-These in Zweifel steht. Alle in der Partei, die Strepp kennen, rätseln, wie ihm dieser gravierende Fehler unterlaufen konnte. Der 44-Jährige, der schon drei Parteivorsitzenden gedient hatte, gilt als Medienprofi.
Denn am vergangenen Wochenende hatte die CSU einen Parteitag inszeniert, wie es für sie besser nicht sein könnte. Es war eine "Wohlfühlveranstaltung", denn die Meinungsumfragen verheißen der CSU inzwischen schon wieder die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im September 2013.
Genüsslich malt die Opposition das Bild der machtbesessenen Christsozialen - und versucht aus dem Fall Strepp einen Fall Seehofer und Dobrindt zu machen. Der Parteichef hatte sich im Landtag der Debatte gestellt. Aber Dobrindt, der sonst fast alles kommentiert, ist zurzeit eher schweigsam. Nur zwei schriftliche Erklärungen gab es zur Strepp-Demission. Jetzt ein Interview im "Münchner Merkur", seiner Heimatzeitung, in dem er sich für nicht verantwortlich erklärt: Er selbst habe erst im Nachhinein von dem Anruf erfahren: "Ich hätte einen solchen Anruf auch nicht geduldet und ihn untersagt, wenn ich die Gelegenheit dazu gehabt hätte."
Aber erst als Seehofer die Sache endlich selbst in die Hand nahm, wurde sie schnell geregelt und Strepp ging. Dobrindts Zurückhaltung kommt in der CSU-Fraktion nicht gut an. Es glaubt zwar niemand, dass er Strepp direkt angewiesen habe, beim ZDF zu intervenieren. Aber Dobrindt wird vorgeworfen, dass er nicht sensibel genug auf den Vorfall reagiert.
Wie der Generalsekretär generell seine Rolle ausfüllt, ist in der Partei nicht unumstritten: "Wenn er gleich mit Strepp gehen würde, wäre das kein Schaden", lästert ein Abgeordneter im Maximilianeum.
Einen deutlich schwereren Stand hat der Generalsekretär in der Berliner Landesgruppe der CSU. Mit Schrecken erinnert man sich dort an Äußerungen des Generals, als er EZB-Chef Mario Draghi als "Falschmünzer" bezeichnete. Und wie er gegen Griechenland loszog, als die Kanzlerin schon längst für Geduld mit den Griechen warb.
Auch die schnelle Wortmeldung Dobrindts zu Nebeneinkünften von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kam nicht gut an. Gerade die CSU-Parlamentarier sind vorne mit dabei, wenn es um Nebeneinnahmen geht. Aber bei aller Kritik am Generalsekretär glauben selbst seine Gegner nicht, dass er stürzt. Es wäre zu riskant, ein knappes Jahr vor den Bundes- und Landtagswahlen den gut eingearbeiteten General zu ersetzen. "Seehofer wird die Sache klein halten wollen und Dobrindt halten", sagt ein Kenner der CSU-Landesleitung. Die CSU spielt auf Zeit.