Sozialverband mahnt Reformen für mehr Verteilungsgeechtigkeit an. Auch Kardinal Woelki beklagt „Schere zwischen Arm und Reich“.

Berlin. Wer in Deutschland reich ist wird immer reicher, wer arm ist immer ärmer - auf diese einfache Formel lässt sich das zusammenfassen, was der Sozialverband Deutschland (SoVD) am Donnerstag in Berlin präsentiert hat. Der Verband hat sich deshalb für umfassende Reformen und für mehr Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland ausgeprochen.

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„Es erfüllt uns mit großer Sorge, dass die Vermögensungleichheit in Deutschland immer weiter zunimmt. Während Armutsrisiken aufgrund falscher politischer Weichenstellungen deutlich steigen, wächst das private Vermögen der Reichen stetig. Trotz des Aufschwungs sind rund acht Millionen Menschen abhängig von Hartz IV",erklärte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Dieses Armutszeugnis sei eine traurige Bankrotterklärung für eines der reichsten Länder der Welt.

Bauer forderte, der Aufspaltung der Gesellschaft in Arm und Reich entgegenzutreten. Der Präsident des Sozialverbandes machte auf den „fortwährenden Abbau von Sozialleistungen“ sowie „massive Verschlechterungen für viele und unverhältnismäßige Verbesserungen für wenige Menschen“ aufmerksam. Zentrale Grundfesten des gesellschaftlichen Gefüges seien so sehr aus den Fugen geraten, dass ein "Achsenbruch mit Totalschaden" drohe. Das entstandene Ungleichgewicht müsse wieder ins Lot gebracht werden, forderte Bauer.

Aus Sicht des SoVD ist auch vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung eine gerechtere Verteilung finanzieller Ressourcen erforderlich. „Bund, Länder und Gemeinden sind derzeit mit knapp zwei Billionen Euro verschuldet. Hohe Zinsen reißen tiefe Löcher in den sozialen Leistungskatalog“, warnte Bauer und forderte, Steuerpflichtige mit hohen Einkommen und Vermögen stärker einzubinden.

Mit dem „Forderungspapier für einen verteilungsgerechten Sozialstaat“ zeigt der SoVD Wege zu einem besseren sozialen Ausgleich in der Gesellschaft auf. Das Maßnahmenpaket umfasst neben arbeitsmarktpolitischen Reformen und stärkeren sozialen Sicherungssystemen auch eine verbesserte Teilhabe von behinderten Menschen sowie Investitionen in die Daseinsvorsorge.

+++Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer+++

Auch nach Einschätzung von Kardinal RAiner Maria Woelki öffnet sich die „Schere zwischen Arm und Reich“ immer mehr. „Deutschland ist ein reiches Land. Was aber nicht heißt, dass es allen Bürgern auch gut geht“, betonte er in einem Beitrag für die Berliner Zeitung „B.Z.“ . Dabei bleibe die Armut oft „verdeckt“, da Menschen ihre Rechte nicht kennten oder sie aus Scham nicht in Anspruch nehmen wollten. In der Deutschen Bischofskonferenz steht Woelki an der Spitze der Caritas-Kommission.

„Wenn sich Armut versteckt, muss sie aufgedeckt werden, bevor man helfen kann“, erklärte der Berliner Erzbischof. Das erfordere Fingerspitzengefühl, um die wirkliche Not zu erkennen und mit der gebotenen Diskretion zu helfen. Von Armut betroffen seien besonders Familien, vor allem die Kinder. „In vielen Familien fehlt das Geld für die einfachsten Dinge – für einen neuen Fußball, den Musikunterricht oder das Taschengeld. Deshalb komme den Lehrkräften eine besondere Rolle als Vermittler von Hilfe zu.

Woelki warb auch für die laufende Aktion „Armutsdetektive“ der Berliner Caritas. Bis Ende August sind etwa 50 Jugendliche aus Berlin, Brandenburg und Vorpommern in ihrer Heimatorten unterwegs. Sie wollen Ursachen und Erscheinungsformen von Armut aus erster Hand erfahren. Die daraus entstehenden Texte, Radiobeitrage und Videos werden ab September auf der Facebook-Seite der Caritas veröffentlicht. „Die jungen Detektive werden herausfinden, wo und wie Armut sich versteckt, davon bin ich überzeugt“, so der Kardinal.