In mehr als 40 Jahren Politik hat er hohe Posten übernommen. Er wurde als Nachfolger von Kohl gehandelt und auch als Bundespräsident.
Berlin. Wolfgang Schäuble ist mit seinem Werk zufrieden. „Wir sind – in aller Bescheidenheit – für viele europäische Staaten ein Vorbild“, sagte er bei der Einbringung des Haushalts 2013 im Bundestag. Die Schuldenbremse werde eingehalten, die Wirtschaftslage sei gut – der Bundesfinanzminister ist entspannt. Zwischenrufe lässt er mit dem Hinweis abperlen, er könne warten, bis sich die Opposition beruhigt habe. Wieder einmal beweist Schäuble einen langen Atem.
Heute wird Schäuble 70. In seinen mehr als 40 Jahren in der Politik hat er viele hohe Posten übernommen. Doch gehandelt wurde er immer wieder für noch höhere Aufgaben. Nachfolger von Bundeskanzler Helmut Kohl könne er werden, hieß es in den 90er-Jahren. Sowohl 2004 als auch 2010 wurde er in der Union als möglicher Kandidat für das Bundespräsidentenamt gehandelt. Zuletzt war er im Sommer 2012 für den Eurogruppen-Vorsitz im Gespräch. Doch jedes Mal fiel die Wahl auf jemand anderen.
Die „ehrenvolle Zumutung“ des Bundesfinanzministeriums
So oft, wie ihm höhere Ämter vorhergesagt wurde, so oft schien Schäubles Karriere allerdings auch vorbei zu sein. Am 12. Oktober 1990 wurde der damalige Bundesinnenminister Opfer eines Attentats. Schüsse verletzten sein Rückenmark, er ist seither auf den Rollstuhl angewiesen. Doch schon eineinhalb Monate später nahm Schäuble die Arbeit wieder auf und wirkte weiter maßgeblich an der deutschen Wiedervereinigung mit.
Ausgebremst wurde er einige Jahre später von der CDU-Spendenaffäre. Über den bis heute ungeklärten Streit mit Ex-CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister um die Übergabemodalitäten einer 100.000-Mark-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber verlor Schäuble im Februar 2000 seine Jobs als Partei- und Fraktionschef. Ein Comeback war schwer vorstellbar.
Es gelang ihm mit Angela Merkel. Die Kanzlerin berief ihn 2005 zum Innen- und 2009 zum Finanzminister – das Amt bezeichnet er einmal als „ehrenvolle Zumutung“. Gebeten habe ihn Merkel, sein Wunsch sei es nicht gewesen, sagt er. Die Darstellung ist typisch für Schäuble. Er gibt sich gern als loyaler Helfer derer, die über ihm stehen.
Kein Gnade für die schlecht Informierten
Dementsprechend stürzte er sich nach der Amtsübernahme mit Vollgas in die Arbeit. Schulden abbauen, den Haushalt konsolidieren, das ist seither sein Mantra. Und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene. Die schwierige Lage in der Eurozone beansprucht einen großen Teil seiner Zeit.
Das Thema passt. Schäuble, der eher holpriges Englisch, aber sehr gut französisch spricht, gilt als Europäer durch und durch. Dass er im Jahr 2010 wegen Gesundheitsproblemen bei wichtigen europäischen Verhandlungen über Euro-Rettungsschirm und Griechenland-Hilfe fehlte, frustrierte ihn. Rücktrittsgerüchte machten die Runde.
Doch Schäuble ist längst wieder fit und spricht gerade, wenn es um Europa geht, mit großem Engagement. Der Mann aus Baden ist hier wie bei allen anderen Themen stets hervorragend vorbereitet und erwartet das auch von allen anderen Beteiligten. In lockerer Atmosphäre kann er durchaus charmant und witzig sein. Doch wenn ein Journalist oder Mitarbeiter in Schäubles Gegenwart Unwissen zeigt oder Fehler macht, ist mindestens eine spitze Bemerkung fällig.
An Erfahrung nicht zu überbieten
Und der Minister belässt es nicht bei der reinen Fleißarbeit für das Alltagsgeschäft: Auch mitten in der Krise traut sich Schäuble noch an große Zukunftsvisionen heran. Immer wieder sorgt er mit Vorstößen für „mehr Europa“ für Aufsehen. Mal bringt er eine Änderung der europäischen Verträge ins Spiel, um mehr Kooperation und mehr zentrale Steuerung zu ermöglichen, mal schlägt er eine Volksabstimmung über derartige Reformen vor. Auch einen europäischen Finanzminister fände er gut. Im politischen Berlin wird ihm gern unterstellt, dieses Amt selber ausüben zu wollen.
Vorerst aber bleibt er der deutschen Politik erhalten: Im Juli kündigte er an, 2013 erneut für den Bundestag kandidieren zu wollen. Es wäre seine zwölfte Legislaturperiode im Parlament. An Erfahrung, gemessen in Jahren, kann ihn damit kein Abgeordneter überbieten.