Innenminister Wolfgang Schäuble soll Finanzminister werden. Überraschender Höhepunkt einer Karriere.
Hamburg. Es ist fast genau vier Jahre her, da platzierte Wolfgang Schäuble sich unter seinen Parteikollegen im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin in der ersten Reihe. Müde und teilnahmslos sah er aus. So, als ginge ihn das alles gar nichts richtig an, was die Union dort auf einem kleinen Parteitag diskutierte und dann auch annahm. Den Koalitionsvertrag für das damalige Bündnis mit der SPD.
Schäuble gab den Mann auf Abruf, der nur seiner Partei zuliebe noch einmal den wichtigen Posten des Innenministers übernehmen würde. Doch er blieb - und nun wird der 67-Jährige sogar noch einmal einen Sprung in der Minister-Hierarchie machen. Er übernimmt als Finanzminister den in diesen Krisenzeiten wichtigsten Posten im Kabinett von Angela Merkel. Der einzige Minister, der im Kabinett ein Vetorecht hat. Gleich nach Kanzlerin und Vizekanzler Guido Westerwelle kommt nun der Finanzminister Schäuble. Eine Entscheidung, die für große Überraschung sorgte, weil in der Berliner Gerüchteküche viele Namen gehandelt wurden - außer dem von Schäuble.
Kanzlerin Angela Merkel holt sich damit einmal mehr nicht nur ihren erfahrensten Mann dicht an ihre Seite, sondern auch den unerschrockensten. Der Badener gilt nicht nur als hochintelligent, gebildet und analytisch. Seine große politische Erfahrung sowie auch letztlich sein Alter jenseits des Renteneintritts geben ihm eine Unabhängigkeit, die ihn bei den wichtigen finanzpolitischen Verhandlungen zu einem harten Verhandlungspartner machen. Auf den Konferenzen weltweit, aber auch gegenüber möglicherweise ausufernden Forderungen des Koalitionspartners FDP.
Schäuble war Kanzleramtsminister, verhandelte den Einheitsvertrag, er war zweimal Innenminister und führte neun Jahre lang die Bundestagsfraktion von 1991 bis 2000. Er hat mehr als eine schwierige Entscheidung getroffen. Er hat mehr als eine Krise überwunden. Die schwerste sicherlich 1990 nach den Schüssen eines psychisch Kranken auf ihn, wegen deren Folgen er nun auf den Rollstuhl angewiesen ist. Als Finanzminister wird Schäuble sicher manches Mal Erinnerungen an den scheidenden Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wecken, dessen Sturheit und Knurrigkeit im Umgang mit den aus dem Ruder gelaufenen Managern Angela Merkel durchaus geschätzt hat. Auch Schäuble sagt, von der "Süddeutschen Zeitung" Anfang des Jahres in einem Interview auf die Finanzkrise angesprochen: "Jetzt sehen wir: Durch Gier wird alles zerstört." Scham oder Hemmschwellen gebe es offenbar nicht mehr. "Wir müssen erreichen, dass Werte, Moral, Anstand wieder etwas wert sind." Dass er den Anforderungen auch fachlich gewachsen ist, daran zweifelt niemand. Fast ist der neue Posten eine Rückkehr zu den Anfängen seines Berufslebens. 1971 begann er in der Steuerverwaltung des Landes Baden-Württemberg und brachte es zum Regierungsrat im Finanzamt Freiburg. Später war Schäuble Mitglied im Bundestags-Finanzausschuss und schon 1990 entscheidend an der Steuerreform beteiligt.
Es heißt, diese zentrale Personalentscheidung Schäuble sei vor allem Merkels Wunsch gewesen. Auch das zählt mit zu der Überraschung. Das Verhältnis der beiden stand nicht immer zum Besten, die Kanzlerin war beteiligt an den entscheidenden Niederlagen in Schäubles Leben. Dass beide politisch dennoch nicht voneinander lassen, ist Merkels Integrationskraft und Schäubles Machtbesessenheit geschuldet. Angeschlagen durch die Parteispendenaffäre, die sein langjähriger Förderer und Freund Helmut Kohl der CDU als bleischweres Erbe hinterlassen hatte, musste Schäuble den Parteivorsitz schon nach eineinhalb Jahren an die ehrgeizige, damalige Generalsekretärin Angela Merkel abgeben. Seine Verbitterung über das Verhalten von Kohl hat Schäuble nie verwunden. Kohl hatte ihm 1998 auch die Chance verwehrt, als Kanzlerkandidat für die Union ins Rennen zu gehen, weil er immer noch der Meinung war, er selbst könne es besser.
Mit Angela Merkel hat Schäuble weitergearbeitet - selbst nachdem sie 2004 mit FDP-Chef Guido Westerwelle eine Nominierung von Schäuble für das Amt des Bundespräsidenten verhinderte. Er gilt als der Einzige, der der Kanzlerin hinter verschlossenen Türen unverblümt seine Meinung sagt. Jetzt dokumentiert Merkel, dass sie das schätzt.