Im Norden stammt fast jeder zweite Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien. Innenminister wollen Zulauf eindämmen – Grüne kritisieren das.
Nürnberg/Kiel. Die Zahl der Asylbewerber nimmt voraussichtlich weiter zu, weil vor allem mehr Menschen aus Balkanstaaten nach Deutschland kommen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwartet für die nächsten Monate einen Zugang von jeweils etwa 9000. Dies geht aus einem Schreiben der Behörde hervor. Im September hatten bei dem Amt in Nürnberg 6691 Menschen Asylanträge gestellt. Gut ein Drittel davon kam aus Serbien und Mazedonien. In Schleswig-Holstein hatten beide Länder sogar einen Anteil von 45 Prozent; 20 Prozent kamen aus Afghanistan.
Die jüngste Entwicklung hat eine neue politische Diskussion über den Umgang mit den Bewerbern aus den Balkanländern ausgelöst. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will Asylbewerbern aus sicheren Staaten wie Serbien und Mazedonien Zahlungen kürzen. Asylverfahren sollen beschleunigt und unberechtigte Bewerber zügig heimgeschickt werden. Zudem soll die Visumfreiheit beider Balkanländer fallen.
Auch die Innenminister der norddeutschen Länder mit Andreas Breitner (SPD) aus Kiel fordern, die Visumfreiheit auszusetzen. Die Grünen und der Flüchtlingsbeauftragte kritisierten das. „Die jetzt geplante Einschränkung des Asylrechts für Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien ist für uns Grüne nicht akzeptabel“, sagte Grünen-Landeschefin Marlene Löhr. „In der jetzigen Situation einen Rückzieher im Asylrecht zu machen, ist unverantwortlich“, rügte Löhr. „Statt Gerüchte über Asylmissbrauch zu streuen, sollten sich die deutschen Landesregierungen lieber für eine Verbesserung der Situation von Roma und Sinti in den Heimatländern einsetzen und für ein faires Asylverfahren in Deutschland sorgen“, meinte Grünen-Europa-Expertin Luise Amtsberg.
Der Norden nahm in den ersten neun Monaten des Jahres insgesamt 1443 Asylbewerber auf und damit laut Innenministerium 43 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die 275 Neuaufnahmen im September waren die höchste Zahl in diesem Monat in den vergangenen 10 Jahren. Zum Stichtag 30. Juni lebten in Schleswig-Holstein 2270 Asylbewerber, die Leistungen empfangen. Ein Jahr zuvor waren es 1729. Asylbewerber haben Anspruch auf bestimmte Leistungen für Essen, Unterkunft, Kleidung oder Gesundheitsversorgung. Sie werden gewährt als Sachleistungen, Gutscheine oder Bargeld.
Schleswig-Holsteins Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt warnte angesichts der Innenminister-Pläne vor einer „Lex Roma“. Bei den meisten Asylbewerbern aus den Balkanländern handelt es sich um Roma. Die individuelle Situation jedes Einzelnen müsse geprüft werden, sagte Schmidt. Es könne nicht pauschal ganzen Bevölkerungsgruppen abgesprochen werden, Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Roma werden in Serbien und Mazedonien umfassend diskriminiert, sagte Schmidt.
Er rief den Kieler Innenminister auf, nicht „auf dem Rücken der in Europa am meisten diskriminierten Minderheit“ den guten Ruf Schleswig- Holsteins in der Flüchtlingspolitik zu verspielen. Breitner verteidigte die von den Innenministern der Nord-Länder geforderten Schritte: „Diese Maßnahmen dienen gerade dazu, das Grundrecht auf Asyl zu stärken, indem man es vor Missbrauch schützt“.