Berlin. Trotz der gesunkenen Arbeitslosigkeit hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland in den vergangenen Jahren weit stärker geöffnet als in den meisten anderen Industriestaaten. Mit durchschnittlich 57 300 Euro verdienten die obersten zehn Prozent der deutschen Einkommensbezieher 2008 etwa achtmal so viel wie die untersten zehn Prozent, die im Schnitt 7400 Euro nach Hause brachten. In den 90er-Jahren lag dieses Verhältnis noch bei sechs zu eins. Das geht aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor.
Deutschland, das vor der Jahrtausendwende mit den skandinavischen Ländern zu den weltweit ausgeglichensten Gesellschaften zählte, liegt jetzt im internationalen Vergleich nur noch im Mittelfeld. Einer der Gründe, so die OECD: Firmen griffen vermehrt auf schlecht entlohnte Teilzeitarbeitskräfte zurück. Zudem sorge der soziale Wandel dafür, dass sich immer mehr Alleinerziehende mit niedrigen Einkommen durchschlagen müssen.
"Die Studie widerlegt die Annahme, dass Wirtschaftswachstum automatisch allen Bevölkerungsgruppen zugutekommt und dass Ungleichheit soziale Mobilität fördert", so die OECD. Zunehmende Ungleichheit schwäche die Wirtschaftskraft eines Landes, sie gefährde den sozialen Frieden und die politische Stabilität. "Wir brauchen eine umfassende Strategie für sozialverträgliches Wachstum, um dem Trend Einhalt zu gebieten", sagte Generalsekretär Angel Gurria.