Die Notenbanker vertagen ihre Entscheidung über den umstrittenen Vorstand. Finanzminister Wolfgang Schäuble nannte Sarrazins Ansichten „Unsinn“
Frankfurt/Main. Zuletzt musste er nach einer Krisensitzung mit seinem Arbeitgeber einen Teil seiner Kompetenzen abgeben. Jetzt hat der umstrittene Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (65) offenbar eine Frist zum Nachdenken bekommen. Die Deutsche Bundesbank hat ihre Entscheidung zur Zukunft von Sarrazin vertagt. „Vor Donnerstag ist nicht mit Ergebnissen zu rechen“, sagte ein Notenbank-Sprecher. Die Bundesbank prüft derzeit, ob sie die Abberufung Sarrazins durch den Bundespräsidenten beantragt.
Im sechsköpfigen Bundesbank-Vorstand verantwortet jedes Mitglied mehrere Aufgabenbereiche. Obwohl Sarrazin dem Gremium erst seit Mai 2009 angehört, hat sich seine Ressortzuständigkeit schon zweimal verändert. So musste er als Konsequenz aus seinen umstrittenen Äußerungen zur Integration von Ausländern im Oktober 2009 den zentralen Bereich Bargeld abgeben. Jetzt ist er noch verantwortlich für die Bereiche Informationstechnologie, Risiko-Controlling und Revision.
Nun bleibt auch offen, ob die Bundesbank ihm den Rücktritt nahe gelegt hat. Entlassen kann man Sarrazin nicht ohne Weiteres . Allerdings kritisierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Sarrazin scharf. Schäuble sprach von einem ersichtlichen Verstoß gegen die Verpflichtung, sich als Mitglied des Vorstandes zurückzuhalten. „Ich habe eine Vorstellung davon, dass diese Art von Tabuverletzungen unser Land nicht voranbringt. Oder wenn überhaupt, nur das Gegenteil“, sagte Schäuble. Er nannte die Äußerungen Sarrazins „verantwortungslosen Unsinn“. Schäuble teilte mit, er habe mit Bundesbank-Präsident Axel Weber über Sarrazin gesprochen. Zum Inhalt des Gesprächs wollte er nichts sagen.
In der Berliner SPD wird über ein verkürztes Ausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator Sarrazin nachgedacht. Die Entscheidung könnte am kommenden Montag auf der nächsten Sitzung des Landesvorstandes fallen. Ein beschleunigtes Verfahren würde bedeuten, dass binnen drei Monaten über einen Parteiausschluss entschieden werden müsste und Sarrazins Rechte als Parteimitglied in dieser Zeit ruhen würden, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler, erläuterte. Das letzte Parteiordnungsverfahren, das Sarrazin im März überstanden hatte, dauerte wesentlich länger. Die SPD-Spitze hält Sarrazin wegen dessen Thesen zur Integrationspolitik für nicht mehr tragbar in der Partei.