Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bekräftigte ihre Forderung nach Abschaffung des MAD und erhielt Unterstützung von den Grünen.

Berlin. Angesichts neuer Ermittlungspannen im Zusammenhang mit der Zwickauer Terrorzelle NSU ist in der Bundesregierung Streit über die Konsequenzen entbrannt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bekräftigte ihre Forderung nach Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und erhielt hierbei Unterstützung von den Grünen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) kanzelte seine Kollegin hingegen als nicht zuständig ab. Auch die Berliner Innenbehörde steht in der Kritik.

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Der MAD soll versucht haben, den späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos 1995 während seiner Zeit als Wehrdienstleistender als Informanten zu werben. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages wurde darüber erst spät und auf Nachfrage informiert. Am Donnerstag wurde außerdem bekannt, dass ein mutmaßlicher Unterstützer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) mehr als ein Jahrzehnt Informant der Berliner Polizei war.

Auch Grüne fordern MAD-Abschaffung

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der „Welt am Sonntag“, nur durch schnelles Handeln könnten beschämende Pannen wie beim NSU vermieden werden. „Die Bekämpfung von Extremismus darf nie wieder an Kleinstaaterei scheitern“, sagte sie. „Die überfällige Konzentration wird durch eine Zusammenlegung kleiner Verfassungsschutzämter und der Auflösung des MAD, dessen Befugnisse auf die bestehenden Dienste übertragen werden sollen, erreicht.“

De Maizière hielt dagegen, er halte den MAD nach wie vor für wichtig – etwa für die spezielle militärische Spionageabwehr und den Schutz deutscher Truppen im Ausland. Der Abschirmdienst werde umstrukturiert und deutlich verkleinert. Darüber berate eine Regierungskommission. Auch die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses würden beachtet. „Was ich aber gar nicht mag, sind öffentliche Ratschläge von Kabinettskolleginnen, die nicht zuständig sind“, sagte de Maizière der „Frankfurter Rundschau“.

Grünen-Chefin Claudia Roth warf de Maizière vor, „das Versagen der Behörden und seines Hauses schön zu reden“. Sie schloss sich daher der Forderung Leutheusser-Schnarrenbergers nach einer Abschaffung des militärischen Geheimdienstes an. „Der MAD gehört gänzlich abgeschafft, denn er hat seine Funktion nach dem Kalten Krieg und dem Ende der Wehrpflicht verloren“, sagte sie. Zugleich forderte die Grünen-Politikerin, „die Aufgaben und Aktionen“ des Verfassungsschutzes zu überprüfen. Auch müssten die parlamentarischen Kontrollgremien ausgebaut und gestärkt werden.

Nahles kritisiert Totalversagen der Sicherheitsbehörden

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) forderte eine Auflösung des Verfassungsschutzes und dessen Umgestaltung zu einer kompetenten Politikberatung. Im RBB-Inforadio zeigte sie sich zudem überzeugt, dass ein Teil der Morde des Zwickauer Terror-Trios hätte verhindert werden können, wenn die Sicherheitsbehörden ihre Kontakte genutzt und die Neonazis bereits 2002 festgenommen hätten. „Wenn man 2002 die Bande dingfest gemacht hätte, hätte man fünf Morde und weitere Anschläge verhindern können“, betonte Pau.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf den Sicherheitsbehörden Totalversagen vor. „Man kann schon nicht mehr von Pleiten und Pannen reden“, sagte Nahles. Das Verhalten der Dienste sei vielmehr ein „Totalversagen“ und verlange „rückhaltlose Aufklärung und eine Reform aller Dienste in diesem Land“. Nahles fügte hinzu: „Denn das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen, aber auch und nicht zuletzt unserer Demokratie schuldig!“

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war nicht über die Spitzeltätigkeit des mutmaßlichen NSU-Unterstützers in Berlin informiert. Friedrich habe erstmals am 13. September mit der Sitzung des Untersuchungsausschusses von dem Vorgang erfahren, sagte ein Sprecher auf dapd-Anfrage und bestätigte damit einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“. Als Konsequenz forderte eine bessere Information aller Behörden. „Es muss klar sein, dass alle Verfassungsschutzbehörden zusammenarbeiten müssen“, betonte er. Dies gelte auch für den MAD.

Mit Material von dapd